Argumente gegen Netzneutralität:Fairness gesucht

Deutsche Telekom

Wenn Politiker das Prinzip der Netzneutralität hochhalten, müssen sie auch eine schlüssige Antwort darauf geben, wie die Gemeinschaft den Netzausbau finanzieren soll.

(Foto: dpa)
  • So schön die Idee eines neutralen Netzes auch ist, sie lässt sich nur umsetzen, wenn Politiker, Netz- und Dienstanbieter, sowie Kunden gleichermaßen ihren Beitrag leisten.
  • Seit Jahren steigt die Menge der Daten, die durchs Netz geschleust wird. Wenn Deutschland die Möglichkeiten neuer Technologien nutzen will, muss es das Netz aufrüsten.
  • Die Politik könnte mit strengen Auflagen für eine Arbeitsteilung in der digitalen Ökonomie sorgen - und mit einer strengen Prüfung dafür, dass Investitionen für die Allgemeinheit auch möglich sind.

Kommentar von Varinia Bernau

Natürlich wäre es eine schöne Sache, wenn genug Platz für alle wäre. Aber anders, als sich das so mancher vorstellt, kommt auch das Internet nicht einfach so aus der Buchse in der Wand oder über die Smartphone-Antenne. Bandbreite, also der Platz, auf dem die stetig steigende Datenmenge quer über den Globus von einem Computer zum anderen saust, ist begrenzt. Je größer all diese Datenpakete werden, desto breiter muss auch die Datenautobahn werden. Sonst kommt es zum Stau.

Seit Jahren steigt die Menge der Daten, die durchs Netz geschleust wird. Zum einen weil die Leute nicht mehr nur Webseiten anklicken, sondern auch Filme schauen. Weil sie ihre Fotoalben und Musiksammlungen nicht mehr nur im Regal lagern, sondern in der digitalen Wolke - und in Zukunft vielleicht auch den Arztbesuch im Netz absolvieren. Zum anderen, weil nicht mehr nur Menschen im Internet unterwegs sind. Bauteile in der Fabriken melden per Funk, wo sie gerade sind; Autos dem Versicherer, ob sich der Fahrer ans Tempolimit hält; und Sensoren an der Hauswand, ob man die Heizung hochfahren muss. Wenn Deutschland all die Möglichkeiten neuer Technologien auch in Zukunft nutzen will, wird es das Netz aufrüsten müssen.

Deshalb reicht es nicht, wenn Politiker nur das Prinzip der Netzneutralität hochhalten - ohne eine schlüssige Antwort darauf zu geben, wie die Gemeinschaft den Netzausbau finanzieren soll. Denn so lange es in Deutschland statt einer Datenautobahn nur eine holprige Datenlandstraße gibt, ist niemandem damit geholfen, wenn alle Daten gleich behandelt werden. Denn das heißt: gleich schlecht.

In Deutschland ist der Netzausbau Sache der Netzanbieter

Es gibt Länder, die staatliche Subventionen in den Netzausbau pumpen. Und es gibt Länder, die mit Steuererleichterungen oder Bürokratieabbau anderen diese Investitionen schmackhaft machen. In Deutschland aber hat sich die Politik dazu entschlossen, dass der Netzausbau Sache der Netzanbieter ist. Echte Hilfe bietet sie ihnen dabei bislang nicht. Und so können sich die Unternehmen das Geld für den Netzausbau letztlich nur an zwei Stellen holen: entweder mit immer teureren Tarifen vom Kunden - oder eben mit Gebühren für eine Überholspur im Netz bei den Anbietern von Videoportalen, Telemedizin oder anderen Diensten.

In beiden Gruppen haben sich übrigens ein paar wenige zu Wortführern aufgeschwungen, die hinter schönen Schlagworten wie Gerechtigkeit und Freiheit geschickt verbergen, worum es ihnen eigentlich geht: dass andere die Kosten tragen. Es hat nämlich wenig mit Gerechtigkeit zu tun, wenn eine Mehrheit, die selten im Netz unterwegs ist, dafür zahlen muss, dass eine Minderheit sich dort im 24-Stunden-Takten hochauflösende Filme herunterlädt. Es ist auch nicht gleich die Freiheit des Internets bedroht, wenn nach neuen Wegen gesucht wird, Kosten und Gewinne in der digitalen Ökonomie anders zu verteilen. Vielleicht müssen nicht gleich alle Fernsehanbieter eine Gebühr für den Datentransport abdrücken, sondern nur für die Option, dass die hochaufgelöste Übertragung des Champions-League-Spiels garantiert nicht wackelt? Es gibt nicht nur schwarz und weiß, sondern auch Grautöne.

Es muss einen Konsens über Grenzen hinweg geben

Es ist höchste Zeit für faire Partnerschaften. Das beste Netz ist wertlos, wenn es keine spannenden Dienste gibt, die man darin nutzen könnte. Die coolste App ist sinnlos, wenn sie niemanden erreicht. Diejenigen, die die Netze bauen, brauchen diejenigen, die es mit Leben füllen - und umgekehrt. Dass sich die klammen Netzbetreiber und die strahlenden Internetkonzerne derzeit so unversöhnlich gegenüberstehen, das ist die eigentliche Gefahr für ein gerechtes, ein freies Internet. Denn dort, wo sich zwei nicht einigen können, versucht es eben jeder auf eigene Faust: Und jemand, der über Netz und Dienste verfügt, der hat nicht nur keinerlei Interesse mehr daran, alle Daten gleichberechtigt durchs Netz zu schleusen. Er hat auch die faktische Macht, sich dieser Vorgabe zu entziehen.

An dieser Stelle also könnte die Politik ansetzen: Sie könnte mit strengen Auflagen für eine Arbeitsteilung in der digitalen Ökonomie sorgen - und mit einer ebenso strengen Prüfung auch dafür, dass beide in ihrem Bereich so agieren können, dass Investitionen für die Allgemeinheit auch möglich sind. Einfach wird das nicht. Denn das Geschäft ist ein globales - und es hat sehr unterschiedliche Facetten. Es müssen sich also nicht nur Politiker verschiedener Ressorts einigen, sondern es muss einen Konsens über Grenzen hinweg geben. Und bislang, das zeigt allein das zähe Ringen um einen einheitlichen Datenschutz, ist es den Amerikanern mit ihrer starken Internetindustrie gut gelungen, den zerstrittenen Europäern ihre Spielregeln aufzudrücken.

So schön die Idee eines neutralen Netzes auch ist, sie lässt sich nur dann umsetzen, wenn alle ihren Beitrag dazu leisten: Politiker, die Anbieter der Netze ebenso wie die Anbieter der Dienste - und auch der Kunde.

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