Süddeutsche Zeitung

Bayerische Computerspiele-Förderung:Das Spiel ist aus

Computerspiele waren für viele bayerische Politiker lange "Teufelszeug". Sogenannte "Killerspiele" dominierten die öffentliche Diskussion. Dann entdeckten dieselben Politiker das wirtschaftliche Potential und förderten die Spieleindustrie recht großzügig. Doch damit ist es nun vorbei.

Mirjam Hauck

Noch vor ein paar Jahren waren Computerspiele nach Ansicht vieler bayerischer Politiker "Teufelszeug", sogenannte Killerspiele dominierten die öffentliche Diskussion. Das änderte sich im Jahr 2007, als der damalige Wirtschaftsminister Erwin Huber entdeckte, welches wirtschaftliche Potential in der digitalen Spieleindustrie steckte, und sie gar zu den dynamischsten Märkten der Medienbranche mit hohen Wachstumsraten erklärte.

Fortan gab es Tagungen wie die Munich Gaming, der Deutsche Computerspielpreis wird nun alle zwei Jahre in der bayerischen Landeshauptstadt vergeben und auch die bayerischen Parlamentarier kamen schon in den Genuss eines Computerspieleabends und durften im Landtag ein wenig daddeln.

Plattform für die Branche

Hervorgetan bei der Förderung der bayerischen Computerspieleindustrie und für die Vorreiterrolle Bayerns hat sich das Cluster "Audiovisuelle Medien" (CAM), das vor fünf Jahren im Rahmen der Clusterinitiative der Bayerischen Staatsregierung gegründet wurde. Das Cluster versteht sich als Plattform für die Branche, die technisches Know-how an Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit Kreativen und Kapitalgebern vernetzen soll.

Doch trotz der Umtriebigkeit mit fast 200 Veranstaltungen in den Bereichen Filmtechnik, Book meets Film und vor allem Games und der nachgewiesenen Erfolge und Impulse steht das Cluster jetzt vor dem Aus. Nach einem Kabinettsbeschluss muss das CAM seine Arbeit zum 31. Dezember 2011 einstellen.

Zum Verhängnis wurde ihm eine Evaluierung des bayerischen Wirtschaftsministeriums, bei der aber nicht bedacht wurde, dass der Ertrag im Medienmarkt anders als bei Industrieprodukten gemessen werde, sagt eine enttäuschte Mitarbeiterin. Innovations- und Informationstransfer lasse sich eben nicht so einfach bewerten.

Computerspiele als hochwertige Unterhaltungskultur

Die Games-Industrie ist in Deutschland mittlerweile keine randständige Branche mit negativem Image mehr. Ihre Förderung hat inzwischen sogar Einzug in den Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung gefunden: Als Bestandteil der Alltagskultur sollen Computerspiele als hochwertige Unterhaltungskultur aufgewertet werden. In der Branche selbst arbeiten 10.000, vornehmlich junge Leute als Game-Designer, Producer oder Programmierer, vor allem in Metropolen wie Hamburg, Berlin, Köln und München sowie dem Ballungsraum Nordrhein-Westfalen.

Bei der Ansiedlung neuer Produktionsstätten und Firmen kommt es vor allem auch auf Fördermittel und Venture Capital für junge Firmen sowie ein kreatives und kulturelles Umfeld an", sagt Florian Dickgreber, Gaming-Experte bei der Düsseldorfer Unternehmensberatung A. T. Kearney. "Sind mittelfristig nicht ausreichend Arbeitskräfte verfügbar, so könnten Firmen an attraktivere Standorte im In- und Ausland abwandern." Mit dem Ende des Clusters könnte der Landeshauptstadt München also ein Abzug der Kreativen drohen.

Folker Schamel, Geschäftsführer des 3-D-Entwicklers Spinor aus München sagt: "München ist ein sehr guter Standort für Softwareentwicklung. Vor einiger Zeit konnten wir einen hervorragenden kanadischen Entwickler für uns gewinnen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Politik speziell der Computerspielebranche noch nicht die Aufmerksamkeit schenkt, die ihrer wirtschaftlichen Bedeutung angemessen wäre.

Insbesondere im direkten Vergleich zum Luft- und Raumfahrt-Cluster wurde das Cluster "Audiovisuelle Medien" nur stiefmütterlich umgesetzt. Die plötzliche Schließung hat mich dann doch sehr überrascht und enttäuscht, dafür ist die Branche zu wichtig." Enttäuscht ist auch Hendrik Lesser, Geschäftsführer von Remote Control Productions: "Wir haben uns stark für den Cluster engagiert und hatten letztlich zuerst aus dem E-Mail-Newsletter von der Auflösung erfahren."

Die finanzielle Förderung sei nur das eine, sagt Alexander Zacherl, Managing Director der Münchner Entwicklerschmiede Bit Barons. Im Vergleich zur Filmförderung mit mehr als 28 Millionen Euro im Jahr falle die Games-Förderung mit 470.000 Euro sowieso sehr gering aus. Aber das Gute am Cluster sei gewesen, dass er durch die vielen hervorragenden Veranstaltungen und das gesammelte Know-how die Branche miteinander vernetzt habe, und davon hätten alle Beteiligten sehr profitiert. In einem offenen Brief hat sich Alexander Zacherl nun mit 16 weiteren Vertretern von Computerspiele-Unternehmen an die bayerische Staatskanzlei gewandt und gegen das Ende des Clusters protestiert.

Bedenken der Games-Industrie

Thomas Kreuzer, seit Anfang November Leiter der Staatskanzlei und damit Medienminister und Nachfolger des an die Spitze des Umweltministerium nachgerückten Marcel Huber, teilt die Bedenken der Games-Industrie. Dennoch stehe man selbstverständlich zum Beschluss des Kabinetts. Aber es gebe Hoffnung für die bayerischen Computerspiele-Entwickler.

So trage man sich durchaus mit Überlegungen, die Strukturen des Clusters "Audiovisuelle Medien" weiterzuführen. Laut einer Sprecherin der Staatskanzlei wären denkbare mögliche Szenarien, das Know-how im angesehenen Film- und Fernsehfonds oder in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien anzusiedeln. Derzeit führe man noch Gespräche, Ergebnisse gäbe es allerdings noch nicht.

Nach Angaben von Franz Glanz vom Gründerzentrum b-neun Media in Unterföhring laufen derzeit Gespräche mit der Bayerischen Staatsregierung darüber, dass ein neues Gründerzentrums namens Kultfabrik auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Pfanni Werke in München einen Platz finden könnte. Dort könnten auch die bayerischen Spieleentwickler wie auch andere Kreative eine neue Heimat finden. Vielleicht ist doch noch nicht Game Over.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2011/mri
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