App "Clubhouse":Hören und gehört werden

Bloatware-Umfrage: Vorinstallierte Apps werden kaum angerührt

In Corona-Zeiten boomen Social-Apps wie "Clubhouse".

(Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn)

In ist, wer drin ist: Die App "Clubhouse" simuliert eine exklusive Dinner-Party.

Von Michael Moorstedt

Es ist schon eine Weile her, dass man im Silicon Valley das nächste große Ding verkündet hat. Oder besser: dass eine solche Verkündung auch tatsächlich in einem großem Ding resultierte. Doch wer dem Grundrauschen der Branche in den üblichen Netzwerken folgt, konnte in den letzten Wochen erfahren, dass es einen neuen Anwärter auf diesen doch recht vagen Titel gibt. Eine App namens Clubhouse.

Deren Prinzip ist eigentlich schnell erklärt. Der Nutzer betritt einen Audio-Chatraum, kann sich mit anderen Nutzern unterhalten oder auch einfach nur anderen Gesprächen lauschen. Man kann aber auch seinen eigenen Raum starten und Menschen zu einer privaten Konversation einladen. Die User preisen Clubhouse als das perfekte Nebenbei-Medium für eine Zeit, in der ohnehin jeder mit kabellosen Kopfhörern durch die Gegend läuft. Glückwunsch, könnte man also sagen, das Silicon Valley hat das Prinzip Radiosendung entdeckt und mit ein bisschen Telefonanruf vermengt. Aber bekannte Dinge neu zu verpacken und zu kombinieren, ist hier ja ohnehin Teil des Geschäftsprinzips.

Exklusivität verkauft sich gut. Der Hype um die App ist enorm

Woher kommt also die Aufregung um das neue Netzwerk? Zum einen sind Audio-Inhalte - bis auf die nur in eine Richtung sendenden Podcasts - eines der letzten großen noch nicht ausgebeuteten Reservoirs, um neue Inhalte und damit auch neue Umsätze zu generieren. Der andere, sehr wichtige Grund liegt darin, dass nicht jeder die App auch nutzen kann. Es gibt nicht mal eine offizielle Website. Von daher ist der Name mehr als passend. Rein kommt nur, wer die richtigen Leute kennt. Exklusivität und künstliche Verknappung, dieser alte Trick der Luxusgüterindustrie, funktioniert auch in der digitalen Welt, in der ja prinzipiell keine Ressourcenknappheit existiert.

Die wenigen, die das Glück haben, dabei und drin sein zu dürfen, beschreiben die Nutzererfahrung als eine Mischung davon, einen Podcast anzuhören, während man zugleich durch den Twitter-Feed wischt und einer Tech-Konferenz beiwohnt. Anstatt der versprochenen Konzentration auf das Wesentliche gibt es also noch mehr Ablenkung für das Publikum. Immerhin ist dann wenigstens alles auf einer Plattform vereint. Die Mischung scheint zu funktionieren - manch einer berichtet, er verbringe mittlerweile bis zu 40 Stunden pro Woche mit der App. Es gibt bereits die ersten Me-Too-Programme.

Der Hype ist so enorm, dass sich sogar eine unbedarfte Projektmanagement-App, die zufälligerweise den gleichen Namen trägt, über massenweise neue Nutzer freuen darf. Derweil bewertet die Risikokapitalgesellschaft Andreessen Horowitz Clubhouse bereits mit 100 Millionen Dollar und hat auch selbst schon investiert. Dabei hat die App alles in allem gerade mal um die 1500 Nutzer, die sich hauptsächlich aus Tech-Investoren und obskuren Prominenten wie etwa MC Hammer rekrutieren. Es geht wie immer ums Sehen und Gesehenwerden, oder besser, Gehörtwerden. Im erlauchten Kreis wird dann über die wichtigen Dinge referiert. Es dreht sich also weitestgehend um Clubhouse selbst, Risikokapital im Allgemeinen, die Corona-Krise oder um eine Kombinationen dieser drei Themen.

Die Quarantäne war jedenfalls die beste Zeit, um die App zu starten. Weil ohnehin jeder gelangweilt zu Hause saß. Durch Clubhouse hatte die von sozialen Events verwöhnte Elite wenigstens die Simulation einer Dinnerparty. Unklar ist, wie es jetzt weitergeht. Nicht nur, weil ein Teil des Reizes durch die langsame Öffnung der Gesellschaft wieder verschwindet. Sondern auch, weil diese Art von sozialen Apps üblicherweise vor allem neue Nutzer benötigt, um langfristig erfolgreich zu sein. Oder wie es ein anderer Investor ausdrückt: Clubhouse werde "entweder das nächste große Ding" oder sei "im Juli wieder tot".

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