Begehrtes Datenmaterial:Warum Uber Microsofts Kartendienst kauft

Satya Nadella

Microsoft-Chef Satya Nadella mistet seinen Konzern aus.

(Foto: dpa)

Konzernchef Nadella mistet bei Microsoft aus - und verkauft den digitalen Landkarten-Dienst an den Fahrdienst Uber, die digitale Werbesparte geht an AOL.

Von Helmut Martin-Jung

Das Wichtigste kam zum Schluss. Im drittletzten Satz einer mehrseitigen E-Mail an alle Mitarbeiter ließ Satya Nadella, seit Anfang 2014 Chef des Technologiekonzerns Microsoft, erkennen, dass es ungemütlich bleiben wird in der Firma. Die müsse, schreibt er, "einige harte Entscheidungen treffen in Bereichen, wo es nicht läuft." Die Mail ging Ende vergangener Woche raus, nun wissen die ersten Microsofties, dass es sie erwischt: Der Konzern zieht sich weitgehend aus dem Geschäft mit Werbung zurück, und auch beim Kartendienst Bing Maps verzichtet er darauf, selbst Daten zu erheben.

Für die deutschen Autohersteller Daimler, Audi und BMW könnte letzteres eine gute Nachricht sein. Denn der umstrittene Fahrdienst-Vermittler Uber ist damit aller Voraussicht nach aus dem Rennen um Nokias Kartendienst Here. Uber erhält von Microsoft ausgewählte Technologie, ein Rechenzentrum sowie Kameras und einige Patente. Zum Preis äußerten sich die Unternehmen nicht. Die Daten für Microsofts Bing Maps sollen künftig ausschließlich von Partnern kommen und bei dem Konzern nur noch zu einem fertigen Produkt verbunden werden. Berichten in amerikanischen Medien zufolge sollen etwa 100 Mitarbeiter zu Uber wechseln.

Nur noch drei Anbieter für Kartendaten

Uber war Interesse an der Kartendienst-Sparte von Nokia nachgesagt worden. Daran haben jedoch in einer beispiellosen konzertierten Aktion auch Daimler, Audi und BMW Interesse bekundet - und Aussicht auf Erfolg. Einziges Problem: Nokia strebt einen Verkaufspreis von mehr als drei Milliarden Euro an, die deutsche Auto-Allianz war mit einem Angebot von zwei Milliarden ins Rennen gegangen.

Doch wieso sind die Kartendienstleistungen so begehrt? Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Zum einen ist das Erfassen und Aktualisieren von Kartendaten ein mühsames und aufwendiges Geschäft, für das man zudem viel Erfahrung braucht. Es gibt daher nur noch drei Firmen, die das im großen Stil machen: Google, Tomtom und eben Here. Wäre Here an Uber gegangen, hätten sich die Autohersteller an Tomtom wenden oder sich mit Google zusammentun müssen.

Selbstfahrende Autos brauchen präzise Karten

Doch der US-Internetkonzern verfolgt eine eigene Agenda, unter anderem arbeitet man dort an einem elektrisch betriebenen selbstfahrenden Auto. Und die Umstellung auf einen anderen Anbieter wäre sehr teuer geworden, die Autobauer bezogen ihre Kartendaten bereits seit längerem von Nokia Here und haben viel Geld in die Entwicklung neuer Projekte investiert. Zu den wichtigsten Zukunftsprojekten gehören vernetzte und selbstfahrende Autos. Und dafür - das ist der zweite Grund - sind die Kartendienste nötig. Denn in den Daten, die diese spezialisierten Unternehmen erheben, aktualisieren und mit Algorithmen berechnen, stecken mehr Informationen als ein Navigationsgerät anzeigt. In der sogenannten Dark map werden Dinge wie Steigungen, Kurvenradien, die Position von Ampeln und vieles mehr mit erfasst, weil nur mit solchen sehr präzisen Angaben vernetzte und irgendwann auch selbstfahrende Autos möglich sind.

Bei Microsoft, das zeigen die Entscheidungen, die am Montagabend bekanntgegeben wurden, deutlich, wird ausgemistet. Was kein Geld einbringt oder nicht in die Strategie passt, muss raus. "Wir müssen Risiken eingehen und uns schnell bewegen, wenn wir Fehler machen - in der Erkenntnis, dass auf dem Weg zur Meisterschaft Misserfolge passieren", schrieb Nadella vergangene Woche an seine Mitarbeiter.

Der gebürtige Inder, der den Konzern mit Macht auf die Ziele Vernetzung und mobiles Arbeiten hin ausrichtet, erwartet vor allem von der Windows-Plattform, dass sie hilft, diese Ziele zu erreichen. Ein Dorn im Auge sind Nadella aber auch die horrenden Verluste, die Microsoft in den vergangenen Jahren mit der Suchmaschine Bing und im Werbegeschäft anhäufte, die Rede ist von zehn Milliarden Dollar in den vergangenen fünf Jahren. Das Geschäft mit Bannerwerbung führt künftig AOL weiter, 1000 Mitarbeitern wird angeboten, zu AOL zu wechseln.

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