"Anno 1800" im ersten Test:Die Anno-Reihe kehrt zu ihren Wurzeln zurück

bei Anno 1800 steht die Industrialisierung im Mittelpunkt.

Die neuen Fabriken in Anno 1800 pusten schwarzen Ruß in die Luft. Der Spieler muss darauf achten, dass seine Insel nicht zu schmutzig ist. Sonst zieht die Bevölkerung weg.

(Foto: Ubisoft/PR)
  • 20 Jahre nach dem Spieleklassiker "Anno 1602" erscheint ein neuer Titel.
  • "Anno 1800" spielt im Zeitalter der Industrialisierung und orientert sich an den älteren Spielen der Serie.
  • Ein erster Test zeigt: Die Rückbesinnung auf alte Stärken war eine gute Entscheidung.

Von Caspar von Au

Drei Dinge benötigt ein Siedler für den Neuanfang auf einer einsamen Insel: Holz, Werkzeug und Fisch. Simpler kann eine Formel des Lebens nicht sein. Mit Hilfe dieser Komponenten erbaut der Spieler in einigen Stunden eine florierende Metropole. Das ist seit 20 Jahren das Prinzip der "Anno"-Spiele.

In den beiden jüngsten Titeln, in denen der Spieler in der Zukunft siedelt, wurden Holz, Werkzeug und Fisch teilweise durch futuristische Ressourcen ersetzt, etwa den Baustoff Biopolymer (Anno 2205) oder Bauzellen (Anno 2070). Nicht allen Anno-Fans hat der Ausflug in die Zukunft gefallen. Nun kommt Ende des Jahres, etwas verspätet zum 20-jährigen Bestehen der Reihe, Anno 1800 heraus. Das Spiel ist eine Rückbesinnung auf den Kern der Marke.

Anno 1800 bringt sinnvolle Neuerungen

Wie gewohnt startet der Spieler in 1800 mit einem Segelschiff und dem Laderaum voller Holz, Werkzeug und Fisch. Der einzige Unterschied zu den ersten Anno-Spielen: Zwischen den Masten versteckt sich ein Schornstein. Die deutschen Entwickler von Blue Byte haben die industrielle Revolution als zentrales Thema gewählt. Ein klassisches Anno, also ein historisches Spiel habe sich die Community gewünscht, sagt Creative Director Dirk Riegert, "und die Industrialisierung passt gut zu der Reihe".

Das Kontor und einige Holzfäller- und Fischerhütten bilden die Basis für das Städtchen, dazu ein Marktplatz und in direkter Nachbarschaft ein Dutzend Bauernhäuser. Das dürfte erfahrenen Anno-Spielern bekannt vorkommen. Neu ist, dass die Bauern nicht mehr in einem festgelegten Umkreis von dem Markt profitieren; vielmehr richtet sich die Reichweite danach, wie weit der Fußweg von der Haustür zum Marktplatz ist. Gepflasterte Straßen erhöhen die Reichweite im Vergleich zu den gewöhnlichen Schlammwegen, weil sich die Inselbewohner darauf leichter fortbewegen können.

Neu ist auch, dass Arbeitskraft und Bewohner erstmals miteinander verknüpft sind. In früheren Anno-Spielen funktionierten Holzfäller und Bauernhäuser voneinander unabhängig. Die einen produzierten Waren und kosteten Geld, die anderen zahlten Steuern und brauchten dafür Nahrung, Aufmerksamkeit und Luxusgüter. In Anno 1800 arbeitet die Holzfällerhütte nur, wenn der Spieler eine bestimmte Anzahl an Bauern für die Arbeit abstellt.

Spieler können Schiffe und Inseln gestalten

Das wird im weiteren Spielverlauf immer kniffliger. Denn die Bauern können nur landwirtschaftliche Arbeiten erledigen. Um später zum Beispiel Werkzeuge in einer Fabrik zu produzieren, braucht es Bewohner einer höheren Bevölkerungsstufe, in diesem Fall aus der Arbeiterklasse. In den alten Anno-Spielen war es erstrebenswert, möglichst viele Untertanen möglichst weit aufsteigen zu lassen, um mehr Steuern zu kassieren. In Anno 1800 muss der Spieler mehr auf die passende Mischung achten, um seine Wirtschaft am Laufen zu halten.

"Anno 1800" im ersten Hands-on - Die Industrialisierung in Bildern

Ende des Jahres soll "Anno 1800" erscheinen. Das sind die ersten Screenshots.

Steht der erste Stadtkern, dürstet es die Bauern der Insel nach Schnaps. Auf Dauer lässt es sich von Wasser und Fisch schlecht leben. Die fürs Schnapsbrennen benötigten Kartoffelfelder kann der Spieler freihändig anordnen. In den vorigen Spielen musste er mit sperrigen, rechteckigen oder quadratischen Feldern puzzeln, um den stark begrenzten Platz der Inseln optimal auszunutzen. Anno 1800 hinterlässt den Eindruck, dass - wer will - noch viel mehr knobeln kann, um Plantagenanlagen und Produktionsketten zu optimieren. Diese versprechen noch anspruchsvoller zu werden als in den alten Anno-Spielen. Etwa, wenn die Bevölkerung nach Gulaschsuppe aus der Dose verlangt.

Umweltverschmutzung und Streiks: Anno 1800 könnte politisch werden

Einige Verbesserungsvorschläge stammen von Fans der Anno-Reihe. Blue Byte hat die Spieler von Anfang in die Entwicklung einbezogen, nachdem Anno 2070 und 2205 von vielen nicht so gut aufgenommen worden waren. Passend zum Thema setzte der Spieleentwickler die Online-Plattform "Anno Union" auf. Dort können Spieler und Entwickler-Team in einem Forum und einem Blog darüber diskutieren, wie Anno 1800 werden soll. Die Entwickler nähmen sich jede Anregung zu Herzen, betont Riegert, für sie sei das direkte Feedback motivierend.

Über Design-Wettbewerbe haben die Spieler sogar die Möglichkeit, ihre eigenen Ideen im Spiel zu verwirklichen. Sie konnten ihre Wunschinsel einreichen, als aufwändiges 3-D-Modell oder auch als simple Bleistiftzeichnung. Die Community wählte eine Siegerinsel, die im fertigen Anno 1800 zur Besiedlung bereitstehen wird. Bis zum 6. August können Spieler sich nun mit ihren Vorschlägen für ein Schiffsdesign bewerben. Die Anno Union war ein cleverer Schachzug von Blue Byte: Die Entwickler vermitteln so nicht nur glaubhaft, dass sie auf die unzufriedenen Kunden des letzten Spiels hören wollen. Sie binden die Spieler an Anno 1800: Es ist deutlich schwieriger, etwas zu kritisieren, an deren Entwicklung man beteiligt war.

Auch die Epoche ist clever gewählt. Das Zeitalter der Industrialisierung bietet viel neuen Stoff, der gut zur klassischen Anno-Spielweise passt. In welche Richtungen das gehen könnte, deutet sich in den ersten Spielstunden an: Wie beeinflussen die qualmenden Fabriken die Attraktivität der Insel? Erkämpfen sich die Arbeiter in Anno 1800 geregelte Arbeitszeiten? Inwiefern greifen die Entwickler die Kolonialzeit auf? Hier lässt sich Blue Byte noch nicht in die Karten schauen. Der genaue Erscheinungstermin ist ebenfalls noch unbekannt. Im Winter 2018 soll es so weit sein. Spieler können sich darauf freuen: Es sieht so aus, als könne die Rückkehr zu Holz, Werkzeug und Fisch gelingen.

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