Süddeutsche Zeitung

Aufregung um Spracherkennung:Samsung hört mit - aber nur manchmal

  • Wer ein Smart-TV von Samsung besitzt, sollte womöglich den Raum verlassen: Das Gerät hört mit. Mit einem bemerkenswerten Satz warnt das Unternehmen Nutzer vor TV-Geräten der eigenen Marke.
  • In einem Statement betont das Unternehmen, die Privatsphäre der Nutzer ernst zu nehmen.
  • Außerdem werde die Sprachsteuerung erst aktiv, wenn der Nutzer sie einschaltet. Für einfache Befehle wie die Lautstärkeregulierung sei kein Online-Datenaustausch nötig.

Von Hakan Tanriverdi

Wer sich einen Smart-TV von Samsung kauft, kann sich in Zukunft ein wenig wie ein Mafioso fühlen. Von denen ist bekannt, dass sie beim Reden die Hand vor den Mund halten, damit Polizisten, die sie aus der Ferne beschatten, das Gespräch der Kriminellen nicht von deren Lippen ablesen können. Bei Samsung ist das nun ähnlich, es gibt nur einen kleinen Unterschied: Die Käufer müssen den Raum verlassen, in dem ein Smart-TV steht - oder sehr leise sprechen.

Denn diese smarten Fernsehgeräte nutzen das Prinzip der Spracherkennung. Grundsätzlich sollen die Geräte damit einfacher zu bedienen sein. Statt also erst nach der Fernbedienung zu suchen, reicht es, mit seinem Fernseher zu reden. Wer zum Beispiel "Volume Up" sagt, kann die Lautstärke verändern. Es ist ein Prinzip, das sich aktuell bei vielen Geräten und Apps durchsetzt. Wer auf Facebook Nachrichten verschicken will, kann das tun, ohne tippen zu müssen und auch die mittlerweile eingestellte Datenbrille von Google reagiert auf den Sprachbefehl "Ok Glass".

Achtung - Samsung hört mit

In den Lizenzvereinbarungen von Samsung Smart-TVs steht nun ein bemerkenswerter Satz: "Bitte seien Sie sich bewusst, dass Ihre gesprochenen Worte aufgezeichnet und an einen Drittanbieter geschickt werden." Wer also besonders sensible Dinge vor seinem Fernseher berede, solle sich dessen bewusst sein, schreibt Samsung. Es ist eine Warnung, anders ist dieser Satz nicht zu verstehen. In dem Unterpunkt "Drittanbieter" steht dementsprechend auch: "Samsung ist nicht verantwortlich dafür, wie diese Drittanbieter Privatsphäre- und Sicherheits-Maßnahmen umsetzen".

Die Spracherkennungsfunktion können Nutzer abschalten - und damit entspannter vor dem Fernseher reden. Es würden erst dann Mitschnitte über das Internet übermittelt, wenn Nutzer per Knopfdruck auf der Fernbedienung eine Sprach-Suche aktivierten, sagte ein Samsung-Sprecher am Montag. ine weitere Funktion, bei der per Sprachsteuerung etwa die Lautstärke oder der Kanal geändert werden können, arbeite grundsätzlich ohne Internet-Verbindung. Der Fernseher reagiert dabei an bestimmte Code-Wörter wie "Hi, TV" oder "Smart-TV". Um sie aus dem Sprachfluss herauszuhören, muss er zwar permanent zuhören. Aber die Sprachinformationen würden dabei ausschließlich im Gerät selbst verarbeitet, betonte der Samsung-Sprecher.

Auf diversen Webseiten wird dennoch diskutiert: Was ist von der unglücklich formulierten Passage in den Nutzungsbedingungen zu halten? Das Blog Netzpolitik spricht von einer "schönen neuen Fernsehwelt" und warnt damit implizit vor einer überbordenden Datensammel-Wut der Konzerne bei gleichzeitig abnehmendem Schutz der Bürger. Auf dem Technik-Blog Caschy hingegen steht in einem Beitrag; "Wie soll denn eine Spracherkennung funktionieren, wenn ein Gerät nicht mithören darf?" Wer die Nutzungsbedingungen nicht lese, sei selber schuld.

Fast niemand liest AGB im Internet

Einerseits ist es natürlich Aufgabe der Nutzer, sich darüber zu informieren, was sich Konzerne an Rechten einräumen. Andererseits gibt es fast ein stillschweigendes Einvernehmen darüber, dass sich so gut wie niemand diese Bedingungen anschaut. Zwei Beispiele: Eine Untersuchung ergab, dass man pro Jahr 76 Arbeitstage damit verbringen würde, solche Bestimmungen zu lesen. Was passiert, wenn man diese Bedingungen nicht liest, ließ sich kürzlich auf einer Konferenz in London beobachten: Dort hatten Nutzer eingewilligt, ihr erstgeborenes Kind für einen kabellosen Internet-Zugang einzutauschen.Die Beispiele zeigen: Geschäftsbedingungen müssen kundenfreundlicher werden.

Samsung bemüht sich um Schadensbegrenzung: In einem Statement auf der Nachrichtenseite The Daily Beast heißt es: "Samsung nimmt die Privatsphäre seiner Nutzer sehr ernst." Die Aufnahmen werden dem Drittanbieter auf verschlüsselte Weise übermittelt, teilt das Unternehmen mit. Doch diese Aussagen sind nicht zufriedenstellend.

Denn wenn Samsung der Schutz seiner Nutzer tatsächlich so wichtig ist wie angegeben, ist mehr Transparenz das Minimum. Dass die Daten verschlüsselt übertragen werden, das erfahren die Nutzer erst jetzt. Welcher Drittanbieter die Sprachdaten verarbeitet und wie dieses Unternehmen zur Privatsphäre seiner Nutzer steht, das bleibt weiterhin unklar.

(mit Material von dpa)

Anm. d. Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels waren noch keine Details über den Umfang der Sprachsteuerung und -übertragung enthalten. Wir haben das entsprechende Statement eines Samsung-Sprechers ergänzt.

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