Süddeutsche Zeitung

Apple:Eine Sache noch ...

Apple bringt Computer mit selbstentwickelten Chips auf den Markt. Doch die Umstellung ist auch mit Risiken verbunden.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Sie waren ja wirklich so verrückt bei Apple, dieses Online-Event am Dienstag "One More Thing" zu nennen. "Eine Sache noch ..." Das war der legendäre Spruch von Konzern-Gründer Steve Jobs, wenn er am Ende von Präsentationen so tat, als hätte er wie Inspektor Columbo irgendwas vergessen. Doch war natürlich jeweils die komplette Veranstaltung einzig darauf ausgelegt, am Ende etwas Wegweisendes vorzustellen: den Desktop-Rechner iMac 1998, den Online-Musikladen iTunes 2003, das iPhone 2007. "One More Thing" deutete an, dass nun nicht Sachen mit Fortsetzungs-Zahlen gezeigt würden, also nicht iPhone 12, iOS 14 oder Watch Series 6, sondern etwas Neues. Das ist ja, bei allem Respekt vor dem finanziellen Erfolg der Uhr (vorgestellt 2015), dann doch schon ein bisschen her.

Das neue Produkt trägt zwar eine Fortsetzungs-Zahl (M1), es ist jedoch "One More Thing" im Sinne von Jobs: Es wird laut Apple die Grenzen verschieben, was ein Computer sein kann. "Der Tag ist gekommen", sagte Apple-Chef Tim Cook vor einem Video, in dem Leute wie Billie Eilish, Lady Gaga oder Lisa Simpson gezeigt wurden, wie sie einen Mac nutzen. Das Projekt Apple Silicon ist darauf ausgelegt, Prozessoren zu kreieren, die leistungsfähiger sind - laut Apple bis zu 2,8 Mal schneller, die Grafik soll bis zu fünf Mal schneller sein, weniger Strom verbrauchen (Geräte sollen zehn Stunden länger einsatzfähig sein als die Generation davor) und weniger kosten (Chips machen mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten aus).

Das ist freilich das Ziel aller Hersteller, und Apple ist kein Neuling in diesem Bereich; die eigenen Produkte sind bereits in Geräten wie iPads, Apple TVs oder den Smartwatches verbaut. Mit M1 hat der Konzern eigenen Angaben zufolge eine neue Evolutionsstufe erreicht, die in anderen Geräten verbaut werden können, und die Zahl deutet an, dass weitere Entwicklungen folgen werden.

In den vergangenen 15 Jahren hatte sich Apple vom Chiphersteller Intel beliefern lassen, doch Cook hatte im Sommer angedeutet, dass der Konzern ein eigenes Produkt vorstellen wird. Intel-Prozessoren sind Allzweckwaffen, die so gut wie alle Aufgaben erfüllen. Der Apple-Chip indes enthält vier Hochleistungskerne für intensivere Rechenaufgaben wie etwa maschinelles Lernen und Verarbeiten von Videos sowie vier energieeffiziente Kerne für Hintergrundaufgaben. Er soll im Macbook Air (999 Dollar) Macbook Pro (1299) und Kompakt-Desktop Mac mini (699 Dollar) eingesetzt werden. Die Geräte sollen bereits nächste Woche erhältlich sein.

Sie nennen es einen "Quantensprung" bei Apple, doch ist die Umstellung auch mit Risiken verbunden. Beim Wechsel zu Intel im Jahr 2005 wussten vor allem Entwickler von Produkten, was sie zu erwarten hatten. Das ist diesmal nicht ganz der Fall, auch wenn Apple ein Kit mit einer früheren Version des Chips bereits an Entwickler verschickt hat. Es ist eine Sache, zu versprechen, dass zum Beispiel Photoshop oder Lightroom von Adobe oder auch Office vom Lieblingsfeind Microsoft funktionieren werden. Und es ist eine andere, es dann auch zu tun in dem Tempo, das Apple-Chef Cook vorgibt. Eine neue Photoshop-App zum Beispiel ist erst im kommenden Jahr geplant.

Dennoch hat Apple wieder mal erreicht, was auch Jobs immer schaffen wollte: Hype um neue Produkte, die den Begriff "One More Thing" auch wirklich verdienen. Das wussten sie freilich, und sie haben den virtuellen Laden vor der Veranstaltung vorsorglich erstmal geschlossen. Sie können wegen der Pandemie keine Wartenden vor den Geschäften zeigen, also freuten sie sich über all jene, die sich auf sozialen Netzwerken über die Schließung aufregten - und öffneten den Shop sofort nach der Präsentation. Steve Jobs wäre stolz darauf.

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