Apple: Neues Betriebssystem OS X Lion:Löwe zum Kampfpreis

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Für Juli hatte Apple sein neues Betriebssystem OS X Lion angekündigt und damit in den letzten Tagen die Gerüchteküche angeheizt. Jetzt ist es auf dem Markt und zeigt deutlich die Verwandtschaft zu iPhone und iPad.

Helmut Martin-Jung

Warum sollte man sich überhaupt mit Betriebssystemen befassen? Schließlich sind sie nichts anderes als die Unterlage, auf der es sich die wirklichen Programme bequem machen können: Auf Facebook gehen, einen Film schneiden, Musik produzieren, eine Mail schreiben.

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Wischgesten, mehr Übersicht und ein neuer Vollbildmodus.

Der Satz "Wir müssen die Bühne sein, nicht das Stück" stammt zwar von einem Microsoft-Manager und meinte deren Browser. Bei Betriebssystemen wird er derzeit am besten von Apples OS X Lion erfüllt. Seit heute ist es auf dem Markt, wir konnten es bereits einige Tage ausprobieren.

Schuld an allem sind natürlich das iPad und das iPhone: Für Probleme, die sich auf normalen Rechnern immer wieder stellen, wurden im Mobil-Betriebssystem iOS Lösungen gefunden, die funktionieren, ohne dass der Nutzer sich groß darum zu kümmern hätte.

Einfach wieder da

Schreibt man zum Beispiel im iPad-Mailprogramm eine Nachricht und drückt mittendrin einfach auf den Home-Knopf, erscheint der Startbildschirm und nicht etwa eine Nervmeldung, die fragt, unter welchem Namen man die Datei speichern will. Die angefangene Datei ist, sobald man die App wieder öffnet, einfach wieder da. Genauso wie das iPad auch in Sekundenbruchteilen wieder da ist, wenn man es aus dem Schlafmodus weckt.

Alle Programme, die für Lion angepasst wurden, verhalten sich genauso. Das ist aber noch nicht alles. Wer zum Beispiel im Nachhinein glaubt, die Fassung seines Buchkapitels von letzter Woche sei doch die bessere gewesen, der kann sie sich mit der Funktion "Versionen" einfach wieder holen.

Man kann sogar Teile aus einer in eine andere Version kopieren. Und das - ein kurzer Blick ins technische Innenleben sei erlaubt - obwohl das System platzsparenderweise eigentlich nur jeweils das abspeichert, was neu dazu gekommen ist.

Ebenfalls aus der Mobilecke stammen die zahlreichen Wischgesten, die als dritte Steuerungsmöglichkeit neben Maus und Tastatur stärkeres Gewicht erhalten. Dazu muss man wissen, dass 73 Prozent der verkauften Macs Laptops sind, also von Haus aus ein großes (und sehr flott ansprechendes) Touchpad haben.

Mit zwei Fingern hin- und herrutschen und schon rollt man Inhalte auf dem Bildschirm auf und ab. Dabei reicht es, den Mauszeiger am richtigen Ort zu haben, eigens aktiv setzen muss man das Fenster oder die Spalte nicht. Auch Apples Maus versteht etliche Gesten, allerdings sind es andere als für die Touchpads.

In Lion räumt Apple endlich damit auf, dass Programme bislang nicht den gesamten Bildschirm benutzen konnten. Full Screen Apps, erkennbar an einem kleinen Doppelpfeil in der rechten oberen Ecke, nehmen nun die gesamte Bildschirmfläche ein, was besonders die Besitzer der kleineren Laptopbildschirme freut.

Zwischen mehreren offenen Full Screen Apps wechselt man mit einer horizontalen Wischgeste (drei Finger), beendet wird der Modus durch "Escape" oder indem man die Maus zum oberen Bildschirmrand bewegt. Es erscheint ein kleiner Doppelpfeil, auf den man klicken kann.

Wer übrigens mitten im schönsten Arbeiten wissen will, was sich in den anderen Fenstern so tut, der wischt mit drei Fingern nach oben und landet in der sogenannten Mission Control, einer Übersicht über alle geöffneten Fenster und Programme. Ein Mausklick auf eines der Fenster holt dieses nach vorne.

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Helmut Martin-Jung. In Bildern.

In den Bereich nützliche Spielerei gehört "AirDrop". Zwei Lion-Rechner können dabei Dateien drahtlos austauschen, ohne dass dazu ein Wlan zur Verfügung zu stehen braucht. Die Daten werden dabei verschlüsselt übertragen.

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Wischgesten, mehr Übersicht und ein neuer Vollbildmodus.

Die einzige Neuerung, deren Nutzen sich uns nicht erschließt, ist das Launchpad, eine iPad-ähnliche Übersicht der installierten Programme. Ob die Vielzahl an Icons auf dem iPad das Gelbe vom Ei ist, darüber kann man noch streiten, auf dem Desktop oder Laptop ergibt die Sache aber keinen Sinn. Besser hingegen ist das Mail-Programm, das nun ebenfalls stark an die iPad-Version erinnert.

Da die anderen Möglichkeiten wie etwa das Dock aber nicht wegfallen, ist das nicht weiter schlimm. Man muss es ja nicht nutzen.

Nur im App-Store erhältlich

Kaufen kann man Lion nur - auch das ist neu - im App Store, der konsequenterweise auch Bestandteil des neuen Systems ist. Apple hat die altgewohnten Betriebssystem-DVDs einfach abgeschafft.

Die etwa vier Gigabyte große Datei muss man sich selber herunterladen. Wer keine Flatrate hat, darf auch in einen Apple-Laden gehen und sich dort helfen lassen, im August soll es Lion auch auf einem USB-Stick geben.

Der Preis ist für sich genommen schon eine Kampfansage: 23,99 Euro. Und die Lizenz gilt bei Privatleuten auch noch für alle Rechner, die man besitzt. Die Installation funktioniert nur auf Rechnern, die die zweitjüngste Version des Apple-Betriebssystems, Snow Leopard, sowie alle Updates installiert haben.

Apple stellt außerdem einen sogenannten Migrations-Assistenten zum Download bereit, den man vor dem Herunterladen von Lion durchlaufen lassen sollte. Nicht mehr geeignet für Lion ist die erste Geräte-Generation mit Intel-Chips.

Das Herunterladen aus dem Apple Store ging bei uns zäh, die eigentliche Installation dagegen war auf einem Core-i7-iMac dagegen in knapp 20 Minuten durch. Zu diesem Preis ist das Update auf jeden Fall zu empfehlen, vor allem die zahlreichen neuen Sicherungsfunktionen dürften Nutzer locken, die in der Hektik schon mal wichtige Dateien ungesichert weggeklickt haben.

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