Apples iPad:Überlege nicht!

Zwischen Designobjekt und Gebrauchsgegenstand: Das Erfolgsgeheimnis der Apple-Produkte liegt in einer Philosophie der Einfachheit. Das hat nicht nur Vorteile.

Helmut Martin-Jung

Die Firma Apple hat es ein weiteres Mal in unübertroffener Manier verstanden, die Erwartungen vor der Bekanntgabe eines neuen Produkts mit dem Apfel-Logo in fast religiöse Dimensionen zu steigern. So war das nun auch bei der am Mittwoch in Kalifornien präsentierten digitalen Schiefertafel namens "iPad". Eigentlich ist auch der iPad nur ein elektronisches Gerät mit Bildschirm und Mikrochips drin.

Apples iPad: Apples-iPad: Eine Frage des Designs

Apples-iPad: Eine Frage des Designs

(Foto: Foto: AP)

Doch dem kalifornischen Konzern gelingt es wieder und wieder, seinen Kultstatus noch weiter nach oben zu schrauben, was nicht nur an den Produkten an sich liegen kann, die andere Hersteller ganz ähnlich im Programm führen. Warum also so viel Aufhebens um den iPad und nicht um die Tablet PCs anderer Hersteller.

Die Frage lässt sich leichter beantworten, wenn man zunächst ausschließt, was nicht der Grund für die weltweite Apple-Faszination sein kann. So sind es gewiss nicht technische Rekorde, schließlich interessiert sich kaum ein Nutzer für die Taktfrequenz des iPads.

Aber es interessiert sehr wohl, ob man auf der wie immer gut aussehenden Flunder aus Glas und Aluminium einen Kinofilm in hoher Auflösung ansehen kann, ohne dass die Bilder ruckeln. Es wird die künftigen Nutzer auch nur am Rande stören, dass das Betriebssystem eine Variante dessen ist, was in Apples iPhone steckt - und das deshalb immer nur eines der mittlerweile 140.000 verfügbaren Miniprogramme (Apps) laufen kann.

Problem Akkuwechsel

Diese Nachteile zeigen sich auch bei vielen weiteren technischen Details. Zum Akkuwechsel muss man das Gerät wie die Musikspieler iPod und die iPhones einschicken. Die beliebten Videos im Flash-Format, die auf vielen Internetseiten angeboten werden, kann die Software des iPad nicht abspielen. All das ist auch beim iPhone so, hat aber dessen Käufer nicht davon abgehalten, vor den Apple-Läden Schlange zu stehen.

Der Erfolg des iPhones reicht aber weit über den millionenfachen Verkauf des Geräts an sich hinaus. Man findet heute kaum einen Designer, der nicht anerkennt oder gar ehrfürchtig betont, wie gut Apple seinen Job gemacht hat oder - das Wortspiel enthält viel Wahrheit - Steve Jobs sein Apple.

"Wo soll ich jetzt klicken?" - Eine schlechte Frage

Nur wer seinen Ingenieure und Designern so besessen und nachdrücklich wie Apple-Chef Jobs die Frage stellt, wie normale Menschen das, was Technik zu leisten vermag, einfach tun können, ohne groß nachzudenken, nur der wird am Ende ein Produkt haben, das für sich selbst wirbt. "Don't make me think", heißt ein überaus lehrreiches Buch von Steve Krug, bei dem es eigentlich um das Design von Webseiten geht.

Doch der Ansatz lässt sich auch auf viele andere Bereich übertragen, die mit Benutzeroberflächen zu tun haben. Gemeint ist dabei immer: Wenn du überlegen musst "und wo soll ich jetzt klicken?", ist das Spiel schon verloren. Dies so weit wie nur möglich zu vermeiden, das ist Apple bisher am besten gelungen. Neben ausgezeichnetem Marketing ist das der Kern von Apples Erfolg. Schon deshalb muss man ein Gerät sehr ernst nehmen, das mit dieser Philosophie antritt, um eine neue Kategorie der Computerei zu erobern.

Schon länger ist es üblich, beispielsweise beim Fernsehen einen Laptop-Computer auf dem Schoß zu haben, etwa um gleichzeitig das soziale Netzwerk zu pflegen oder im Internet nachzusehen, was eben im TV erwähnt wurde. Das erklärt nicht zuletzt den Erfolg der sogenannten Netbooks, mit denen erstmals ein drastischer Rückschritt der technischen Leistungsfähigkeit mit gigantischen Verkaufszahlen einherging.

Ein Gerät nun, das die im Alltag gefragtesten Aufgaben mit der Leichtigkeit des iPhones tut, aber mit dem 25 Zentimeter großen und brillanten Bildschirm eines Mini-Laptops, ein Gerät zumal, das um die zehn Stunden ohne Steckdose auskommt, könnte schaffen, was der Konkurrenz versagt blieb.

Weil das iPad ebenso wie die iPods mindestens ebenso sehr ein Designobjekt wie ein Gebrauchsgegenstand sein wird, werden Drittanbieter außerdem schon sehr bald Zusatzgeräte offerieren, die den Gebrauchs- (und Vorzeige-)wert des Gerätes steigern.

Flotter Bewegungsprozessor

Mit dem eingebauten Bewegungssensor und dem vergleichsweise flotten Prozessor kann man auch Spiele spielen und so Geräte wie etwa Sonys "Playstation portable" überflüssig machen. Das nur 680 Gramm schwere und 1,3 Zentimeter flache iPad eignet sich aber auch wunderbar, um Texte zu lesen.

Für die Augen mag auf Dauer die sogenannte elektronische Tinte reiner Lesegeräte wie dem "Kindle" von Amazon angenehmer sein. Auch saugen letztere den Akku bei weitem nicht so schnell leer, sondern halten Tage durch. Doch cool sind die E-Reader nicht, auch wenn etwa der "Kindle DX" mit seinem ebenfalls 25 Zentimeter großen, aber träge reagierenden Schwarzweiß-Bildschirm wie eine Vorwegnahme des iPad aussieht. Dafür kann das Gerät doch zu wenig.

Der Internethändler, der eine ganze Infrastruktur rund um seine Reader aufgebaut hat, muss sich deshalb am meisten vor dem iPad fürchten. Zumal da dieser auf das offene eBook-Format Epub setzt. Ob es auch Verlage von der bisher gängigen undankbaren Praxis erlösen wird, Inhalte im Internet zu verschenken, muss sich noch zeigen.

Der iPad soll bereits im März zu haben sein, zunächst nur in der Version mit Wlan, aber ohne dem Mobilfunkzugang UMTS. Überraschend ist dabei auch der Preis: 499 Dollar sind für die Einstiegsversion mit 16 Gigabyte Speicherplatz nicht viel, dafür soll die Luxus-Variante mit 64 GB und UMTS satte 829 Dollar kosten.

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