Aufholjagd von Nokia:Farbe gegen die Krise

Nokia präsentiert auf der Mobile World neue Smartphones

Nokia-Chef Stephen Elop in Barcelona: Neue Modelle um an frühere Erfolge anzuknüpfen

(Foto: AFP)

Noch hinkt der einstige Handy-Weltmarktführer Nokia den Rivalen auf dem Smartphone-Markt weit hinterher. Mit Mobiltelefonen in fünf Farben will das Unternehmen jetzt Terrain zurückgewinnen und vor allem im Zukunftsmarkt China punkten. Dort hat Nokia schon jetzt einen Vorsprung gegenüber Apple.

Von Varinia Bernau, Barcelona

Stephen Elop strahlt. Auf der Bühne in Barcelona versichert er, dass er sich nicht entmutigen lasse, dass er noch immer mit Begeisterung an die Arbeit geht - trotz der Rückschläge, die es in den zwei Jahren gab, die der einstige Microsoft-Manager an der Spitze von Nokia steht. Auf der Welt gibt es 2,7 Milliarden Menschen, die noch kein Handy haben, so rechnet Nokias Chefdesigner Marko Ahtassari vor. Diese Menschen wollen die Finnen für sich gewinnen. Vor allem über den Preis. "Wir müssen sehr schnell für Innovationen sorgen", betont Elop. "Und unsere Technologien dann nach und nach auch in Telefone bringen, die wir zu niedrigen Preisen anbieten." Als er diese neuen Geräte vorstellt, mit denen er Terrain zurückerobern will, recken die Leute ihre Kameras nach oben.

Manche Beobachter bleiben skeptisch. Sie glauben, dass sich Nokia in seiner Vielfalt verzettelt. Apple hat mit seinem iPhone nur die Besserverdiener ins Visier genommen - und die dicken Gewinne eingestrichen. Nokia wollte überall mitmischen - deshalb blieb bei den Finnen mit jedem verkauften Gerät nicht einmal halb so viel hängen wie bei den Kaliforniern. Auch deshalb ist Apple der wertvollste Konzern, während Nokia ums Überleben kämpft.

Das Comeback haben die Finnen noch nicht geschafft. Aber es gibt Anzeichen dafür: Im vergangenen Quartal hat Nokia 255 Millionen Euro Gewinn verbucht, nach sieben verlustreichen Quartalen. Das lag weniger an den Telefonen, die in Tests gelobt werden, aber bei Kunden noch immer als uncool gelten. Knapp 16 Millionen Smartphones haben die Finnen im Weihnachtsgeschäft verkauft. Beim Marktführer Samsung waren es mehr als 60 Millionen.

Strikter Sparkurs macht sich bemerkbar

Dass es Nokia etwas besser geht, ist vor allem das Ergebnis eines strikten Sparkurses unter Elop: 40 000 Arbeitsplätze hat er abgebaut, in Europa die letzte Fabrik geschlossen, Aktionären die Dividende gestrichen und sogar die Firmenzentrale bei Helsinki verkauft. Nokia sucht sein Heil nun abermals bei den billigen Geräten, dies halten manche für riskant. Dass der Konzern früher damit noch ein gutes Geschäft machte, lag an seiner Größe. Nur deshalb konnte er bei Zulieferern so gute Konditionen rausschlagen. Nokia ist längst nicht mehr so groß. Solche Bedenken schiebt Elop beiseite: Im vorigen Quartal habe man 80 Millionen Telefone verkauft. "Damit haben wir durchaus noch die notwendige Größe, um gute Verträge zu machen."

Kurz darauf setzt sich Stefan Pannenbecker auf ein Sofa: Er holt ein gelbes Telefon links aus dem Jackett, ein rotes rechts - und aus der Hosentasche noch ein schwarzes und ein weißes. Der in London lebende Designer hat die neuen Smartphones entworfen. "Es gehört Mut dazu, ein Telefon in fünf Farben auf den Markt zu bringen", sagt er. Das sei eines der menschlichen Prinzipien, den Leuten eine Wahl zu geben, anstatt ihnen etwas vorzusetzen. "Die Welt ist nicht schwarz und weiß", sagt er.

In China ist Nokia weiter als Apple

Was er nicht sagt, aber was dennoch im Raum steht: bei Apple schon. Tatsächlich hielt einer der Apple-Anwälte in dem vor Gericht mit dem Rivalen Samsung ausgetragenen Streit um geklautes Design ein von Pannenbecker mit entworfenes Smartphone der Lumia-Reihe empor. Als Beweis dafür, dass nicht alle Geräte aussehen müssen, wie ein abgekupfertes iPhone. Die Farben, sagt Pannenbecker, seien für Nokia etwas Identitätsstiftendes. "Wenn jemand im Bus ein rotes Smartphone in der Hand hält, wissen alle, dass es ein Lumia ist."

Zur neuen Verbraucherfreundlichkeit gehört bei Nokia auch, dass die Geräte einfach zu bedienen sind. In mehr als 200 Ländern gibt es gutes Kartenmaterial, das sich Nokia schon 2007 mit der Übernahme des Navigationsgeräteherstellers Navteq gesichert hat. Nun wird es um eine App erweitert, die die beste Verbindung mit Bus und Bahn raussucht.

Akkulaufzeit von einem Monat

Ein Bildschirm der Lumia-Geräte lässt sich auch mit Handschuhen oder mit dem Fingernagel bedienen. Auch mit den billigeren Geräten kann man mit ausgestrecktem Arm ein Selbstporträt machen, bei dem man auch wirklich in der Mitte des Bildes erscheint. Eine Stimme gibt dazu Anweisungen wie bei einem Navi: rechts, rechts, rechts, unten - ok. Und der Akku hält fast einen Monat. Als Chefdesigner Ahtassari darauf hinweist, geht ein Raunen geht durch die Halle. Das hätten sie auch gern, all die Gadgetfreaks und Manager, die schon nach einem halben Tag verzweifelt nach einer Steckdose suchen müssen. "Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Leute wieder den Kopf hoch heben. Dass sie wieder die Welt sehen, statt nur auf ihr Telefon zu starren", sagt Pannenbecker.

Die vier Geräte, die Nokia nun vorstellt, kommen erst in China in die Läden. Ein Signal: In China, diesem riesigen Land mit einer immer reicheren Bevölkerung, wird das Geschäft der Zukunft gemacht. In der westlichen Welt hat bereits fast jeder Zweite ein Smartphone, in den Schwellenländern gerade mal jeder Zwanzigste. Schon Ende 2012 konnten die Finnen für ihr neues Spitzenmodell Lumia 920 mit China Mobile den größten Mobilfunkanbieter der Welt für sich gewinnen. Endlich einmal ist Elop weiter als Apple-Chef Tim Cook, der kürzlich in Peking über mögliche Geschäfte mit Politikern und Managern von China Mobile verhandelte. Es könnte der entscheidende Vorsprung sein.

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