Aus für Kollaborationsdienst Wave:Google: Die Welle ist verebbt

Google dreht seinem "E-Mail-Killer" Wave den Saft ab: Der Online-Kollaborationsdienst ist die nächste große Hoffnung des Unternehmens, die die Erwartungen nicht erfüllen kann.

Johannes Kuhn

Als Google im Herbst 2009 seinen Kollaborationsdienst Wave in die Testphase schickte, war die Euphorie groß: Einladungen für die Testphase waren im Netz heiß begehrt, alle wollten wissen, welche Revolution das Unternehmen dieses Mal einleiten würde.

Google stellt ehrgeiziges Wave-Projekt ein

Stecken darunter wirklich kluge Köpfe? Im sozialen Web bleibt Google bislang vieles schuldig.

(Foto: dpa)

Auch das Unternehmen hielt mit Versprechungen nicht hinterm Berg: Wave sei wie E-Mail, "wenn sie heute neu erfunden würde", ein Echtzeit-Kollaborations- und -Nachrichtenservice mit einfacher Bedienobefläche.

Nicht einmal ein Jahr später ist längst klar: Wave ist keine Revolution, sondern ein Flop. Auf dem Firmenblog verkündete Google nun, das Experiment zu beenden. Angemeldete Nutzer können Wave noch bis Ende des Jahres nutzen, danach wird es als eigenständiger Service abgeschaltet. "Wave ist von den Nutzern nicht so angenommen worden, wie wir das gern gesehen hätten", heißt es im Blogbeitrag zerknirscht.

Der Dienst, bei dem Nutzer in ihren Browserfenstern gemeinsam in Echzeit Dokumente editieren und Projekte verwalten können, war offenbar selbst Anhängern von Google-Produkten zu hektisch. Die "radikal andere Art der Kommunikation", wie sie Google-Manager Urs Hölzle im Abschiedsbeitrag bezeichnete, ähnelte mehr einer verwirrenden Kakophonie.

Unklar blieb auch, wer eigentlich wie von dem Service profitieren sollte: Die internationale Wissenschaftsgemeinde und Unternehmen, in die Google große Hoffnungen gesetzt hatte, zeigten Wave offenbar die kalte Schulter. Als sich herausstellte, dass das Programm für die Allgemeinheit zu komplex war und sich Nutzer nach einer ersten Ausprobierphase kaum vernetzten, hatte Google keine Verbesserungen in petto.

Sozial ohne blassen Schimmer?

Die koordinierte Echzeit-Zusammenarbeit großer Gruppen auf einer leicht bedienbaren Plattform zu ermöglichen, bleibt deshalb eine Utopie, die Google vorerst nicht realisieren kann. Dabei hatte der Konzern mehr als 100 seiner Ingenieure auf das Projekt angesetzt und noch vor einem Monat zur größeren Kollaboration aufgerufen, wie das Technikblog ReadWriteWeb berichtet.

Kritiker sehen im Scheitern von Wave einen weiteren Beweis, dass Google Probleme mit Produkten für das soziale Web hat. Auch Googles Facebook-Konkurrent Buzz gilt bereits jetzt als nächster Kandidat für den Produktfriedhof.

Im Herbst will Google Gerüchten zufolge mit Google.Me einen neuen Versuch starten, einen Facebook-Gegner ins Rennen zu schicken. Gut möglich, dass sich in diesem einige Wave-Funktionen wiederfinden werden.

Dennoch ist das Wave-Aus für das Unternehmen innerhalb weniger Wochen das nächste Eingeständnis einer Niederlage: Mitte Juli hatte die Firma erklärt, sein Handy Nexus One nicht mehr in den USA verkaufen zu wollen.

Seit Anfang des Jahres hat der Google-Aktienkurs fast ein Fünftel seines Werts verloren. Dennoch gilt das Unternehmen aufgrund hoher Wachstumsraten seines mobilen Betriebssystems Android und erstklassiger Umsatzzahlen im Werbegeschäft als gesund.

Die jüngsten Flops haben jedoch gezeigt, dass die einstige Revolutionsfirma mehr tun muss, will sie ihren Status als größter Innovationstreiber im Internetgeschäft beibehalten.

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