Apple Watch:Das nächste kleine Ding

Apple Watch is shown on screen during an Apple event at the Flint Center in Cupertin

Apples Computer-Uhr ist mindestens ebenso sehr ein Design-Objekt wie ein technisches. Die Funktionen lassen sich komfortabel steuern.

(Foto: Stephen Lam/Reuters)

Die Apple Watch ist nicht die erste schlaue Computer-Uhr. Aber die erste, deren Bedienung wirklich einfach funktioniert. Die Frage, ob man so ein Gerät wirklich braucht, gerät angesichts des Wirbels darum ins Abseits.

Von Helmut Martin-Jung

Was haben die ersten, die sie ergatterten, nicht alles angestellt damit: Haben ihre sündteure Apple Watch ins Spülbecken geworfen, in Töpfe mit kochend heißem Wasser. Haben sie auf einen Betonboden fallen lassen, mit Sandpapier zerkratzt. Das Netz ist voll von diesen Videos und den Menschen, die sie gedreht und ihre 15 Minuten Berühmtheit erlangt haben. Das meiste davon hat Apples jüngstes Spielzeug erstaunlicherweise ohne Schaden überstanden. Die eigentliche Frage aber ist: Wofür braucht man eine computerisierte Uhr wirklich?

Die Frage stellt sich, weil Apple - wieder einmal - nicht der erste ist, der mit einem Produkt auf den Markt kommt. Schon länger gibt es sogenannte Smart Watches, vor allem solche mit Googles Betriebssystem Android Wear wie zum Beispiel Motorolas Moto G oder die G Watch R von LG, aber auch welche mit einem eigenen System wie die Pebble. Diese Geräte haben einiges Aufsehen erregt. Man kann mit manchen von ihnen telefonieren, Fotos aufnehmen, Körperdaten erfassen und einiges mehr. Gekauft aber haben sie nur wenige. Für die Apple Watch hingegen wurden am ersten Tag so viele Bestellungen abgegeben, wie Android-Uhren davor in einem ganzen Jahr gekauft wurden.

Ohne ein iPhone geht nicht viel bei der Apple Watch

Was also kann die Apple Watch, was macht sie anders als andere Computer-Uhren? Probiert man Apples erstes neues Gerät nach dem iPad aus, wird schnell klar: Ohne Telefon kann man damit nicht viel anfangen. Denn die meisten Inhalte bezieht die Uhr mit ihrem hübschen und hell leuchtenden Bildschirm aus organischen Leuchtdioden (Oled) aus dem Internet. Die dazu nötige Verbindung wird über das Handy hergestellt. Wobei Handy bei Apple natürlich iPhone heißt. Mit Geräten anderer Hersteller arbeitet die Uhr nicht zusammen.

Das Gerät in Betrieb zu nehmen, ist schnell erledigt. Man startet die Watch-App, die in Apples Betriebssystem iOS bereits vorinstalliert ist. In diesem Begleitprogramm wird ein kleines Fenster angezeigt, auf der Uhr erscheint parallel ein maschinenlesbarer Code. Darauf richtet man das Handy aus - damit ist das Gerät schon gekoppelt. Es folgen einige Abfragen, darunter ist auch die Option, einen vierstelligen Sicherheitscode anzulegen. Legt man die Uhr ab, muss man den Code eingeben, sobald man sie wieder in Betrieb nehmen will - das ist keine schlechte Idee, wenn man in Zukunft mit seiner Uhr auch wird zahlen können.

Apples Uhr kommt mit einer Reihe vorinstallierter Programme, beispielsweise für Kartendienste, Mail, Kalender oder Musik. Da Apple schon lange vor dem Verkaufsstart auch einen Baukasten für Software-Entwickler bereitgestellt hat, sind bereits jetzt Tausende Programme für die Uhr auf dem Markt. Die meisten, darunter auch die App der Süddeutschen Zeitung, verstehen sich als Begleit-App zu den korrespondierenden Programmen auf dem iPhone. In der SZ-App etwa kann man Artikel, die einen interessieren, markieren und anschließend auf dem iPhone lesen, ohne auf dem Handy noch einmal danach suchen zu müssen.

Fünf Sekunden oder weniger

Apple Watch: Schnappschüsse vom Bildschirm: Der Start-Bildschirm (o. re.), die SZ-App (u. re.), die Karten-App (o. li.) und eines von verschiedenen Uhren-Designs.

Schnappschüsse vom Bildschirm: Der Start-Bildschirm (o. re.), die SZ-App (u. re.), die Karten-App (o. li.) und eines von verschiedenen Uhren-Designs.

(Foto: SZ)

Dass Dinge, die man bisher auf seinem Handy erledigt hat, mit der schlauen Uhr noch schneller gehen können, das sieht Phil Libin, Chef des App-Herstellers Evernote, als wichtigsten Vorteil: "Die Uhr ist jetzt das erste Gerät", sagt er. "Alles, was man in fünf Sekunden oder weniger erledigen kann, ist gut für die Uhr. Aber was man besser auf dem Handy macht, das soll man auch dort machen." Um den Erfolg der Apple Watch fürchtet er nicht: "Die wird die Schätzungen weit übertreffen", sagt er vorher. In dem Multi-Notiz-Programm Evernote, meist unter den zehn wichtigsten Apps für Smartphones genannt, werden durchaus sensible Daten erfasst, doch Libin verspricht: "Wir beuten diese Daten nicht aus."

Als besonders heikel dürften die Daten gelten, die die Apple Watch mit ihren Sensoren erfasst: Bewegungsdaten, die Herzfrequenz. Wer will, lässt sich von der Uhr mit einem Pochen daran erinnern, dass er zwischendrin mal aufstehen sollte und eigentlich etwas mehr Sport treiben wollte. Für viele ein wichtiger Grund, sich eine Smart Watch zuzulegen. Drittanbietern erlaubt es Apple aus Sicherheitsgründen bisher nicht, auf diese Daten zuzugreifen, deren Apps laufen daher nur eingeschränkt.

Während man mit Smart Watches anderer Hersteller auch ohne Handy telefonieren kann und der Akku länger hält, braucht die Apple Watch ein Handy, das per Bluetooth verbunden ist, der Akku hält nur einen Tag durch. Die Uhr lässt sich nutzen wie ein Mikrofon, das Handy darf in der Tasche bleiben. Die Uhr hat auch einen kleinen Lautsprecher zum Freisprechen, der allerdings - was Wunder - blechern klingt. Eine Kopfhörerbuchse gibt es nicht.

Mit der digitalen Assistentin Siri lassen sich Nachrichten in die Uhr diktieren

Neben ihrer Funktion als Aktivitäts-Erfasser, werden die meisten ihre Computer-Uhr wohl dazu nutzen, Benachrichtigungen zu erhalten und - falls sinnvoll - zu bearbeiten. Etwa, um eine SMS zu beantworten. Dafür gibt es vorgefertigte Antworten, außerdem lassen sie sich auch mit Hilfe der digitalen Assistentin Siri per Spracheingabe aufzeichnen. Das funktioniert zumindest in halbwegs ruhiger Umgebung sehr zuverlässig.

Der Unterschied zu anderen Smart Watches liegt vor allem darin, dass Apple sehr viel Energie darauf verwendet hat, die Nutzung der Uhr so intuitiv, einfach und praktikabel zu machen wie nur möglich. Gemessen daran, wie klein der Bildschirm ist, erlaubt die Uhr eine ganze Menge, sogar der Kartendienst lässt sich dank der als Zoomrad eingesetzten Krone sinnvoll nutzen.

Rational gesehen, dürfte es die Kombination aus Nachrichtenzentrale und Aktivitäten-Erfassung sein, die die Kunden anzieht. Sieht man aber auf den Preis (ab 400 Euro), auf die Werbekampagne und den Gag mit der superteuren Gold-Version, wird schnell klar: Hier geht es zwar um ein technisches Gerät. Doch eigentlich will es gar kein solches sein, sondern ein Zwischending aus Schmuck und Mode. So wird aus schnöder Elektronik ein Hype. Und die Frage, ob man eine solche Uhr wirklich braucht, zur Nebensache.

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