ARD und ZDF im Internet:Auf der Ausbaustrecke

ARD und ZDF wollen im Internet ordentlich mitmischen - der Gebührenzahler soll dafür jedoch nicht zusätzlich zahlen. Aber wer dann?

Claudia Tieschky

Geld spielt immer eine Rolle, aber Ansichten ändern sich. ARD und ZDF sollen nach dem Willen der Politik künftig online vieles machen dürfen mit ihren Mediatheken und Textangeboten.

ARD und ZDF im Internet: Ganze 331,1 Millionen Euro gibt die ARD von 2005 bis 2012 für ihren Online-Auftritt aus. Beim ZDF belaufen sich die Kosten auf 86,1 Millionen.

Ganze 331,1 Millionen Euro gibt die ARD von 2005 bis 2012 für ihren Online-Auftritt aus. Beim ZDF belaufen sich die Kosten auf 86,1 Millionen.

(Foto: Foto: dpa)

Die Öffentlich-Rechtlichen wollen mit dem neuen Rundfunkgesetz möglichst viel Vollmachten erhalten in der digitalen Welt. Wie das finanziert werden soll, ist prinzipiell auch klar: mit Gebührengeld. Doch es gibt auch Bedenken. Als kürzlich der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks über die Online-Zukunft beriet, merkte der Rundfunkratsvorsitzende Bernd Lenze sogar an, nicht alles, was man im Internet könnte, sei auch sinnvoll und überhaupt finanzierbar.

"Kostengrenze ist die Rundfunkgebühr"

Grenze sei stets, so warnte der Geschäftsführer der bayerischen Handwerkskammern, die öffentliche Akzeptanz der Rundfunkgebühr, falls die "durch teures Streaming auf 20 Euro hochgeht".

17,98 Euro kostet die Rundfunkgebühr vom kommenden Jahr an schon, und tatsächlich ist die Frage, wie viel Erfolg sich die öffentlich-rechtlichen Sender für ihre schönen neuen Mediatheken überhaupt leisten können. Ins Kontor schlagen die Kosten, die für den Datentransport zum Kunden an den Provider zu zahlen sind, das sogenannte Streaming.

Die Zahl der Abrufe wird steigen, denn ARD/ZDF bauen ihr Angebot erst auf. Der Gebührenkommission KEF zufolge gaben die Sender für Online-Verbreitungskosten (überwiegend Streaming) in der laufenden Gebührenperiode 2005 bis Ende 2008 45,4 (ARD) beziehungsweise 9,8 (ZDF) Millionen Euro aus. Für 2009 bis 2012 errechnet die unabhängige Gebührenkommission KEF für die ARD schon 81,3 Millionen Euro Online-Verbreitungskosten und für das ZDF 11,6 Millionen.

Zum Zeitpunkt der Bedarfsanmeldung war Senderverantwortlichen das teure Streaming schon aufgefallen. Mit dem Ausbau der Mediatheken von ARD und ZDF steigt nun die Zahl der datenintensiven Videoangebote. Nach dem vorliegenden Arbeitsentwurf zum neuen Rundfunkgesetz sollen die Anstalten außerdem bestimmte Beiträge längerfristig als Video on Demand im Internet anbieten dürfen, und zwar im Rahmen geprüfter Telemedien-Konzepte.

Anzahl der Klicks sagt nichts über Qualität

Beim ZDF will man all die vielen neuen Möglichkeiten trotzdem noch nicht mit unliebsamen Mehrkosten in Verbindung bringen. "Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Quantität des Online-Angebots und den Abrufzahlen", sagt Sendersprecher Alexander Stock. Dass die Zugriffe auf Videoinhalte zunähmen, sei "der Effekt einer sich neu etablierenden Verbreitungsform".

Die größte Attraktivität für Abrufe aus der Mediathek besäßen aktuelle Programme, aber relevante ältere Beiträge sollen dem Publikum eben auch zugänglich bleiben, so Stock. Viktor von Oertzen, Verwaltungsdirektor des in der ARD für Online zuständigen Südwestrundfunks, sieht die Sache so: "Streamingkosten sind grundsätzlich erfolgsabhängig", sagt er. "Wer online erfolgreich ist, muss für die Verbreitung mehr zahlen."

Zum Preis des Erfolgs rechnet die Gebührenkommission KEF in ihrem jüngsten Bericht einiges vor. Die Gebührenhüter prüfen das Finanzgebaren der Anstalten auch auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit; sie kritisieren, dass die Anstalten wegen der Streamingkosten ihre Selbstbindung überzogen hätten.

Die Sender hatten sich bis Ende 2008 dazu verpflichtet, nicht mehr als 0,75 Prozent ihres Etats für Online auszugeben. ARD/ZDF erklären dagegen, die Verbreitungskosten seien nicht Bestandteil der Selbstverpflichtung gewesen.

Auf der Ausbaustrecke

Der Punkt ist heikel: Denn für die Inhalte der Mediatheken - so legitimieren zumindest die Anstalten stets ihre Abruf-Angebote im Internet - habe der Gebührenzahler schon im Rahmen des TV-Programms bezahlt; die Verbreitungskosten sollen offenbar nun aber auch nicht als Teil der Online-Kosten firmieren.

Fehlende Transparenz

Trotzdem wird laut KEF die ARD von 2005 bis 2012 (ohne Verbreitung) 331,1 Millionen Euro für Online ausgeben und das ZDF 86,1 Millionen. Die KEF konstatiert, "dass bei der Zuordnung des Aufwands für die Online-Aktivitäten nach wie vor Abgrenzungsbedarf besteht." Das heißt: Es fehlt Transparenz darüber, wie teuer die Online-Offensive der Öffentlich-Rechtlichen wirklich ist.

Wie folgenschwer das sein kann, erfuhr kürzlich die stets als vorbildlich gepriesene britische BBC, die das Budget für ihre Webseite 2007 um 36 Millionen Pfund oder 48 Prozent überzog, wie Ende Mai bekannt wurde. Das größte Problem waren laut BBC-Trust falsch zugewiesene Kosten.

"Prüfen, ob alles ins Netz muss"

Eine freundliche Prognose für immerhin die Streamingkosten der ZDF-Mediathek hat der Münchner Anbieter TV1.DE, wo die Mainzer derzeit Kunden sind. Geschäftsführer Michael Westphal sieht die Verbreitungskosten pro Zuschauer generell leicht sinken und absolut betrachtet würden die Summen "auch bei steigenden Nutzungszahlen dank neuerer Technologien (. . .) weitgehend gleichbleiben".

Die privaten Rundfunkanbieter indes bezweifeln, dass die Anstalten mit den Online-Kosten realistisch umgehen. Allein die Mediathek-Abrufe der ZDF-Soap Wege zum Glück verursachten Transportkosten von 213 000 Euro pro Jahr, berechnete der Verband Privater Rundfunk und Telemedien VPRT auf Basis der Zugriffe vom Januar 2007.

"Keiner muss Angst haben, dass die Rundfunkgebühr steigt"

Mit dem neuen Telemedienangebot der Öffentlich-Rechtlichen würde, so der VPRT, "die Politik gleichsam die nächste Gebührenerhöhung mitbeschließen". Die Öffentlich-Rechtlichen bestreiten das: "Keiner muss Angst haben, dass wegen der Streamingkosten die Rundfunkgebühr steigt" (ZDF-Sprecher Stock). Und: "Wer sich in den Sendern online expansiv verhält, muss sagen, wo er im Gegenzug sparen will" (SWR-Direktor Oertzen).

Das stimmt bis Ende der nächsten Gebührenperiode 2012: Wie viel Phantasie in den Finanzen steckt, wird sich daran zeigen, wie die Anstalten zulangen wollen, wenn sie ihren Bedarf für die Zeit nach 2012 anmelden. Dabei können sie sich dann wohl auf einen ausdrücklichen Online-Auftrag im Rundfunkgesetz berufen.

Vorläufig dürfen ARD/ZDF zwar nach dem von der Politik erkämpften Wegfall der 0,75-Prozent-Bindung theoretisch so viel Geld für Online ausgeben, wie sie wollen. Sie können aber insgesamt nicht mehr Geld fordern: Im Finanzkonstrukt firmieren Online-Kosten inklusive Verbreitung nach Auskunft der KEF bis 2012 im Etat Programmbestand.

Wenn Online teurer wird, muss in diesem Programmbestand anderswo gespart werden. Der SWR-Stratege Oertzen hält durch dieses "Austauschgebot" auch "Zielkonflikte" in den Sendern für vorstellbar. Möglicherweise führe das "zu der Überprüfung, ob man alles ins Netz stellen muss, was technisch möglich ist", so Oertzen.

Noch aber wird um den neuen Staatsvertrag gerungen, und da wollen ARD/ZDF von der Politik ja weiterhin ganz viel erlaubt bekommen. Was die Ausbaustrecke Online wirklich kostet, könnte danach vielleicht anstaltsintern Thema werden. Als neueste Ansicht jedenfalls brachten die Sender zuletzt bei den Staatsvertrags-Verhandlungen wieder eine Selbstbindung für Online-Kosten ins Spiel.

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