Süddeutsche Zeitung

Anonymous-Enthüllungsflop:Ein Bundestagsleak, das keines ist

Anonymous-Aktivisten brüsten sich damit, interne Bundestags-Dokumente zur Kundus-Affäre veröffentlicht zu haben. Einzig: Die Papiere sind sowieso frei im Netz zugänglich.

Johannes Kuhn

Die nächste große Enthüllung? "Der Hacker-Gruppe Anonymous ist es offenbar gelungen, über das Computersystem des Deutschen Bundestags auf bislang geheime Dokumente zur Kundus-Affäre zuzugreifen", meldete am Mittwoch eine große deutsche Nachrichtenagentur, eine weitere schickte eine ähnlich lautende Meldung in die Welt.

Was war passiert? Bei Pastebin.com hatten Anonymous-Aktivisten Links auf etwa 200 PDF-Dokumente aus dem Kundus-Untersuchungsausschuss veröffentlicht, einige davon mit dem Vermerk "Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch" oder "Geheim" gekennzeichnet. Der schadenfrohe Kommentar der vermeintlichen Hacker: "Wenn der Deutsche Bundestag schon so mit eigenen Daten und Dokumenten umgeht, was passiert mit den Daten der Bürger?"

Nun, offenbar kann man dem Bundestag vor allem vorwerfen, dass er seine öffentlichen Daten ziemlich gut versteckt - denn die Dokumente sind sowieso allesamt frei im Web zugänglich, auf Wunsch des Untersuchungsausschusses auch die einst als geheim klassifizierten Papiere.

Wer sie aber finden möchte, kommt mit der Suche des DIP (Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentarische Vorgänge) nicht weit, sondern muss in der "Drucksache 17/7400" forsten, dem Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Kundus-Affäre (PDF hier). Dort sind die entsprechenden Berichte ab Seite 460 verlinkt.

Wir rechnen eher mit Leaks als mit Transparenz

Dass nun Anonymous mit einem Leak, das keines ist, Schlagzeilen machen konnte, blamiert nicht nur die Hobby-Hacker und voreilige Medien - es zeigt auch, dass wir eher mit solchen Veröffentlichungen rechnen, als mit freiwilliger Transparenz der Institutionen. Dass Listen von Todesopfern oder das Kommunikationsprotokoll des Kundus-Angriffs (mit Schwärzungen) öffentlich vorliegen, dürfte außerhalb des Berliner Politikbetriebs zumindest kaum jemandem bekannt gewesen sein

Der Bundestag täte deshalb wie alle deutschen Behörden womöglich gut daran, für die Öffentlichkeit nützliche Dokumente im Sinne von Open Data besser durchsuchbar zu machen (für Menschen und Maschinen) und sein Recherchesystem generell nutzerfreundlicher zu gestalten. Meine Gespräche mit Angestellten der Bundestagsverwaltung zu diesem Thema haben in der Vergangenheit allerdings nicht darauf hingedeutet, dass man sich dort in der Bringschuld sieht.

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