Süddeutsche Zeitung

Applause:Diese Firma weiß am besten, was eine gute App ausmacht

Applause lässt 175 000 Menschen weltweit Smartphone-Apps testen. Sie sollen Fehler finden und Feedback geben. Das freut die App-Entwickler - und vor allem Applause selbst.

Von Kathrin Werner

Doron Reuveni liebt Technik-Spielzeug. Zu Hause, erzählt er, lässt er zum Beispiel die ganze Familie antreten zum Wiegen auf der Waage von Withings, die den Körperfettanteil von Frau und Kindern gleich auf sein Handy lädt. Mit Fitness-Apps kennt er sich am besten aus. Für einen Marathon braucht er nur knapp mehr als drei Stunden. Er sei der schnellste Vorstandschef der Softwarebranche, sagt der 48-Jährige.

Aber man kann Reuveni auch nach anderen Apps fragen, er hat sich auf die Miniprogramme spezialisiert. 2007 hat er zusammen mit Roy Solomon ein Unternehmen gegründet, das Apps auf Qualität, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit testet. Es heißt Applause und sitzt eine gute Autostunde von Boston entfernt im US-Bundesstaat Massachusetts.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

2007, im Gründungsjahr, war die App-Branche neu und klein, kaum jemand surfte mit dem Handy im Internet. Selbst Google hatte keinen Plan, wie die Internetsuchmaschine auf Mobilgeräten funktionieren soll - und hat mit Reuvini zusammen an einer Lösung gearbeitet. "Dass wir so früh dabei waren, hat uns zum Marktführer gemacht", sagt Reuvini. "Wir konnten etwas, das sonst niemand konnte: Apps im richtigen Leben testen."

Mit der App-Industrie ist Reuvenis Startup groß geworden. Inzwischen gibt es für Nutzer des Handy-Betriebssystems Android etwa 1,5 Millionen Apps im Angebot, für iPhone-Kunden fast genauso viele. Apple hat seit dem Start des App Stores im Jahr 2008 30 Milliarden Dollar an App-Entwickler ausgezahlt. Vom Wörterbuchverlag über Banken und Kaufhäuser bis zu Restaurantketten haben fast alle Unternehmen Programme, die man mit einem Tipp auf das Smartphone-Display starten kann. Und bevor sie ihre Apps auf den Markt bringen, testen viele sie mit Applause.

175 000 Tester hat Reuveni auf der ganzen Welt, in 200 Ländern und Provinzen. Sie schauen nebenberuflich, ob die Miniprogramme auch tun was sie sollen und wie sie das tun. Testen sie eine Lauf-App, müssen sie mit ihr joggen gehen. Testen sie die App eines Online-Shops, müssen sie etwas kaufen.

Gute Apps sind schnell, stabil, sicher und intuitiv

Es geht nicht darum herauszufinden, ob es tatsächlich Bedarf für eine App gibt, Applause bewertet nicht, ob das Geschäftsmodell der App funktioniert. Es geht um die technische Qualität. Reuvenis Team hat eine Liste entwickelt: Eine gute App stürzt nicht ab, reagiert schnell, produziert keine Fehlermeldungen und schickt Nutzer tatsächlich auf die Anwendung, die der auch erwartet. Die Bedienung erschließt sich den Nutzern schnell, die Daten sind sicher vor Hackern. Und wenn die App international funktionieren soll, muss sie richtig zwischen Orten und Sprachen hin und herschalten.

"Es ist sehr schwer, eine gute App zu machen", sagt Co-Gründer Solomon. "Die Kunden haben hohe Ansprüche und es gibt viel Wettbewerb." Früher seien Apps zwar meist wesentlich schlechter gewesen und zum Beispiel viel öfter abgestürzt. Mit der Qualität seien aber die Erwartungen der Nutzer gestiegen, Apps müssen mehr können. Und wenn die App einen schlechten Start hat und gleich am Anfang miese Bewertungen bekommt, wird es sehr schwer, aus diesem Tief wieder herauszukommen. "Kunden laden Apps mit schlechten Bewertungen erst gar nicht herunter. Anders als früher ist den meisten Unternehmen inzwischen klar, wie wichtig eine gute App ist."

Die schlechtesten Apps kommen von Partnervermittlungsfirmen

Neben Google zählen Netflix, Amazon, Ebay, Bertelsmann oder Axel Springer zu den gut 2500 Kunden. "Die Softwareentwickler testen die Apps selbst in den Laboren, aber bevor eine App wirklich fertig ist und man sich darauf verlassen kann, muss sie auch in verschiedenen Ländern und Sprachen, mit gutem und schlechten Empfang und auf ganz verschiedenen Geräten getestet werden", sagt Reuveni.

Die Tester finden Fehler, an die vorher noch niemand gedacht hat. "Das können sie einfach nicht selber, egal wie viel Geld sie dafür ausgeben." Die schlechtesten Apps mit den meisten Fehlern entwickelten übrigens Partnervermittlungsfirmen. Reiseveranstalter und Banken kommen mit den besten Programmen zu Applause.

Das Hauptquartier: bunte Wände, Discokugeln, kostenloses Essen

Im Hauptquartier in Massachusetts sieht es so aus, wie sich das für Startups gehört: Junge Mitarbeiter in Jeans und Turnschuhen lungern auf Beanbag-Sitzsäcken herum. Die Konferenzräume sind nach Superhelden benannt. Es gibt bunte Wände, eine Discokugel und kostenloses Essen. Reuvenis 250 feste Mitarbeiter, die in den Applause-Büros hinter den Bildschirmen sitzen, testen keine Apps, sondern verwalten hauptsächlich die riesige Datenbank, über die sie Testaufträge vergeben und die Testresultate aus der ganzen Welt auswerten und an die Kunden weitergeben.

Kunden können unter anderem wählen, in welchen Ländern sie wie viele Tester wollen und welche Geräte und Betriebssysteme diese haben müssen. Es ist zum Beispiel möglich, englischsprachige junge Männer in Norwegen auf eine App für die Apple Watch anzusetzen. Oder 50 Tester in einen Klamottenladen zu schicken, um dort gleichzeitig die App des Unternehmens zu testen.

Die meisten arbeiten im Hauptberuf als Softwareentwickler oder -Tester für andere Firmen. Für Applause arbeiten sie auf Projektbasis - und werden erfolgsbasiert bezahlt: Sie bekommen für jeden gefundenen Fehler zwischen zwei und 40 Dollar, je nachdem wie hilfreich ihr Tipp für den Kunden ist. Der bestbezahlte Tester hat im vergangenen Jahr mehr als 140 000 Dollar verdient.

Geschäftskunden haben noch Nachholbedarf

Während die meisten Unternehmen, die direkt an Verbraucher verkaufen, inzwischen verstanden hätten, dass sie gute Apps brauchen, sehen die Applause-Gründer noch Nachholbedarf bei Geschäftskunden und bei der internen Kommunikation. Ein Beispiel: Versicherungen. Viele Agenten seien frustriert, weil es so schwierig ist, Fotos und Informationen über Schadensfälle an die Zentrale zu übermitteln - eine gute App würde helfen. Die meisten Applause-Kunden arbeiten langfristig mit der Firma zusammen und lassen sich bereits in der Entwicklungsphase beraten und mehrere Versionen testen.

Applause hat insgesamt mehr als 80 Millionen Dollar an Risikokapital eingesammelt, unter anderem von Goldman Sachs. Ein Börsengang sei im nächsten Jahr möglich, sagt Reuveni. Das Unternehmen schreibe noch Verluste, das liege aber an Investitionen in das Wachstum. Die Gründer planen Übernahmen von App-Testern, die in anderen Regionen stark sind, zum Beispiel in Asien. Applause ist mit Abstand der größte Anbieter, es gibt aber einige Startups mit ähnlichem Geschäftsmodell. Vor einem Jahr hat Applause den Berliner Rivalen Testhub gekauft und wächst seither vor allem in Europa sehr schnell.

Für das Unternehmen ist es gut, wenn neue Produkte wie die Apple Watch entwickelt werden, denn das bedeutet, dass neue Apps geschrieben oder angepasst werden. Als die Hightech-Uhr auf den Markt kam, hatte der Applause-Testschwarm in der ersten Woche schon 150 Stück zu begutachten. Und Applause hat ein neues Kriterium für die Qualität von Apps hinzugefügt: Dass sie nicht zu viel Batteriestrom verbrauchen. "Die App-Industrie wird immer internationaler und mit den vielen neuen Geräten immer komplexer", sagt Reuveni. "Für uns ist das eine riesige Chance. Unsere riesige Community passt sich Veränderungen schneller an als die Entwickler."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2523384
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.06.2015/sih
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.