Süddeutsche Zeitung

Apple-Chef:Tim Cook warnt vor Daten als Waffen "mit militärischer Effizienz"

Der Apple-Chef beschreibt auf einer Rede in Brüssel die Gefahr eines "Daten-industriellen Komplexes". Gemeint sind Facebook und Google - er selbst präsentiert sich herzergreifend als Datenschützer.

Von Jacqueline Lang, Brüssel

Würde man die digitale Welt in Gut und Böse unterteilen wollen, dann wäre Mark Zuckerberg wohl in den Augen vieler der Böse. Schuld daran ist vor allem der Datenskandal um Cambridge Analytica, der den Facebookgründer Anfang des Jahres dazu zwang, sich vor dem US-Kongress und dem EU-Parlament zu rechtfertigen. Klar von Facebooks Praktiken distanzierte sich damals ein weiterer mächtiger Manager des Silicon Valley: Tim Cook. Der 57-jährige Apple-Chef inszeniert sich als Hüter der Daten seiner Kunden. Öffentlich rügte er Facebook für dessen schludrigen Umgang mit privaten Informationen seiner Nutzer, auf der Datenschutzkonferenz im EU-Parlament in Brüssel ergriff Cook am Mittwoch das Wort, wie ein Verfechter des Guten. In überraschend deutlichen Worten klagte er eines der wichtigsten Geschäftsmodelle des Silicon Valley und dessen schädliche Konsequenzen für die Gesellschaft an. "Wir müssen uns fragen: In was für einer Welt wollen wir leben?"

Mit diesen Worten beginnt Cook seine Rede. Um nicht mehr und nicht weniger gehe es, wenn man über die Digitalisierung aller Lebensbereiche spreche. Denn so viel sei sicher, sagt Cook: "Die Krise ist real." Deshalb sei es wichtig zu begreifen, dass Technik nichts wolle, weder Schlechtes noch Gutes. Sie diene dem Menschen und nicht umgekehrt. Jene Unternehmen, die Handel mit den privaten Daten von Menschen betrieben, müsse man zur Verantwortung ziehen, nicht die Algorithmen. Wer die Bösen sind, ist allen im Raum klar, auch wenn Cook keine Namen nennt: Google und Facebook.

Er legt die rechte Hand aufs Herz, fast so, als wolle er einen Eid schwören. Apple, sagt er dann, wolle seinen Nutzern die volle Kontrolle über ihre Daten geben. "Die Daten gehören den Nutzern", so Cook.

Wer Cook so reden hört, könnte meinen, er sei passionierter Datenschützer und nicht der Chef eines der größten Technologieunternehmen der Welt. Im Gegensatz zu Facebook, Google und vielen anderen seiner kalifornischen Nachbarfirmen verdient Apple sein Geld nicht damit, Daten über seine Nutzer zu sammeln und dann Werbeplätze auf ihren Bildschirmen zu verkaufen. Apple ist ein Hardware-Konzern, der mit dem Verkauf von Computern, Tablets und Smartphones Milliarden einnimmt. Die neue Datenschutzgrundverordnung der EU zu loben und für Amerika zu fordern, während er in Brüssel am Rednerpult steht, fällt Cook daher leicht.

So viel Dystopie war selten

Doch ganz so einfach will ihn sein Vorredner Giovanni Buttarelli nicht davonkommen lassen: Der europäische Datenschutzbeauftragte gibt ihm ein Zitat aus dem Comic "Spider-Man" mit auf den Weg: "Aus großer Kraft folgt große Verantwortung." Cook präsentiert sich als einer, der diese Verantwortung wahrnimmt. Er arbeitet seit Ende der 1990er-Jahre bei Apple. Er löste Steve Jobs in der Konzernspitze ab, der im Oktober 2011 an Krebs starb. Was für Jobs zu Lebzeiten galt, gilt heute für Cook: Beide sprechen selten über ihr Privatleben. Stattdessen wollen sie lieber über ihre Vision für die Technologie im Allgemeinen reden.

In Brüssel spricht Cook über private Daten, mit denen gewinnbringend gehandelt werde und die "als Waffe mit militärischer Effizienz" eingesetzt würden. Er beschreibt einen "datenindustriellen Komplex" - eine Anspielung auf die berühmte Warnung des ehemaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower von 1961 vor einem "militärisch-industriellen Komplex" aus Armee und Waffenfirmen.

So dystopisch wie Cook hat sich ein Tech-Konzernchef selten über die Digitalisierung geäußert. Die Frage, mit der Cook seine Rede beginnt und beendet, hat er damit allerdings noch lange nicht beantwortet: "In welcher Welt wollen wir leben?"

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SZ vom 25.10.2018/jab
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