Süddeutsche Zeitung

Aufklärung im Internet:Diese Menschen lassen die Luft aus Verschwörungstheorien

Chemtrails, "Reichsbürger" und ein Reptilienmensch im Kanzleramt: Irre Theorien verbreiten sich im Netz schnell. Doch die Aufklärung hat unermüdliche Verteidiger.

Von Hannes Vollmuth

Wann ihr Kampf begonnen hat, wissen die Waschkaus selbst nicht genau. War es 2010, als sie herausfanden, dass Angela Merkel von manchen Menschen für ein Reptil gehalten wird? War es, als sie Verschwörungstheorien zu 9/11 auseinandernahmen, und Todesdrohungen bekamen? War es nach ihrem Beitrag über Chemtrails und über Menschen, die glauben, Flugzeuge versprühen Giftwolken über Deutschland, um die Bevölkerung zu ermorden? Irgendwann wussten Alexa und Alexander Waschkau jedenfalls: Der Wahnsinn da draußen ist gigantisch, wir müssen weitermachen.

Wäre dieser Text der Beginn eines B-Movies, würde die Kamera am Anfang im Sturzflug aus dem All auf Hamburg zurasen, auf die Neustadt zoomen, Schnitt, ein Wohnhaus, Schnitt, eine Wohnung mit Eichenparkett, Bücherregalen und offener Küche, eine Kamerafahrt den Flur entlang, hinein in ein dunkles, kleines Zimmer, Nahaufnahme auf Hände, die ein Headset über den Kopf ziehen.

Alexa Waschkau, 41, Ethnologin, rote Haare, schwarzes Kleid, käme ins Bild, sie sitzt auf einem blauen Sofa, dann eine Halbtotale ihres Ehemanns Alexander Waschkau, gestreiftes Hemd und Brille, auch 41 Jahre alt, Psychologe, der jetzt ins Mikrofon sagt: "Hallo und herzlich willkommen bei Hoaxilla, dem skeptische Podcast aus Hamburg." Von hier aus laden sie ihre Beiträge gegen Verschwörungstheorien ins Netz. Das Ehepaar Waschkau hat den Kampf gegen den Irrsinn aufgenommen.

Nur: Dieser Text ist nicht der Beginn eines B-Movies. Es ist Deutschland im Jahr 2016. Aus dem Netz, aus Facebook spült es Verschwörungstheorien in die Mitte der Bevölkerung. Früher waren Verschwörungstheoretiker isoliert, heute sind sie online und vernetzt. Auch deshalb wirken viele Internet-Diskussionen wie ein Säurebad. Jeder Fakt, den man hineingibt, löst sich auf.

Vier Menschen, die sich gegen Verschwörungstheorien wehren, hat die SZ in den letzten Wochen besucht. Sie sind Vertreter einer kleinen, aber wichtigen Gruppe, die das Internet nicht den Konspirologen überlassen will.

Jeder zweite Amerikaner glaubt an eine Verschwörungstheorie

Mit Sebastian Bartoschek, einem der führenden Verschwörungstheorien-Experten, ist die SZ nach Österreich gereist. In Augsburg hat sie Bernd Harder getroffen, einen Vertreter der Skeptiker-Bewegung, die seit fast 30 Jahren gegen Verschwörungstheorien kämpft. Und in Hamburg besuchte die SZ das Ehepaar Waschkau, die mit ihrem Podcast versuchen, den Irrsinn etwas entgegenzusetzen.

In den USA behaupten manche Menschen, der Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School in Newton 2012 habe nie stattgefunden, sei inszeniert gewesen. 2014 untersuchten zwei amerikanische Politikwissenschaftler die Zustimmung der Amerikaner zu Verschwörungstheorien: Jeder zweite glaubt an eine, manche an mehrere. In Deutschland wurde in diesem Herbst ist ein Polizist von einem Anhänger einer "Reichsbürger"-Verschwörungstheorie erschossen, deren Anhänger die Bundesrepublik nicht anerkennen.

Die Frage ist: Kann man gegen Verschwörungstheorien kämpfen? Wird die Wahrheit dabei weiter zerrieben, oder kommt sie irgendwann zurück?

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