Basketball-Simulation NBA 2K16:Spike Lee erschafft das Basketball-Drama

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Cover von NBA 2K16 (Foto: 2K)

Der Regisseur Spike Lee hat das Drehbuch für die Basketball-Simulation NBA 2K16 geschrieben. Der Meister der Figurentwicklung will die zwei wichtigsten Trends bei Videospielen zusammenführen.

Es ist eine schamlose Untertreibung zu behaupten, dass sich Spike Lee für Basketball interessiert - so als würde man sagen, dass LeBron James ein recht ordentlicher Akteur in dieser Sportart ist. Der Regisseur gilt als inoffizielles Maskottchen der New York Knicks, seit Jahren sitzt er bei Heimspielen mit überdimensionalem Trikot und skurrilen Mützen in der ersten Reihe. Er hat Werbespots mit Michael Jordan gedreht, er hat in der Dokumentation "Hoop Dreams" mitgespielt, er war für die Kobe-Bryant-Doku "Kobe Doin' Work" und das Basketball-Drama "He Got Game" mit Denzel Washington verantwortlich.

Nun bedient Lee ein neues Genre, er hat das Drehbuch zur Basketball-Simulation NBA 2K16 geschrieben und auch Regie geführt. Das Projekt, das im September auf den Markt kommen soll, ist hochinteressant, weil es zwei Trends bei Videospielen zusammenführt: die Evolution vom Unterhaltungsprodukt zum Kunstwerk und vom Wettkampf zum emotionalen Erlebnis. "Be the Story" lautet der Untertitel von NBA 2K16, sei die Geschichte. Lee sagt in einem Trailer zum Spiel: "Was wird Deine Geschichte sein?"

"Du bist ein Star!"

Schon im Vorspann des Spiels FIFA 2006 flüsterte vor knapp zehn Jahren eine Stimme diese verführerische Botschaft: "Hast Du nicht einmal vom perfekten Schuss geträumt? Wenn eine ganze Nation den Atem anhält. Du bist Wayne Rooney. Du bist Ronaldinho. Du bist ein Star!" Schon damals konnte sich der Spieler als Deluxe-Version seiner selbst in die Handlung einbringen, er konnte einen Spieler erschaffen, der dann im virtuellen Spiel Tore für den Lieblingsverein erzielt und danach jubelt. Es folgten der Karrieremodus in Sportspielen, seit drei Jahren enthält die Basketballvariante von 2KSports die Variante der personifizierten Laufbahn, die nun durch Lee eine cineastische Überarbeitung erfährt.

Das ist eine konsequente Fortführung dessen, was vor 30 Jahren mit Produkten wie Winter Games begonnen hatte, als der Spieler zumindest seinen Namen eintippen und seine Nationalität wählen und dann eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewinnen konnte. Es war die - zumindest virtuelle - Erfüllung dieses Traums vieler junger Menschen, ein erfolgreicher Athlet zu sein und von Millionen von Menschen bejubelt zu werden. Die Gelegenheit für den Sesselhocker, ohne die Mühen des täglichen Trainings sportliche Höchstleistungen zu erzielen.

Doch was bedeutet das tatsächlich - ein Sportstar sein? Dieser Frage will Lee nun nachgehen bei seinem Projekt. "Ich habe mich auch bei meinen Sportfilmen wie 'He Got Game' immer eher dafür interessiert, was abseits des Spielfeldes passiert. Jeder kann sich eine Partie ansehen, doch nur selten bekommt man einen Einblick, was hinter den Kulissen geschieht", sagt Lee: "Es geht nun um all die Irrungen und Wirrungen, die das Leben auf der großen Bühne so mit sich bringt: Geld, Ruhm, Versuchungen, Journalisten, Familienmitglieder, Spielerberater, wütende Fans - all diese Sachen."

Der Spieler soll die Rolle von Frequency Vibrations übernehmen. Der ist ein Teenager, gesegnet mit außerordentlichem Talent und außerordentlichem Selbstbewusstsein. Er träumt von einem Leben als Profi, ist jedoch von Menschen umgeben, die diesen Traum in seinem Schatten auch erleben wollen. "Es geht um die Entscheidungen, die dieser junge Mann in seinem Leben treffen muss", sagt Lee. Es geht also weniger um die richtigen Knöpfe, die der Spieler während einer Partie drücken muss, um einen Dunking zu schaffen - es geht um Abzweigungen im Leben und die Überlegungen davor. Weniger Action, mehr Drama.

Lee Beteiligung könnte deshalb nicht nur eine neue Evolutionsstufe der Karrieremodi bei Sportspielen darstellen, die bislang zwar recht beliebt waren bei Zockern, letztlich jedoch nur einen teilweise arg langweiligen und vorhersehbaren Rahmen (natürlich wird der Spieler zum Star) boten für die Aktion auf dem Spielfeld. Eine packende Geschichte mit einem glaubhaften Protagonisten und herzzerreißenden Momenten könnte das Spiel in die Nähe rücken von Produktionen wie "Heavy Rain". Das Spiel aus dem Jahr 2010 gilt als erstes, bei dem der Spieler derart in die Handlung eingebunden wurde, dass er an manchen Stellen zu weinen begann.

Meister der Figurenentwicklung

Genau das ist die Herausforderung für Lee, der als Meister der Figurenentwicklung gilt. Er muss einen Protagonisten erschaffen, den der Spieler nicht für einen arroganten und verwöhnten Bengel auf dem Weg zum Superstar hält, sondern einen rechtschaffenen jungen Mann, der sich im Haifischbecken des professionellen Sports zurechtfinden muss. Der Spieler muss sich ärgern, wenn Frequency Vibrations daneben wirft - und er muss weinen, wenn seine Karriere den Bach runtergeht.

Lee muss ein Drama erschaffen wie bei "He Got Game" - mit dem Unterschied, dass der Kunde nicht nur Rezipient seiner Kunst sein wird, sondern über den Verlauf bestimmen darf. Der Weg dieses jungen Mannes, er darf deshalb keinesfalls wie bisher vorherbestimmt sein vom High-School-Talent zum Superstar. Es muss dunkle Abzweigungen geben und auch die Variante des Absturzes und des Scheiterns. Lee sagt selbst: "Sie haben mich verpflichtet, weil sie etwas Neues haben wollten. Ich kann eine Geschichte erzählen, deshalb bin ich hier." Die Qualität dieser Geschichte wird darüber bestimmen, ob dieses Projekt als Kunstwerk gelten darf.

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