Fintech:Wie Banken mit neuer Technologie experimentieren

European Central Bank President Mario Draghi Unveils New Twenty Euro Note

Sich nicht dem Schicksal ergeben: Die Deutsche Bank hat das erste Blockchain-Pilotprojekt gestartet.

(Foto: Martin Leissl/Bloomberg)

Die Blockchain-Technologie könnte Banken überflüssig machen. Doch das wollen die sich nicht gefallen lassen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Lange verhallte der berühmte Bill-Gates-Satz ungehört: "Bankgeschäfte sind notwendig, Banken sind es nicht". Doch spätestens seit Tausende digital ausgerichteter Finanz-Start-ups angetreten sind, die Bankenbranche mit neuen Angeboten zu revolutionieren, sind die etablierten Geldinstitute aufgewacht. Heute kooperieren sie mit diesen Fintech-Start-ups oder werkeln in Innovationslabors an Anwendungen für das Bankgeschäft auf dem Smartphone oder die Kreditvergabe über die Crowd. Das Wettrennen um die besten digitalen Angebote ist längst entbrannt.

Auch mit einer der wohl größten Gefahren für ihr Geschäftsmodell beschäftigen sich die Banken seit kurzem intensiv: Es handelt sich um die Blockchain-Technologie. Dahinter steht ein System, das bereits die digitale Krypto-Währung Bitcoin absichert und dessen Name sich von Antriebsketten aus der analogen Welt ableitet. Konkret handelt es sich um eine Art digitalen Kontoauszug für Transaktionen zwischen Computern, wobei jede Veränderung erfasst und - das ist das Besondere - dezentral und überprüfbar auf vielen Rechnern gespeichert wird. Solche Informationen lassen sich dann nur schwer manipulieren.

Es ist wie mit dem Internet: Was damit möglich sei, konnte man zu Beginn nicht absehen

In einer ferneren Zukunft, so sagen viele Experten, könnte diese Technologie Banken zumindest teilweise überflüssig machen: Denn wenn man damit digitale Informationen verifizierbar macht, benötigt man theoretisch keine zentrale Instanz mehr, die sie verwaltet und für ihre Echtheit bürgt: Für Online-Zahlungen oder Kredite zwischen zwei Parteien seien dann womöglich keine Geldinstitute mehr nötig.

Sich diesem Schicksal zu ergeben, ist für die Banken jedoch keine Option. Während sie sich im Alltag um Kreditnehmer oder Börsenkandidaten balgen, haben sich nun 30 weltweit operierende Bankkonzerne unter dem Dach einer US-Fintech-Firma zusammengeschlossen. Ob Goldman Sachs, JPMorgan oder die Credit Suisse: Gemeinsam wollen sie herausfinden, wie sie sich die Technologie zunutze machen können, welche Standards dafür nötig sind und was bei der Bankenregulierung zu beachten ist. Fast wöchentlich stoßen neue Mitglieder dazu.

Auch Deutsche Bank und Commerzbank haben sich der Initiative namens R3 angeschlossen. "Meiner Meinung nach werden mit Blockchain viele Dinge möglich sein, die man sich jetzt noch gar nicht vorstellen kann", sagt Rhomaios Ram, der bei der Deutschen Bank weltweit für neue Produkte im Zahlungsverkehr zuständig ist. Die Entwicklung stehe zwar noch am Anfang: Die Blockchain-Technologie könne man aber mit der Erfindung des Internet vergleichen. In den neunziger Jahren habe sich auch kaum jemand die unzähligen Anwendungsfälle des Internet vorstellen können. Wenig später waren sie Alltag.

Der größte Reiz für die Banken: Sie könnten massiv Kosten sparen

Fürs Erste geht es dabei für die Banken jedoch weniger um schicke, neue Angebote für die Kunden, sondern um das schnöde Thema Kosten. "Für die Banken ist Blockchain im Augenblick vor allem interessant, weil sie damit sehr viel Geld sparen können bei Systemen und Abläufen", sagt Sven Korschinowski, Experte für Zahlungsverkehr bei der Beratungsgesellschaft KPMG.

Bei Außenhandelsgeschäften oder anderen Zug-um-Zug-Geschäften müssten die Vertragsparteien heute immer noch Formulare ausdrucken und ausfüllen oder auf Sicherheiten warten. "Das könnte dank Blockchain einfacher, schneller und effizienter ablaufen", sagt Korschinowski. Manche Abläufe, die heute noch Tage dauern, würde dann binnen Minuten ausgeführt. Auch Wertpapiergeschäfte oder grenzüberschreitende Zahlungen könnten durch Blockchain beschleunigt werden. Der Thinktank der spanischen Bank Santander schätzt, dass die Banken damit bis 2022 jährlich Kosten in Höhe von 15 bis 20 Milliarden Dollar einsparen könnten.

Auch die Deutsche Bank experimentiert daher seit einigen Monaten mit der neuen Technologie. Innerhalb eines Pilotprojekts haben Rhomaios Ram und seine Leute gerade fiktiv Unternehmensanleihen über mehrere Blockchain-Technologien auf verschiedenen Kontinenten herausgegeben. Der Clou: Die Anleihe wird an den Investor ausgegeben, der automatisch seine Zinszahlungen erhält. Das Fazit: Die Technik funktioniere gut, nun jedoch müsse die Bank den regulatorischen Rahmen klären, also ob solche Anleihen auch rechtlich wirklich überall anerkannt würden.

Das Geschäftsmodell vieler Banken wird sich durch Blockchain verändern

Ob es am Ende wirklich sinnvoll sei, Unternehmensanleihen über Blockchain zu begeben, sei daher noch offen. Ram rechnet aber fest damit, dass die ersten Banken in den kommenden zwölf Monaten mit Anwendungsfällen an den Markt kämen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werde sich die Technik dann durchgesetzt haben.

"Das ist zwar keine Technologie, bei der am Ende nur einer als Gewinner übrig bleibt und alle anderen vom Markt verschwinden", sagt Ram, der bereits seit 20 Jahren bei der Deutschen Bank tätig ist. Blockchain werde aber das Geschäftsmodell vieler Banken verändern. Auch die vielen offenen Fragen der Technologie - oft sind es rechtliche - könnten bald gelöst sein, glaubt Ram. Nicht nur, weil Wagniskapitalgeber dort derzeit viel investieren, mittlerweile gibt es weltweit sogar mehr als 700 Start-ups, die an Lösungen für die Blockchain-Technologie arbeiten.

Zurücklehen können sich die etablierten Institute daher nicht. "Die Banken haben früh und schnell erkannt, dass es Handlungsbedarf gibt", sagt Korschinowski. In Teilbereichen der Technologie könnten trotzdem jederzeit neue Konkurrenten heranwachsen, die ihnen dann das Geschäft streitig machten. Ganz im Sinne von Bill Gates.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: