Anerkennung von E-Sport:Sorry, Counter-Strike wird nicht olympisch

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Annäherung: Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach (r), unterhält sich in Lausanne mit dem amerikanischen E-Sport-Spieler Jacob (Jake) Lyon, berühmt für seine Fähigkeiten im Spiel "Overwatch". (Foto: dpa)
  • Sport und E-Sport-Funktionäre haben sich am Wochenende zum "Esports Forum" in Lausanne getroffen.
  • IOC-Präsident Thomas Bach erklärte, in seiner Amtszeit würde Computerspielen nicht mehr olympisch werden.
  • Der eSport-Bund-Deutschland (ESBD) und E-Sport-Veranstalter ESL sehen das nicht als Problem. Zuschauerzahlen und Preisgelder wachsen auch ohne Anerkennung durch die traditionellen Sportverbände.

Von Caspar von Au

Kurzzeitig sah es danach aus, als würden möglicherweise bei den übernächsten Olympischen Sommerspielen in Paris 2024 zum ersten Mal Computerspieler um Medaillen kämpfen. Bei den Asienspielen 2022 wird E-Sport erstmals als offizielle Disziplin dazugehören. Und auch das Organisationskomitee von Olympia in Frankreich hatte sich offen gezeigt, die Disziplin ins Programm aufzunehmen. Doch diesem Plan hat nun Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), eine Absage erteilt. Darüber solle sein Nachfolger entscheiden. Bach könnte 2021 für weitere vier Jahre wiedergewählt werden. Das würde bedeuten, dass professionelle Computerspiele frühestens 2028 in Los Angeles olympisch werden könnten.

Im schweizerischen Lausanne hatten sich am Wochenende Funktionäre aus Sport und E-Sport getroffen und ausgetauscht. Auf einer Pressekonferenz sagte Bach: "Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir eine Reihe von offenen Fragen beantwortet haben. Bis dahin macht es keinen Sinn, über die Aufnahme ins olympische Programm zu sprechen."

E-Sport und Sport auf Augenhöhe

Das sei natürlich erst einmal "ein Schuss vor den Bug" der E-Sport-Szene gewesen, sagt Ingo Froböse, der an der Sporthochschule Köln seit Jahren zu der Annäherung von traditionellem Sport und E-Sport forscht. Dennoch bewertet er das Ergebnis der Konferenz positiv: "Ich finde es gut, dass man sich an einen Tisch gesetzt hat."

Die zentrale Frage lautet aber ohnehin: Ist der E-Sport überhaupt auf die Anerkennung durch das IOC angewiesen wie andere Sportarten?

"Wahrscheinlich braucht weder Olympia den E-Sport, noch der E-Sport Olympia", sagt Ralf Reichert, Chef des E-Sport-Veranstalters ESL und fügt hinzu: "Aber Computerspiele sind das Medium, das es am besten versteht, Wettbewerber aus aller Welt gegeneinander antreten zu lassen und so zu vereinen" - und das mit wenigen Klicks. Trotzdem sei er nicht vom Ergebnis des Forums enttäuscht. Auch Hans Jagnow, Präsident des eSport-Bund-Deutschland (ESBD), lobt das Treffen als "Ice Breaker". Man sei sich auf Augenhöhe begegnet und habe sich besser kennengelernt. "Das ist das, was das Forum bewirken wollte und was es geschafft hat." Es sei in Lausanne nicht vordergründig um die Frage gegangen, ob E-Sport olympisch werden soll oder nicht, beteuern Jagnow und Reihert unisono.

Im E-Sport bekämpfen sich nicht Spieler, sondern Spielfiguren

Das werde nach Froböses Auffassung so oder so eintreten. Der E-Sport sei mittlerweile omnipräsent, es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich beide Seiten einander angenähert haben. Das dauert aber noch. Momentan sind zu viele wichtige Organe wie der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) dagegen, E-Sport als gleichwertige Sportart anzuerkennen.

Bei einem sind sich Bach, Jagnow und Reichert einig: Dass es nicht sinnvoll sei, die Dinge zu überstürzen und Computerspiele möglichst schnell zu einer olympischen Disziplin zu machen. Beide Seiten müssten gründlich abwägen, ob sie zueinander passen. Die größten Bedenken, die der IOC-Präsident hat, betreffen die Inhalte der Spiele: "Wir haben eine rote Linie, wenn es um eine Aktivität geht, bei der es um die Verherrlichung von Gewalt oder Diskriminierung geht. Die kann nicht überschritten werden. Da sind wir uns absolut klar." Schon in der Vergangenheit hatte Bach deutlich gemacht, dass er sich zwar Sportspiele wie "Fifa" bei Olympia vorstellen könne. Aber eben keine Spiele wie "Counter-Strike" oder "League of Legends", in denen die Spieler andere Spieler virtuell umbrächten.

Das sei aber ein "Missverständnis", sagt ESBD-Präsident Jagnow, das der E-Sport noch besser aus dem Weg räumen müsse. "In Counter-Strike schießen nicht die Spieler aufeinander, sondern die Spielfiguren", so seine Interpretation. Aus sporttheoretischer Sicht gebe es keine Unterschiede zwischen Fifa oder Counter-Strike, sondern allein in der medialen Darstellung. Genau wie andere Sportler auch reichten sich Gamer nach dem Match friedlich die Hand. Sportwissenschaftler Froböse sieht Fifa und vergleichbare Spiele als "softeren Weg, der am ehesten in der Gesellschaft verständlich ist", um die Idee des E-Sports zu vermitteln. "Erstmal müssen die klassischen Sportarten das Feld besäen, bevor man Counter-Strike angeht."

Aus medialer Sicht benötigt der E-Sport die Anerkennung des IOC nicht. Im Gegensatz zu Sportarten wie Ringen oder Judo, die nur alle vier Jahre während der Olympischen Sommerspiele im Rampenlicht stehen, ist der E-Sport nicht auf die Riesen-Veranstaltung angewiesen. Er hat ständig seine eigenen Events, mit eigener medialer Infrastruktur und Millionen von Zuschauern, die Turniere und Wettkämpfe in Livestreams auf Twitch, Youtube oder Facebook verfolgen. Die Zuschauerzahlen wachsen stetig, laut einer Studie der Marketingagentur Wavemaker ist nur Fußball in Deutschland noch beliebter. Fast jeder Dritte zwischen 16 und 39 schaut E-Sport über das Internet. Wer könnte also von wem profitieren? Traditioneller Sport vom modernen E-Sport oder umgekehrt?

Jagnow und Reichert geben sich diplomatisch; sie sehen Vorteile für beide Seiten, auch für den E-Sport: "Wir können noch viel lernen, über Strukturen und über das Wertesystem der Olympischen Spiele", sagt Jagnow. "In der Praxis fehlt mir noch eine gemeinsame Vision der E-Sport-Bewegung, eine Philosophie."

Kein Kopieren um jeden Preis

Froböse ist anderer Meinung: "Der traditionelle Sport würde viel mehr von der Jugendkultur profitieren als umgekehrt." Während in Deutschland so getan werde, als sei E-Sport nur ein Randphänomen, spiele er weltweit eine viel wichtigere Rolle. Im Nachbarland Frankreich habe man das erkannt. Dort ist Pro-Gamer bereits ein anerkannter Beruf. Will das IOC langfristig nicht wichtige Sponsoren verlieren, die sich sonst auf den digitalen Markt konzentrieren, führt am E-Sport kein Weg vorbei.

Allerdings: "Der E-Sport muss seine Hausaufgaben noch machen", sagt Froböse. Um als Sportart anerkannt zu werden, müsse der E-Sport die Rahmenbedingungen erfüllen: Verbandsstrukturen schaffen, Doping-Analytik zulassen und die Frage nach der Abhängigkeit von Spiele-Publishern klären. Er glaubt, dass der E-Sport möglicherweise doch schon in Paris 2024 vertreten sein wird - zumindest als Neben-Event, ähnlich wie bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang dieses Jahr. Ein ausgegliedertes E-Sport-Turnier neben den offiziellen Spielen hält ESL-Chef Reichert für eine sinnvolle Alternative: "Wir müssen nicht alle Strukturen des klassischen Sports kopieren." Der E-Sport tut also zumindest so, als müsse er nicht um jeden Preis um die Aufmerksamkeit des IOC buhlen. Die Botschaft: Als Olympioniken sehen sich die Gamer so oder so.

Mit Material des SID.

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