Süddeutsche Zeitung

Apple verlässt Öko-Programm:Design schlägt Umweltschutz

Apple zieht sich aus einem wichtigen US-Umweltprogramm zurück. Der Computerkonzern kehrt damit vom grünen Kurs seines Gründers Steve Jobs ab und riskiert, Großaufträge von amerikanischen Behörden und Universitäten zu verlieren.

Moritz Koch

Apple-Gründervater Steve Jobs hat nicht nur einen der finanzstärksten Konzerne der Welt hinterlassen, sondern auch einen reichen Fundus an Zitaten. Zum Beispiel dieses Bekenntnis: "Ich bin genauso stolz auf das, was wir nicht tun, wie auf das, was wir tun."

Ob den im vergangenen Jahr verstorbenen Jobs auch die jüngste Unterlassung seines Unternehmens mit Stolz erfüllt hätte, ist jedoch ziemlich fragwürdig: Apple strebt für seine Produkte nicht länger eine Zertifizierung mit dem amerikanischen Ökosiegel EPEAT an. Umweltorganisationen stößt der Konzern damit vor den Kopf. Und viele Kunden auch.

Der Begriff EPEAT steht für "Electronic Product Environmental Assessment Tool" und wurde von der US-Umweltbehörde EPA gemeinsam mit Computerherstellern entwickelt. Das Siegel bewertet, wie gut sich Elektronik-Produkte recyceln lassen, wie langlebig und energiesparsam sie sind und ob umweltschädliche Stoffe verarbeitet werden.

Umweltverbände lobten Apple einst

Die Auszeichnungen werden in Bronze, Silber und Gold verliehen und werden von vielen Konzernen wie eine Ehrenmedaille behandelt. Auch Apple hat lange damit geworben, dass seine iMac-Computer das Gold-Siegel tragen.

Ohnehin hatte der kalifornische High-Tech-Konzern, in dessen Verwaltungsrat der Klima- Vorkämpfer und Nobelpreisträger Al Gore sitzt, zuletzt mit großem Aufwand an seinem Image als verantwortungsbewusstes Unternehmen gefeilt. Viele Umweltorganisationen begannen, in Apple einen Verbündeten zu sehen. Selbst Greenpeace fand lobende Worte. So stieß Steve Jobs' Entscheidung, die amerikanische Handelskammer wegen ihrer Fundamentalopposition gegen ein Klimaschutzgesetz zu verlassen, in der Ökogemeinde auf ungeteilte Freude.

Nachhaltigkeit schien auch für den neuen Apple-Chef Tim Cook ein besonderes Anliegen zu sein. Kaum im Amt, machte er sich persönlich ein Bild von den Arbeitsbedingungen bei dem berüchtigten Zulieferer Foxconn und verfügte, das Unternehmen von unabhängigen Inspekteuren überprüfen zu lassen. Die Missstände, die die Inspektionen zu Tage förderten, gelobte Apple zu beheben. All das macht den Abschied aus dem Umweltprogramm so überraschend.

Auch EPEAT-Chef Robert Frisbee zeigte sich verblüfft. "Sie haben uns mitgeteilt, dass ihre Design-Entscheidungen nicht länger zu den EPEAT-Kriterien passen", sagte er dem Wall Street Journal. Genauere Informationen aus der Konzern-Zentrale in Cupertino gab es für Frisbee nicht. Allerdings liefern neue Rechner aus dem Hause Apple Hinweise auf die Beweggründe des Konzerns.

Design verhindert Recycling

Der überarbeitete Profi-Laptop Macbook Pro und das leichte Macbook Air sind so gebaut, dass es praktisch unmöglich ist, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen. So sind die Batterien mit dem Gehäuse verklebt. Auch das Glas, das den Bildschirm schützt, lässt sich kaum lösen. Beides soll dazu beitragen, dass die Computer besonders chic und schlank aussehen, behauptet Apple. Gleichzeitig jedoch erschwert die Bauweise die Reparatur in der Heimwerkstatt, was den gut besuchten Apple-Läden noch mehr Aufträge verspricht. Und vor allem steht sie bewährten Recycling-Methoden im Weg.

Der Apple-Konzern weist darauf hin, dass es ein eigenes Programm zur Wiederverwertung anbietet. Kunden könnten ihre alten Computer einfach bei Apple abgeben. Dennoch riskiert der Konzern mit der EPEAT-Abkehr nicht nur umweltbewusste Privatkunden zu verlieren, sondern auch Großaufträge. Viele Unternehmen, Behörden und Universitäten achten beim Kauf neuer Computer auf das Öko-Siegel.

Die US-Regierung verlangt beispielsweise, dass 95 Prozent aller zu beschaffenden Elektronik-Produkte die EPEAT-Auszeichnung aufweisen müssen. Ähnlich verfahren der Autohersteller Ford und die Großbank HSBC. Offenbar spekuliert der Konzern darauf, dass die prinzipientreuen Kunden eine Ausnahme machen, um weiter in den Genuss eines Apple-Produkts kommen zu können. Das mag man mutig finden - oder aber auch arrogant.

Der Konzern, der sich so gern grün gibt, hat offenbar eine Grundsatzentscheidung getroffen: Design geht vor, immer und überall. Auch dafür gibt es ein passendes Jobs-Zitat: "Design bedeutet nicht nur, wie etwas aussieht oder wie es sich anfühlt. Design ist, wie etwas funktioniert."

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SZ vom 10.07.2012/joku
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