Gaming-Technologie:Wie ein Controller für Inklusion vor der Spielekonsole sorgen soll

Gaming-Technologie: Mit dem Xbox Adaptive Controller können viele endlich auch Spielfiguren aus der Ich-Perspektive steuern.

Mit dem Xbox Adaptive Controller können viele endlich auch Spielfiguren aus der Ich-Perspektive steuern.

(Foto: Microsoft)
  • Um Gamern mit Behinderung das Computerspielen zu erleichtern, hat Microsoft den Xbox Adaptive Controller gebaut.
  • Daran lassen sich eine Vielzahl Schalter und Hebel anschließen, damit Menschen mit Behinderung Funktionen durch individuelle Einstellungen ersetzen können.
  • Der Controller ist eine gute Idee, der Praxistest offenbart aber Schwierigkeiten.

Von Caspar von Au

Thomas Müller findet den Ausgang nicht. Wieder und wieder läuft er mit seiner Spielfigur im Computerspiel "A Way Out" gegen eine Backsteinwand. Müller kann nicht sehen, wo es lang geht. Dafür müsste er den Kamerawinkel in dem 3D-Spiel ändern. Mit einem Joystick wäre das kein Problem, der aber liegt ungenutzt daneben. Er kann ihn nicht bedienen. Müller, 39, leidet an Muskeldystrophie, eine Erbkrankheit, in dessen Verlauf sich Muskelgewebe zurückbildet. Er sitzt im Rollstuhl, unter Anstrengung kann er noch einige Finger bewegen. Mit diesen bedient er die beiden untertassengroßen Tasten einer flachen weißen Box, die vor ihm auf der Ablage seines Rollstuhls liegt: Der Xbox Adaptive Controller von Microsoft soll Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit den Zugang zu Computerspielen erleichtern - oder überhaupt erst ermöglichen.

In der Münchner Stiftung Pfennigparade, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, hat sich eine Handvoll junger Männer um Müller versammelt - die meisten von ihnen sitzen ebenfalls im Rollstuhl. Sie sind neugierig, ob der Adaptive Controller hält, was er verspricht. Neben den beiden großen Tasten besitzt er ein Steuerkreuz und zwei kleinere Knöpfe. Entscheidend sind die 19 Anschlüsse an der Rückseite. Bis zu 19 Tasten, Fußpedale oder Joysticks kann der Spieler hier einstöpseln, um die Befehle eines herkömmlichen Controllers anderweitig anzusteuern. Jeder soll den Adaptive Controller an seine individuellen Bedürfnisse anpassen können - egal, welche Behinderung er hat.

Wenn das Spiel zu kompliziert ist, hilft auch kein Controller

Müller, der motorisch nahezu zu hundert Prozent eingeschränkt ist, bringt das allerdings nicht viel. "Laufen war schon immer das Problem", sagt der 39-Jährige. Die anderen Rollstuhlfahrer stöhnen auf, den Witz hören sie nicht zum ersten Mal. "In Computerspielen, meine ich", fügt Müller eilig hinzu. Der beste Controller hilft nicht viel, wenn das Spiel selbst Hürden aufbaut. "Ein Spiel muss entweder 2D sein oder nicht so kompliziert", sagt Duc-Anh Vu, der zuschaut, wie sich Müller vergeblich abmüht. Der 24-Jährige leidet ebenfalls an Muskeldystrophie, er kann gerade mal den linken Zeigefinger ausreichend bewegen, um seinen elektrischen Rollstuhl zu steuern. In seiner Freizeit bevorzugt er deshalb Strategiespiele oder das Rennspiel "The Crew 2". Dort ist der Kamerawinkel fix.

Es gibt für die Xbox die sogenannte Copiloten-Funktion. Dabei teilen sich zwei Spieler die Steuerung auf. Julian Ovidio und Gerhard Hälterlein steuern gemeinsam einen animierten Fuchs in dem Jump-n-Run-Spiel "Superlucky's Tale". Vorsichtig balanciert der Fuchs über eine schmale Brücke, links und rechts gähnt der Abgrund. "Hoch, hoch", kommandiert Hälterlein. Er kümmert sich um die Aktionstasten, dafür hat er sich einen gewöhnlichen Xbox-Controller zwischen die Hände geklemmt. Weil er an einer angeborenen Fehlbildung leidet - er hat an jeder Hand nur einen Finger -, stellt das für ihn eine Herausforderung dar. Auch Ovidio ist mit verkümmerten Händen auf die Welt gekommen. Er steuert, wo der Fuchs hinläuft.

Der Adaptive Controller, den sie eigentlich testen sollen, liegt unbeachtet daneben. Dementsprechend fällt ihr Fazit aus: Für zu 99 Prozent körperlich eingeschränkte Personen ist das Gerät wohl eher nichts. "Der Controller bietet neue Möglichkeiten", findet Hälterlein, "aber noch recht begrenzt." Bis das Gerät für Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen sinnvoll einsetzbar ist müssen diese den Controller erst mühsam auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Dabei können beispielsweise Ergotherapeuten helfen. Dass diese Anpassung mit dem Gerät überhaupt möglich ist, ist für die Betroffenen auf jeden Fall ein Fortschritt. Bis die Gamer Ovidio und Hälterlein mit dem Adaptive Controller gegeneinander antreten können, dürfte es allerdings dennoch noch eine Weile dauern.

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