Entwicklerkonferenz WWDC:Apples neue Toleranz

Entwicklerkonferenz WWDC: Tim Cook stellte auf der Apple-Keynote zahlreiche Neuerungen vor.

Tim Cook stellte auf der Apple-Keynote zahlreiche Neuerungen vor.

(Foto: Brooks Kraft/AP)

Während Apple bei Prozessoren künftig auf Marke Eigenbau setzen will, gibt man sich andernorts überraschend offen.

Von Marisa Gierlinger

Es ist eine kleine Änderung, die auf Apples Keynote-Veranstaltung kaum Erwähnung fand, und dennoch hat sie Signalwirkung: Das iPhone-Betriebssystem iOS14 und sein iPad-Pendant sollen Nutzern erstmalig erlauben, sowohl den bevorzugten Browser als auch das bevorzugte E-Mail-Programm selbst auszuwählen. Wenn man auf einen Link klickt, sollen sich zukünftig also beispielsweise automatisch wahlweise Chrome, Firefox oder Gmail öffnen und nicht nur der hauseigene Browser Safari oder das hauseigene Apple-Mail-Programm.

In Tech-Blogs und auf Twitter wird diese Ankündigung, die Apple am Montag verkündet hat, schon jetzt als eine der einschneidendsten Neuerungen gehandelt. So meinte etwa der britische Journalist Christian Calgie, es sei unfassbar, dass Apple eines der wohl populärsten neuen Features auf der Entwicklerkonferenz nicht einmal erwähnt habe.

Kompatibilität ist nicht Apples Stärke

Die etwas überraschende Flexibilität bei Browser und E-Mails ist ein Zugeständnis an Nutzer, die individuell über bestimmte Komponenten entscheiden wollen. Und gleichzeitig ist es eine Öffnung in Richtung konzernfremde Dienstleister und deren Produkte. Dass die Neuerung in der Keynote eher unterging und lediglich auf einer Präsentationsfolie für ein paar Sekunden aufschien, verwundert nicht. Apple stößt häufig auf die Kritik, mit den Geräten oder Anwendungen anderer Entwickler nicht kompatibel zu sein. Das Unternehmen verbaue zum Beispiel gezielt Anschlüsse, die von den Gerätestandards der anderen Hersteller abweichen, um Nutzer zum ausschließlichen Kauf von Apple-Produkten oder Zubehör wie Adaptern zu zwingen. Eine Exklusivitätsstrategie zeigt sich auch auf der Ebene der Software: Vor allem in den Standardeinstellungen favorisierte das Unternehmen bislang offen seine eigenen Werkzeuge. Eine Ausnahme bildete Google Maps, das man mit iOS 8 erstmals als Standard-Navigationsdienst festlegen durfte.

Dass Apple sich nun großzügig gibt, was die Wahl des Browsers und bevorzugten E-Mail-Programms betrifft, könnte vielen Teilzeit-Apple-Nutzern Grund zur Hoffnung auf anderen Ebenen geben. Denn bei der Hardware und den Schnittstellen setzt das Unternehmen nach wie vor auf Exklusivität und macht es nahezu unmöglich, aber auf jeden Fall unbequem, auf Alternativen auszuweichen. Wer nicht den Großteil seines Geräte- und Software-Arsenals von Apple bezieht, hat bislang Schwierigkeiten, diese untereinander zu verknüpfen.

Bei Prozessoren setzt Apple auf die eigene Linie

Eine der anderen großen Ankündigungen des Abends kam hingegen weniger überraschend. Das Ende von Apples Zusammenarbeit mit Intel bei Mac-Prozessoren hatte die Nachrichtenplattform Bloomberg schon vor zwei Monaten ausgeplaudert. Bei Notebooks und Desktop-Rechnern will Apple zukünftig nicht mehr auf die Prozessoren des Marktführers Intel setzen, sondern eigene Chips mit dem Namen "Apple Silicon" verwenden.

Anders als Google und Facebook hat Apple seine Entwicklerkonferenz nicht coronabedingt abgesagt. Seine Worldwide Developers Conference (WWDC) hält das Unternehmen diese Woche nicht wie üblich als exklusives Großereignis im Silicon Valley ab, sondern online im Videostream. In der öffentlichen Keynote am Montag stellte CEO Tim Cook die wichtigsten Neuigkeiten im Software- und Hardwarebereich vor. Dazu gehörten unter anderem Airpods Pro mit optimiertem 3-D-Sound oder das neue Betriebssystem für die Apple Watch, watchOS 7. Dieses soll nicht nur den eigenen Schlaf besser tracken und analysieren können, sondern in Hinblick auf die aktuelle Situation auch messen, wie lange sich der Träger die Hände wäscht. Apples eigener Browser Safari wurde indessen einem umfangreichen Makeover unterzogen. Die neue Oberfläche soll mehr Individualität zulassen und vor allem die Datensicherheit der Nutzer ins Zentrum rücken.

Lang erwartete Neuerungen bringt vor allem das jüngste Update des mobilen Betriebssystems iOS. Zum ersten Mal seit Launch des iPhones im Jahr 2007 werden mit iOS 14 Design und Anordnung des Startbildschirms überholt. Im Gegensatz zu den bisher recht uniform daherkommenden Kacheln können Apps nun benutzerdefiniert positioniert, vergrößert oder versteckt werden. Neben den App-Icons soll die Oberfläche auch flexible Widgets zulassen, ein Schritt, in dem iOS dem Konkurrenten Android um mehrere Jahre hinterherhinkt. Erfreulich für viele iPhone-Besitzer ist dabei sicher die Tatsache, dass die Mindestanforderungen an das Gerät nicht erhöht werden: Wie die Vorgängerversion wird auch das neue Betriebssystem auf allen Modellen ab dem 6s laufen. Neben Verbesserungen an der intelligenten Sprachassistentin Siri soll das iPhone außerdem mit einer Übersetzungsapp bestückt werden, die elf Sprachen in Echtzeit übersetzen kann.

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