Atomlobby-Satire im Netz:"Diese Wolke ist im Nu vom Winde verweht"

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"Es gibt nichts Schlimmeres als Solarenergie. Die Strahlung ist überall!" Eine Gruppe von Atomkraftgegnern will mit einer Twitter-Satire die PR der Atomindustrie entlarven - und handelt sich prompt Ärger ein.

Johannes Kuhn

Seltsame Atomlobby-Botschaften geistern derzeit durch das Netz. "Es ist wie bei der Flugangst: Niemand lobt uns für die MONATE ohne einen EINZIGEN meldepflichtigen Zwischenfall!" lautet eine Botschaft des Twitter-Accounts Atomforum_ev, eine andere: "228.000 evakuiert & nur noch 50 Arbeiter in Fukushima, das sind nur 0,02% Restrisiko!"

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Hitzig ging es bei der Anti-Atomkraft-Demo in München zu: Mehrere tausend Menschen forderten den Ausstieg aus der Atomenergie - und die sofortige Abwahl von Kanzlerin Merkel.

Beate Wild

So viel Zynismus - und kein öffentlicher Aufschrei? Im Gegenteil: Das Atomforum_ev sammelte in den vergangenen Tagen reichlich Follower. Kein Wunder, handelt es sich doch bei dem Konto um einen Satire-Account. Die echte Lobbyvereinigung der deutschen Atomkraftbefürworter twittert unter dem Namen Atomforum - also ohne das ev.

Die anonymen Satiriker zeigen, wie Internet-Satire im sozialen Web funktioniert: Nachrichten wie "Das Risiko für Erdbeben und Tsunamis ist in Deutschland nicht vergleichbar" könnten tatsächlich aus der Tastatur von Atomkraft-Lobbyisten stammen. Sätze wie "Gorleben ist sicher! Das Wellblechdach des Zwischenlagers ist aus purem Metall" hingegen verzerren die Rhetorik der Kernkraft-PR ins Groteske und finden so schnell Aufmerksamkeit.

"Wir sind Dolmetscher für LobbySprech <-> Deutsch und zeigen die zynische & verantwortungslose Haltung der Atomindustrie auf", beschreiben die unbekannten Verantwortlichen in einem Twitter-Interview mit sueddeutsche.de ihre Mission.

Beim Deutschen Atomforum reagierte man am Mittwoch noch wenig amüsiert. Über den Mediendienst Meedia drohte Geschäftsführer Dieter Marx, "ganz klar" gegen den Account vorzugehen. Die anonymen Satiriker konterten zu sueddeutsche.de gelassen: "Zunächst wäre nachzuweisen, dass wir nicht die Meinung des Atomforums wiedergeben", so die lapidare Botschaft.

"Die müssen doch gegen das Moratorium klagen"

Tatsächlich nutzten die Atomkraftgegner bis Mittwochnachmittag noch das offizielle Logo des Deutschen Atomforums - und hätten dafür mit einer Klage wegen Verstoßes gegen das Markenrecht rechnen müssen. Inzwischen haben die Verantwortlichen in Absprache mit ihren Anwälten den Ring des Atomlobby-Logos leicht verändert: In ihm findet sich nun das Warnzeichen für Radioaktivität, zudem ist die Beschreibung des Kontos mit "Satire" gekennzeichnet.

Das stellt offenbar auch das Deutsche Atomforum zufrieden: "Wir haben kein Problem mit Satire", gibt Geschäftsführer Marx im Gespräch mit sueddeutsche.de an, "wir hatten ein Problem damit, dass uns jemand imitiert und man denken könnte, er würde im Namen des Deutschen Atomforums posten." Rechtliche Schritte sind damit vom Tisch.

Da sich die Kontroverse auch über Blogs, Facebook und Twitter verbreitete, tut der Atomlobbyist gut daran, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Bei den Anti-Atom-Satirikern freut man sich derweil über die PR - inzwischen folgen dem Immitatoren-Account mehr Nutzer als dem Original-Atomforum-Konto.

Für die Verantwortlichen hat der satirische Kampf gerade erste begonnen. Sie wollen die Aktion fortsetzen, "bis es das Atomforum nicht mehr gibt". Und ergänzen: "Deren Anwälte haben doch gar keine Zeit gegen uns vorzugehen, die müssen gegen das Moratorium klagen."

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