Apple: iPad:Der Heilsbringer ist gierig

Buch- und Zeitungsverlage würden gern ihre Produkte über das iPad anbieten - allerdings fordert Apple so hohe Gebühren, dass manche noch zögern.

Moritz Koch, New York

Einen Hype zu entfachen, ist ein Marketingcoup; ihn zu übertreffen, eine Spezialität von Apple. Nach dem Verkaufsboom vom Wochenende mit schätzungsweise 700.000 verkauften iPads erwarten Optimisten, dass Apple bis Ende des Jahres weltweit mehr als sieben Millionen der neuen Computer verkauft. Diese Entwicklung erfreut besonders die Medienbranche, die dank des neuen Gerätes auf bessere Geschäfte hofft.

Längst ist Apple-Gründer Steve Jobs zum Heilsbringer für Medien-Konzerne geworden, deren Geschäftsmodell unter den kostenlosen Angeboten im Internet leidet. Mit dem neuen iPad, so hoffen viele Medienmanager, könnte die Online-Welt nun endlich zu einer echten Geldquelle werden. Schon zum Verkaufsstart des iPad boten amerikanische Magazine wie Time und Tageszeitungen wie das Wall Street Journal eigens programmierte digitale Ausgaben an. Doch die ersten Käufer sind von dem neuen Angebot alles andere als begeistert. Ihre Urteile schwanken zwischen Fassungslosigkeit und Sorge.

"Der Preis ist unerhört", schimpft ein Kunde. Ein anderer schreibt: "Ich möchte ja wirklich, dass die Unternehmen beim Übergang von alten zu neuen Medien erfolgreich sind. Aber so wird das nichts." Time verlangt 4,99 Dollar pro iPad-Ausgabe.

Wer die Papier-Version abonniert, zahlt für dieselben Inhalte weniger als 40 Cent. Beim Wall Street Journal ist es ähnlich, wenn auch weniger drastisch. Ein Grund für die Preisaufschläge ist das Geschäftsmodell von iTunes, dem virtuellen Gemischtwarenladen, in dem Apple nach Musik, Serien und Filmen nun auch Bücher, Zeitungen und Magazine vertreibt.

30 Prozent aller Erlöse streicht Apple ein, quasi als Obolus für den Zugang zu den 125 Millionen iTunes-Kunden. Der vermeintliche Heilsbringer ist alles andere als selbstlos. Statt von Apple gerettet zu werden, müssen Verlage sogar fürchten, in eine gefährliche Abhängigkeit zu geraten. Schon bald könnte Apple neben der Bücherecke iBooks auch einen Kiosk für Zeitungen und Zeitschriften einrichten und damit den Vertrieb digitaler Nachrichten monopolisieren. Auf dem Musikmarkt hat es iTunes vorgemacht. Apple wickelt inzwischen 70 Prozent aller digitalen Plattenverkäufe ab.

Für die iPad-Besitzer hätte ein Apple-Kiosk auch Vorteile. Bisher entwerfen die Verlage ihre digitalen Ausgaben selbst. Das Ergebnis ist ein großes Durcheinander. Mal blättert man von rechts nach links, mal von oben nach unten. Mal lassen sich Fotos per Doppelklick vergrößern, mal muss man nach einem Befehlsfeld Ausschau halten. Ein iKiosk würde einen Standard setzen, ganz so wie ihn Apple bei elektronischen Büchern schon geschaffen hat. Das Problem ist die Macht, Preise zu diktieren. Und nicht nur das: Apple behält sich vor, selbst zu entscheiden, welche Kundendaten es an die Verlage weitergibt.

Diese Informationen sind enorm wertvoll. Medienunternehmen richten ihre Marketingstrategien an ihnen aus. Einige Firmen weigern sich daher noch, ihre Produkte über Jobs neue gefragte Wundermaschine zu vertreiben, darunter der weltgrößte Magazin-Verlag Hachette Filipacchi Media, der in den USA die Frauenzeitschrift Elle herausbringt. Auch der größte englischsprachige Buchverlag Random House geht auf Distanz. Die Bertelsmann-Tochter ist mit Apples Preismodell nicht einverstanden und verkauft vorerst keine iBooks.

Die meisten Verlagshäuser setzen dennoch auf das neue Medium. Auch in Europa, wo das iPad Ende des Monats auf den Markt kommen soll. Das französische Traditionsblatt Le Monde hat nichts Geringeres als "die Zeitung der Zukunft" angekündigt. Die Süddeutsche Zeitung arbeitet ebenfalls an einem iPad-Angebot.

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