Anonymisierungsdienst:Undercover surfen

AN.ON stellt neue Server auf, damit sich noch mehr User beim Surfen gegen Ausspähung schützen können. Die deutsche Justiz befürchtet, dass Straftäter diesen Service missbrauchen.

Christiane Schulzki-Haddouti

Diese Woche weitete der Anonymisierungsdienst AN.ON sein internationales Angebot deutlich aus. Anwender können nun ihre Datenströme über neue Anonymisierungsserver in Tunesien und Dänemark verschlüsseln.

Anonymisierungsdienst: Mit Anonymisierungsdiensten können sich Bürger und Unternehmen besser gegen Ausspähung schützen.

Mit Anonymisierungsdiensten können sich Bürger und Unternehmen besser gegen Ausspähung schützen.

(Foto: Montage: sueddeutsche.de)

Nicht nur Bürger, sondern auch Unternehmen können sich damit besser gegen Ausspähung schützen. Zurzeit nutzen etwa 3500 bis 4000 Menschen den Anonymisierungsdienst gleichzeitig. Monatlich rufen sie über 250 Millionen Internetadressen anonym ab. Die Software wurde bereits über eine Million Mal heruntergeladen.

AN.ON gilt weltweit als einer der vertrauenswürdigsten Anonymisierungsdienste. Er wird vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) gemeinsam mit den Universitäten Dresden, Berlin und Regensburg und dem Chaos Computer Club unterhalten.

Er ermöglicht es seinen Nutzern, Webseiten im Netz anonym anzusehen. Dafür verschlüsselt er über eine Reihe von Rechnern, so genannten Mix-Servern, die Ausgangsdaten der Nutzer wie etwa die IP-Adresse. Die Betreiber der Webseiten können dann nicht mehr erkennen, wer ihre Seiten besucht hat.

Verschlüsselung per Mix-Server

Jetzt sind unter diesen Servern auch ausländische Computer. Um die Kommunikation jetzt noch zu entschlüsseln, müssten Geheimdienste gleichzeitig Zugriff auf mehrere ausländische Server haben.

Auch die für AN.ON entwickelte Software JAP steht in einer verbesserten Version zur Verfügung. Die Software muss jeder Nutzer auf seinem Rechner installieren, um die Mix-Server zu nutzen. Die neue Version sucht sich bei Verbindungsfehlern automatisch einen neuen Weg über andere Mix-Server. Auf Wunsch kommuniziert sie auch nur über eine einzige anonyme Verbindung. Sie holt sich Informationen über verfügbare Server und Software-Updates. Ein Installationsassistent erleichtert für Neueinsteiger den Start von JAP.

Gefördert wird die Entwicklung vom Bundeswirtschaftsministerium noch bis Ende November. Dann soll ein Bezahlservice in den Dienst integriert werden, der derzeit in einer Alpha-Version getestet wird. AN.ON genießt das Vertrauen vieler Nutzer, weil es klare Regeln für den Umgang mit den Strafverfolgungsbehörden festgelegt hat.

Der schleswig-holsteinische Landesdatenschützer Thilo Weichert betont, dass die Kommunikation von verdächtigen Adressen kurzfristig mitprotokolliert werden kann, wenn eine rechtliche Anordnung nach der Strafprozessordnung vorliegt.

Kinderpornos anonym verbreitet

Der Dienst gerät dennoch immer wieder in die Kritik von Innen- und Justizpolitikern. Erst im August hatte der schleswig-holsteinische Justizminister Uwe Döring die öffentliche Förderung des Dienstes kritisiert, der es "Terroristen und Straftätern aller Art ermöglicht, unentdeckt Straftaten zu begehen".

Tatsächlich wurden erst Anfang September Server des Anonymisierungsdienstes TOR von der Polizei im Kampf gegen Kinderpornographie beschlagnahmt.

Den beliebten Dienst der Electronic Frontier Foundation können auch JAP-Nutzer verwenden. Allerdings stellt hier jeder seinen eigenen Rechner für die Datenübertragung zur Verfügung. Im Falle von mutmaßlichen Straftaten muss deshalb auch jeder Nutzer mit einer Beschlagnahmung seines Computers durch die Polizei rechnen.

Andere bekannte kostenlose Anonymisierungsdienste wie die webbasierten Dienste Proxyblind oder The Cloak gelten als wenig vertrauenswürdig. Sie stellen den Nutzern kein eigenes Software-Programm zur Verfügung, sondern verlangen, dass sie über das Portal ins Netz gehen. Über ihre Anbieter und ihr Verhältnis zu Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten ist wenig bekannt.

Andreas Pfitzmann, der für AN.ON technisch verantwortlich ist, kritisiert, dass sie zwar um das Vertrauen der Nutzer werben, aber über ihr Verhältnis zu staatlichen Behörden Stillschweigen bewahren - niemand weiß, ob er hier wirklich anonym bleibt oder nicht.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: