Apps der Kassen:Was Sie über die digitale Krankenakte wissen müssen

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Bei CT-Scans des Gehirns kommen manchmal auch Kontrastmittel zum Einsatz. (Foto: Simon Belcher/imago)

Röntgenbilder, Blutwerte und Medikamentenliste immer dabei: Die digitale Krankenakte hält Einzug auf den Handys. Aber funktioniert das wirklich? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Michaela Schwinn, München

In dieser Woche ging die App Vivy an den Start. Mit ihr können künftig etwa 13,5 Millionen Versicherte verschiedener Krankenkassen per Mobiltelefon oder Tablet auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen. Aber sie ist nicht die einzige digitale Patientenakte auf dem Markt. Die wichtigesten Fragen und Antworten zu dem Thema:

Was ist eine digitale Gesundheitsakte?

Eine elektronische Patientenakte kann man sich als einen digitalen Aktenschrank vorstellen, in dem alles liegt, was mit der eigenen Gesundheit zu tun hat: Befunde, Blutwerte, Medikationsplan, Impfpass und Röntgenaufnahmen.

Wozu ist das gut?

Die meisten Ärzte haben viele dieser Informationen längst digital gespeichert, aber eben nur in ihrem eigenen System. Wenn sie diese mit anderen Praxen oder Kliniken austauschen wollen, dann passiert das noch häufig per Brief oder Fax. Eine elektronische Vernetzung fehlt. Für Patienten bedeutet das, dass sie Befunde von einer Praxis in die nächste tragen müssen. Tun sie das nicht, kann es sein, dass ihnen Blut abgenommen wird, obwohl der letzte Test erst ein paar Tage her ist. Diese Doppeluntersuchungen sollen vermieden werden, zudem soll die Akte mehr Transparenz für Ärzte und Patienten schaffen und alle Daten jederzeit zugänglich machen.

Wie weit ist das Vorhaben?

Wichtig ist, dass es nicht die eine elektronische Gesundheitsakte gibt. Vielmehr sind es verschiedene "digitale Aktenschränke" von unterschiedlichen Anbietern. So wie auch die App Vivy. Sie wurde von einem Start-up entwickelt und steht etwa Versicherten der Allianz, der DAK und anderen Kassen zur Verfügung. Aber solche Angebote sind nicht neu - zuvor hatten schon die Techniker Krankenkasse und die AOK ihre Versionen präsentiert.

Warum gibt es kein einheitliches System?

Die Insellösungen sind auch deshalb entstanden, weil die Regierung es in den vergangenen Jahren nicht geschafft hat, das Projekt Elektronische Gesundheitskarte und damit verbunden die elektronische Patientenakte erfolgreich umzusetzen. Das soll sich nun ändern: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will, dass bis 2021 jeder Versicherte auf seine Gesundheitsdaten zugreifen kann. Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (Gematik) soll dafür einen einheitlichen Standard schaffen: Wo werden die Daten gespeichert? Welche Sicherheitsanforderungen müssen erfüllt sein? Sie selbst wird keine Akte auf den Markt bringen, aber sie kann bestehende Versionen zertifizieren.

Wie wird es also weitergehen?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kassen und privaten Anbieter ihre Versionen an die Anforderungen der Gematik anpassen. Und dass dadurch eine "Basisakte" entsteht mit Befunden, Röntgenbildern und Testergebnissen. Eine solche Akte könnte der Patient auch mitnehmen, wenn er die Kasse wechselt. Zusätzlich könnten die Anbieter noch weitere Akten auf den Markt bringen, die informieren, wenn eine Vorsorgeuntersuchung ansteht oder die mit Fitnesstrackern verbunden werden können. Diese Angebote sollen den Wettbewerb beleben.

Wer hat Zugriff auf die Daten?

Ärzte und Krankenhäuser sollen auf die Gesundheitsinformationen zugreifen können - aber nur, wenn der Patient ausdrücklich zustimmt. Zudem ist es jedem Versicherten selbst überlassen, ob er die Akte nutzt, welche Daten er darauf speichern will und welche er entfernt. Das heißt auch, dass es weiterhin eine Arztakte geben muss, von der Patienten nichts löschen können.

Wie soll die Patientenakte in der Praxis funktionieren?

Bei den bisherigen Versionen wie Vivy oder TK-Safe können Versicherte über eine App auf ihre Daten zugreifen. Dazu müssen sie sich registrieren und ein Passwort angeben. Bei der von der Regierung geplanten Akte sollten Versicherte ursprünglich nur mit Lesegeräten auf die Daten zugreifen können. Inzwischen hat Spahn aber angekündigt, dass es auch mit dem Smartphone oder Tablet funktionieren soll.

Was halten Ärzte von der digitalen Akte?

Manche Ärzte sehen in der Akte eine Entlastung, weil sie nicht mehr alle Dokumente für die Patienten ausdrucken müssen. Auch sehen viele den medizinischen Nutzen. Andere glauben, dass die Akte überschätzt wird. Dass es weiter Doppeluntersuchungen gibt, weil Ärzte nicht auf die Arbeit eines anderen vertrauen oder schlichtweg nicht auf Honorar verzichten wollen. Ein weiteres Problem sei, dass gerade ältere Patienten mit mehreren Krankheiten, die am meisten davon profitieren würden, technisch nicht damit umgehen könnten.

Wie sicher sind die Daten?

Auch wenn sich die Anbieter um hohe Sicherheitsstandards mit Verschlüsselung, Passwörtern oder PIN-Codes bemühen, und die Gematik einheitliche Vorgaben schaffen will, gibt es Bedenken. Der Ärzteverband Marburger Bund warnt vor einer Weitergabe der Daten an Arbeitgeber und Dritte. Auch der Verein Chaos Computer Club äußert Zweifel: "Die Zahl der Angriffe auf Smartphones steigt immer weiter", sagt Sprecher Falk Garbsch. Da Gesundheitsdaten lukrativ seien, könne es sich lohnen, Viren und Trojaner zu entwickeln, um an die Informationen heranzukommen.

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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