Apple stellt iPad vor:Das unperfekte Perfektionsgerät

Apples iPad lässt E-Book-Reader alt aussehen und bringt Konsolenhersteller ins Schwitzen. Doch ob es ein Produkt für die breite Masse wird, ist nicht sicher.

J. Kuhn

Wie immer kam Apple-Chef Steve Jobs in Rollkragenpullover, Jeans und Turnschuhen auf die Bühne. Und wie immer stand das Understatement im Auftritt im krassen Gegensatz zu der Botschaft, die der 54-Jährige verkündete. "Wir wollen ein magisches und revolutionäres Produkt vorstellen", versprach Jobs - und wenn ein Perfektionist wie er das sagt, horchen Branche und Konsumenten gleichermaßen auf.

Apple stellt iPad vor: Steve Jobs mit dem iPad: "Jahrelang Gedanken gemacht"

Steve Jobs mit dem iPad: "Jahrelang Gedanken gemacht"

(Foto: Foto: Reuters)

"Wir nennen ihn iPad", verkündete der IT-Guru und hielt ein Gerät in die Höhe, das von außen wie eine Giga-Version des iPod touch aussieht. Mit 25 Zentimeter Bildschirmdiagonale und einem Touch-Screen soll das iPad in der Mitte zwischen Smartphone und Laptop stehen. Darüber, so Jobs, habe er sich "jahrelang Gedanken" gemacht.

Im Video: Apple will mit einem Tablet-Computer erneut den Markt für Verbraucherelektronik aufmischen.

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Im Vorfeld war viel spekuliert worden über das "Apple-Tablet". Jetzt, wo Jobs es vorführt, ist klar: Das iPad ist zwar klein und flach, doch Apple will es jenseits aller Gattungen positionieren. Es soll das Internet unterwegs, aber auch im Wohnzimmersessel buchstäblich "greifbar" machen.

Die technischen Funktionen, die Jobs mit einigen Gästen in den 80 Minuten präsentiert, sind keine Neuheiten, die ein Erdbeben in der IT-Welt auslösen dürften: die Nutzerführung ähnelt der des iPhones bis aufs Haar, die Bedienung wirkt intuitiv und reibungslos. Die Tastatur, die sich in den Bildschirm einblenden lässt, gleicht in Größe und Anmutung wiederum der eines Macbooks. Es sind jedoch die Teile des Ganzen, die einige Konkurrenten ins Schwitzen bringen dürften.

Konsole, E-Book-Reader, Videoplayer

So ist das iPad die moderne Reinkarnation der Handheld-Konsole - nur, dass dieses Mal die Spiele mit der Grafik einer regulären HD-fähigen Konsole daher kommen und über die Multitouch-Oberfläche steuerbar sind. Partner wie der Softwareriese Electronic Arts sollen das Gerät zur Hauptplattform für mobile Spiele machen. Sämtliche Spiele laufen wie alle Apps, die für das iPhone entwickelt wurden, auch auf dem iPad. Damit tritt Apple in Konkurrenz zu Konsolenherstellern wie Nintendo, Sony oder Microsoft.

Mit iBooks stellte Jobs eine neue Verkaufsplattform für digitale Bücher vor - ein unverhohlener Angriff auf Amazon. Jobs lobt den Konkurrenten für die Pionierarbeit, kündigt aber an, sich "auf die Schultern" des Online-Händlers zu stellen. Das iPad kann all das, was ein herkömmlicher E-Reader auch kann, doch es ist optisch ausgereifter als der Kindle, nicht nur wegen kleiner Feinheiten wie einem digitalen Bücherregal in Holzfarben.

Dass die Funktionen des iPad genau auf die Apple-Verkaufsplattform iTunes zugeschnitten sind, lässt sich auch beim Thema Video erahnen: Diese werden auf dem Vollbildschirm angezeigt und nutzen damit den Größenunterschied zu Smartphones aus. iTunes dürfte damit als mobile Videoplattform Konkurrenten wie dem Online-Videoverleih Netflix Marktanteile abnehmen.

Die Schwächen des iPads

Doch das iPad hat auch Schwächen: Es spielt, wie das iPhone, keine Flash-Anwendungen ab. Das Animationsformat wird noch von vielen Internetseiten verwendet. Es ist nicht multitaskingfähig, weshalb sich nicht mehr als eine Anwendung gleichzeitig ausführen lässt. Es hat keine Kamera - so wird die Foto- und Videofunktion auf den passiven Konsum beschränkt.

Das iPad hat auch keine Telefonfunktion, wahrscheinlich, weil Apple sich damit nicht ins eigene Fleisch schneiden und einen iPhone-Konkurrenten produzieren wollte. Doch damit stellt sich auch die Frage, wie groß die Zielgruppe der Apple-Neuheit ist: Gibt es in Zeiten, in denen potentielle Apple-Kunden oft sowohl ein Smartphone als auch einen Laptop besitzen noch einen Raum für das iPad?

Die Schwierigkeiten dürften auch Apple bewusst sein: Der US-Preis für die billigste Variante, die WiFi, 16 Gigabyte Speicher, aber keine Mobilfunkverbindung besitzt, liegt bei 499 Dollar. Das ist die Hälft von dem, was zuvor über Gerüchte kolportiert worden war.

Preis niedriger als erwartet

Die Fähigkeit, über das 3-G-Mobilfunknetz online zu gehen, kostet nochmals 130 Dollar extra. Eine Datenflatrate wird in den USA für stattliche 29,90 Dollar angeboten, ist aber monatlich kündbar. Ende März sollen die Modelle ohne Mobilfunk weltweit erhältlich sein, wann die mobiltauglichen iPads nach Deutschland kommen, ist unbekannt.

Ob das iPad wie erhofft die Medienbranche retten kann, bleibt ebenso ungewiss: Zwar zeigt ein Vertreter der New York Times eine App seiner Zeitung, bei der beispielsweise integrierte Videos auf Fingerdruck abgerufen werden können. Doch im großen und ganzen ähnelt die Anwendung dem "Times Reader"-Lesegerät für den Computer-Desktop - der Mehrwert gegenüber einem Besuch auf der regulären Nachrichtenwebseite ist bislang zu gering.

Auch stellt sich die Frage, wie viele Endkonsumenten sich das Gerät überhaupt zulegen werden und ob die App-Erlöse ausreichen, um zu einem Finanzierungsstandbein für große Verlage zu werden.

Zumindest der Apple-Chef hält seine Kreation für alles andere als ein Nischenprodukt: "Es fühlt sich gut an, das Internet in deiner Hand zu halten", schwärmt Jobs am Ende seiner Präsentation, "wenn du etwas siehst, greifst du einfach danach und berührst es. Du denkst nicht nach, du tust es einfach." In 60 Tagen wird sich zeigen, ob die Kunden der Vision des IT-Gurus folgen und in den Apple Stores zugreifen werden - dann kommt das iPad in die Geschäfte.

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