AMP:Warum Google-Suchergebnisse auf Handys jetzt anders aussehen

Smartphones in Indien

Viele Menschen surfen unterwegs. Auf manche Webseiten greift bereits die Mehrzahl der Nutzer über Handys zu

(Foto: Piyal Adhikary/dpa)
  • Google startet das Projekt AMP: Mobile Webseiten laden nun blitzschnell.
  • Das Unternehmen handelt aus einem Zwang heraus. Konkurrenten wie Facebook und Apple bieten ähnliche Produkte.
  • AMP basiert auf dem quelloffenen HTML. Dadurch können alle teilnehmen. Jedoch sind die Hürden hoch - und könnten sich negativ auswirken.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Malte Ubl zuckt zu Beginn des Treffens mit den Schultern. In der einen Hand eine Bierflasche, in der anderen ein Stück Pizza. Informelles Zusammenkommen bei einem New Yorker Medien-Start-Up im Soho-Viertel, entsprechend lockerer Ton, lässige Outfits. 50 Menschen sind gekommen, größtenteils Webseiten-Entwickler. Ubl arbeitet für Google. Er kümmert sich um die technische Umsetzung eines Projektes, das im Eiltempo, also innerhalb weniger Monate, entwickelt wurde und an diesem Mittwoch starten wird.

Es heißt "accelerated mobile pages" (AMP), übersetzt: beschleunigte Mobilseiten. Das Schulterzucken soll signalisieren: Wer weiß schon, wie es von den Menschen angenommen wird? Google versucht es einfach.

"Es war schlicht fürchterlich, mit dem Smartphone zu surfen"

Das Ziel von AMP: Wer mit dem Smartphone im Netz unterwegs ist, dessen Wartezeiten während des Surfens sollen sich auf Millisekunden reduzieren, unter die Wahrnehmungsgrenze also. Webseiten, die im Jahr 2010 noch keinen Megabyte groß waren, kommen mittlerweile auf 2,3 Megabyte. Der Aufbau dauert mehrere Sekunden. Oftmals aufgrund von Werbung. Zeit, die Menschen nicht länger gewillt sind, zu investieren, wie Google-Sprecher gerne betonen. "Es war schlicht fürchterlich, mit dem Smartphone zu surfen. Jetzt macht es Spaß", sagt Ubl.

In den vergangenen sechs Monaten hat das Unternehmen nach Absprache mit großen Verlagshäusern und sozialen Netzwerken das AMP-Konzept umgesetzt. BBC, Guardian, New York Times, FAZ oder Zeit Online nehmen etwa teil, ebenso Twitter und das Karriere-Netzwerk Linkedin. Jeder kann, technisch aufgerüstet, mitmachen. Der Konzern hat sich dazu entschieden, HTML zu verwenden, eine der populärsten Sprachen, mit denen Webseiten aufgebaut werden. Es gibt jedoch einen Clou: Wie das HTML auszusehen hat, bestimmt Google.

Alles, was nach dem Klick sichtbar sein soll, wird sofort geladen, der Rest später

Wer mit dem Smartphone auf Google eine Nachricht sucht, dem wird ab sofort eine horizontale Leiste zum Suchbegriff präsentiert: Das sind die mit AMP beschleunigten Seiten - etwa Artikel vom Guardian oder der New York Times. Um Geschwindigkeit zu gewinnen, musste Google "schummeln", wie es Ubl nennt. Die Seiten werden sofort geladen, aber nur jene Teile, die direkt nach dem Klick sichtbar sein müssen. Dadurch bleibt die Datenmenge niedrig. Wird die Seite geöffnet, lädt der Rest unbemerkt nach.

Dass Geschwindigkeit ein zentrales Argument ist, haben Plattformen wie Facebook mit Instant Articles, der direkten Einbindung von Artikeln, und Apple mit der News-App bereits vor Monaten demonstriert. Auch diese Angebote laden in Millisekunden. Der Unterschied: Apple und Facebook ziehen Zäune hoch. Sie entwickeln Produkte nur für sich selbst.

Bei Google ist das anders - zumindest auf den ersten Blick. Wer sich anschaut, wie die Medienhäuser auf die unterschiedlichen Angebote reagieren, erkennt schnell, dass Google diesen Vergleich gewinnt. Doch das Unternehmen verdient den Großteil des Geldes über Werbung. In Zukunft sollen vermehrt Smartphones für die Einnahmen verantwortlich sein. Google war zu einem Schritt in diese Richtung gezwungen.

AMP setzt Medien unter Druck

Ubl ist 35 Jahre alt, in Deutschland geboren und arbeitet seit 2010 bei Google. Er ist zum zweiten Mal wegen dieser Fragenrunde nach New York gereist. Seit Monaten diskutiert er das Feedback in Youtube-Erklärvideos, Blogbeiträgen und in Fragerunden. Da HTML quelloffen ist, auch die AMP-Variante, können Programmierer die technischen Überlegungen von Ubl und seinem Team nachvollziehen.

"Wir hatten uns entschieden, das Zoomen auf Webseiten nicht zu erlauben. Wir wurden darauf hingewiesen, dass das in Sachen Barrierefreiheit nicht clever ist", sagt Ubl. Menschen mit Sehschwäche sollen in der Lage sein, Webseiten auf die nötige Schriftgröße einzustellen. "Genau auf diese Art von Feedback hatten wir gehofft".

Wenig Raum für spannende Geschichten

Was bedeutet der schnelle Aufbau einer Seite für Medien? "Google will ein wichtiges Problem lösen", sagt Rich Harris. Er arbeitet für den Guardian und betont, dass es sich um seine persönliche Sichtweise handelt: "Aber AMP lässt wenig Raum, Geschichten spannend zu erzählen." So dürfen Programmierer die Sprache Java-Script nicht verwenden.

Aus Performance-Gründen, wie es von Google heißt. "Das ist so, als ob dir jemand verspricht, deine Zeitung schneller auszuliefern, aber nur dann, wenn du im Text bestimmte Absätze verwendest", sagt Harris. Das Unternehmen behindere kreative Erzählformen, die über reinen Text und etablierte Modelle hinausgingen. Ubl kennt den Vorwurf. Seine Antwort: Es gebe zwar eine Lösung, aber diese sei erst langfristig umsetzbar.

Niemand sei dazu gezwungen, AMP-Seiten zu bauen, heißt es von Google. Das Projekt werde bei der Suche nicht bevorzugt behandelt. Google entscheidet anhand von 200 Faktoren, an welcher Stelle ein Suchergebnis angezeigt wird. Ein Faktor: Geschwindigkeit. Klassische Webseiten brauchen Sekunden. Wie sich dies bei der Suche auf Nicht-AMP-Seiten auswirken wird, ist also klar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: