Apples Touchscreen-Prinzip macht Schule:Wischen statt klicken

Die intuitive Bedienung von iPhone und Co. beeinflusst mehr und mehr auch PC-Betriebssysteme. Nun zieht auch Microsoft bei der Berührungssteuerung nach.

Helmut Martin-Jung

Es gibt sie noch - Computernutzer, die voller Verachtung darauf herabsehen, was ihnen Betriebssysteme egal welchen Herstellers als Oberfläche bieten. Sie arbeiten lieber mit einem blinkenden Cursor auf schwarzem Hintergrund und kryptischen Befehlen.

Die Mehrheit der Nutzer dagegen steht vor dem nächsten Sprung, denn: Tastatur und Maus verlieren an Bedeutung. Stattdessen setzen sich Formen der Bedienung durch, die versuchen, die Nutzung von Computern wieder mehr dem anzunähern, was dem Menschen liegt: Papier in die Hand nehmen, es zur Seite zu legen, zu stapeln. Mit dem Finger zu malen oder Gesten zu machen.

Diese Aufzählung lässt erahnen, wer hier Pate stand. Es war der Computerkonzern Apple, der sich gegen alle Lehrmeinung traute, ein Telefon zu bauen, das nicht nur keine Tastatur mehr hat, sondern bei dem man sie auch nicht dauernd vermissen würde.

Seit das Prinzip des intuitiven Wischens und Ziehens eingeführt wurde, seit die Handys mit Berührungsbildschirm Knöpfe haben, die man leicht mit dem Finger trifft, strahlt dieses Bedienungskonzept nun aus. Als erstes kamen die Tablets, die man auch als aufgeblasene iPhone-ähnliche Geräte sehen kann. Mit manchen davon kann man sogar tatsächlich mobil telefonieren - auch wenn man sie sich wohl nicht ans Ohr hält, sondern Ohrhörer und Mikrofon benutzt.

Nun aber ziehen immer mehr Elemente aus den Oberflächen, die eigentlich für Mobilgeräte erdacht wurden, auch in traditionelle Personalcomputer ein - in Laptops wie stationäre Geräte.

Die Zukunft der Steuerung

Apple etwa, bei dem 73 Prozent aller verkauften Computer Laptops sind, wird mit dem neuen Betriebssystem Lion den jetzt bereits großen und mit vielen Funktionen versehenen Touchpads weitere Fähigkeiten verleihen.

Die berührungsempfindliche, rechteckige Fläche vor der Tastatur wird also nicht mehr bloß dazu dienen, den Pfeil auf dem Bildschirm herumzuschieben, sondern auch eine ganze Reihe von Gesten unterstützen.

Lion wird es den Entwicklern von Programmen leichter als bisher machen, ihre Anwendungen aufs Vollformat zu bringen. Der Nutzer sieht dann nur noch das eine, eben gestartete Programm, keine weiteren Leisten und anderes. Mit einem Wischer, für den man drei Finger benutzt, kommt man jedoch sehr leicht zurück zum Startbildschirm.

Ähnlich einfach schaltet man um in eine Sicht aus der Vogelperspektive, die Apple Mission Control nennt. Alle Programme und Dokumente, die gerade geöffnet sind, werden verkleinert und gleichzeitig dargestellt - das erspart das lange Durchschalten von Programmen - und sei es noch so schön animiert wie bei Windows seit der Programmversion Vista.

Microsofts Touchscreen-Pläne für Windows

Auch dass Lion es erlauben wird, Dateien über drahtlose Netzwerke von einem auf einen anderen Apple-Rechner zu übertragen, ist von Mobilgeräten inspiriert. Beim iPhone wird Apple übrigens mit der Betriebssystemversion 5 auch die Pflicht abschaffen, das Telefon zur Einrichtung mit einem Computer zu koppeln.

Das machen andere Hersteller schon länger; Telefone mit dem Google-System sind, Anmeldung vorausgesetzt, in wenigen Minuten startklar. Das kommende Betriebssystem für Laptops von Google, Chrome OS, setzt ebenfalls auf Mobilität - gespeichert wird alles in Rechenzentren, der sogenannten Cloud.

Diesem Thema kann sich auch der Softwarekonzern Microsoft nicht entziehen. Weil die Redmonder auf den Siegeszug der Smartphones mit Berührungsbildschirm und auf Tablet-Computer nicht gut vorbereitet waren, scheinen sie nun um so mehr aufs Tempo zu drücken.

Die Nutzeroberfläche, die der Konzern vor kurzem vorgestellt hat, wäre, wenn sie wirklich so kommt, die radikalste Änderung seit der Einführung von Icons - den kleinen Programmsymbolen, auf die man zum Start doppelt klickt. Die neue Oberfläche kommt, wie auf den ersten Blick erkennbar ist, auch aus dem Handysektor. Im Herbst vergangenen Jahres hat Microsoft Windows Phone7 auf den Markt gebracht.

Hervorstechendstes Merkmal des Systems sind die Kacheln, die die Icons ersetzen sollen. Sie sind keine statischen Symbole, sondern können Informationen anzeigen - zum Beispiel den jüngsten Eintrag von Facebook-Freunden, neue Tweets oder E-Mails.

Eine ganz ähnliche Oberfläche will Microsoft nun seinem PC-Betriebssystem Windows8 verleihen, das auch auf Tablet-PCs laufen wird. Ganz ausgemacht scheint es noch nicht zu sein, wie die neue mit der alten Oberfläche zusammenspielt. Es soll wohl auch der herkömmliche Startbildschirm zu erreichen sein.

Nur noch zum Herunterladen

Dabei müsste Microsoft noch einiges an den Bedienelementen ändern. Das aktuelle Windows7 beherrscht zwar Berührungskommandos, ist aber auf Steuerung durch Tastatur und Maus ausgelegt.

Die neuen Geräte, Touch-Handys und Tablet-Computer, haben noch eine Änderung mit sich gebracht. Um sie zu erweitern, stehen Hunderttausende Apps bereit, die meisten davon für einige Euro oder sogar noch weniger zu haben. Auch das greift Apple auf. Lion wird es nur noch zum Herunterladen über den hauseigenen Internetladen für rund 30 Euro geben.

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