Amerikanische Handelskommission:Google soll Suchergebnisse bewusst verfälscht haben

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Google hat in Deutschland einen Marktanteil von fast 95 Prozent. Ein Grund zur Sorge?

(Foto: dpa)
  • Die amerikanische Handelskommission hat versehentlich ein 160-seitiges Gutachten aus dem Jahr 2012 herausgegeben. Es besagt, dass Google sein Monopol ausgenutzt und Suchergebnisse verfälscht haben soll.
  • Die US-Behörde stand deshalb kurz davor, Google zu verklagen, sah schließlich aber davon ab und stellte das laufende Kartellverfahren Anfang 2013 ein.
  • Google selbst hält die Vorwürfe für substanzlos.
  • Die Inhalte des Gutachtens könnten das aktuelle Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission beeinflussen.

Von Simon Hurtz

Google hat seine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt, eigene Angebote bevorzugt und der Konkurrenz damit massiv geschadet. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung der amerikanischen Handelskommission (FTC) im Jahre 2012. Trotzdem wurde das damals laufende Kartellverfahren Anfang 2013 eingestellt.

Der 160-seitige Bericht wurde am Donnerstag versehentlich in einer unredigierten Fassung heausgegeben und liegt dem Wall Street Journal vor. Demnach haben Gutachter der FTC vier unterschiedliche Vorwürfe untersucht und sind in drei Fällen zum Schluss gekommen, dass Google seine Dominanz wettbewerbswidrig ausnutzt. Die Praktiken würden Nutzer benachteiligen und seien eine Bedrohung für die Innovation im Bereich der Internet-Suche. Folglich legten die Gutachter der FTC nahe, Google zu verklagen.

Normalerweise folgt die FTC solchen Empfehlungen, in diesem Fall lag jedoch ein weiterer Bericht vor. Der zeitgleich ermittelnde Wirtschaftsausschuss hatte der Handelskommission von rechtlichen Schritten abgeraten, außerdem sei Google der FTC in vielen Punkten entgegengekommen und habe Kritikpunkte von sich aus beseitigt. Deshalb verzichtete die FTC auf eine Klage und legte das Kartellverfahren wenig später endgültig ad acta. Die Entscheidung sei jedoch knapp ausgefallen und es habe auch Stimmen innerhalb der Handelskommission gegeben, die Google verklagen wollten, heißt es in dem Bericht.

Das sind die vier Vorwürfe der Gutachter:

1. Google bevorzugt eigene Dienste

Die Gutachter waren der Meinung, dass Google eigene Produkte wie die Flugsuche oder den Produktvergleich gegenüber vergleichbaren Angeboten bevorzuge. Konkurrenten würden mitunter bessere Ergebnisse liefern und öfter geklickt, müssten nach den Kriterien des Google-Algorithmus also eigentlich prominenter angezeigt werden. Trotzdem würden Google-Dienste bei entsprechenden Suchanfragen ganz oben rangieren. Damit habe Google etlichen Wettbewerbern geschadet.

2. Google bedient sich bei der Konkurrenz

Google wollte Inhalte von Unternehmen wie Yelp, Tripadvisor und Amazon in seiner eigenen Suche darstellen. Um Zugriff auf die Inhalte der Konkurrenten zu erhalten, habe Google diese unter Druck gesetzt und gedroht, deren Seiten aus dem Suchindex zu entfernen. Bei drei Mitgliedern der fünfköpfigen Handelskommission löste Googles Verhalten "starke Bedenken" aus, woraufhin Google den betroffenen Konkurrenten Zugeständnisse machte.

3. Google gängelt Anzeigenkunden

Wenn Unternehmen parallel bei Google und anderen Suchanbietern Anzeigen schalten wollten, erhöhte Google die Werbepreise. Das habe den betroffenen Unternehmen und Googles Konkurrenten geschadet. Angeblich wollte Google selbst damit aufhören, CEO Larry Page habe das jedoch verhindert. Zwei der fünf FTC-Mitglieder teilten die Ansicht der Gutachter, 2013 änderte Google schließlich von sich aus diese Praxis.

4. Google hält andere Suchanbieter klein

Webseiten, die mit konkurrierenden Suchmaschinen kooperierten, seien von Google abgestraft worden. Microsoft Bing oder Yahoo sei es dadurch erschwert worden, zu ernsthaften Wettbewerben von Google aufzusteigen - ein Verstoß gegen das Kartellrecht, so die Ansicht der Gutachter.

Googles Reaktion und die Auswirkungen auf Europa

Der Bericht legt außerdem nahe, dass der Marktanteil von Google in Amerika lange Zeit zu niedrig eingeschätzt worden sei. Während die Analysten von Comscore einen Wert von 65 Prozent ermittelten, ging Google selbst von 69 bis 84 Prozent aus. "Aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive bin ich froh, dass Comscore unseren Anteil unterschätzt hat", soll Googles Chefökonom dazu gesagt haben.

Google selbst sieht in den Untersuchungsergebnissen keinen Anlass für Aufregung. Ein Sprecher sagte Süddeutsche.de, dass der nun veröffentlichte Bericht lediglich die Meinung einzelner Gutachter wiedergebe, die FTC selbst jedoch zu einem anderen Schluss gekommen sei und keine juristischen Schritte eingeleitet habe.

Alles halb so wild, sagt Google

Das betont auch Googles Chefjustiziar Kent Walker: "Nach einer umfassenden Untersuchung waren sich die FTC und alle fünf FTC Kommissionsmitglieder einig: Es besteht keinerlei Notwendigkeit einer Änderung, wie wir unsere Suchergebnisse anzeigen." Spekulationen über einen Schaden für Verbraucher und Wettbewerber hätten sich als komplett falsch erwiesen.

Im Gegenteil, Googles Konkurrenten seien überaus erfolgreich: "Yelp verzeichnet ein Umsatzwachstum von über 350 Prozent in den letzten vier Jahren. Tripadvisor hat den Umsatz in den letzten 4 Jahren nahezu verdoppelt." Yelp beurteilt das offensichtlich etwas anders: "Dieses Dokument zeigt anscheinend, dass die FTC unmittelbare Belege dafür hatte, dass Google absichtlich Suchergebnisse verfälscht", sagte ein Sprecher dem Wall Street Journal.

Auch in Europa läuft ein Wettbewerbsverfahren

Das Gutachten könnte auch Auswirkungen auf Europa haben. Seit 2010 läuft ein Kartellverfahren der EU-Kommission, das sich um ähnliche Punkte dreht: Google Shopping für Einkäufe und Google Flights für Flugreisen würden prominenter platziert als vergleichbare Dienste von Konkurrenten, so der Vorwurf der europäischen Wettbewerbshüter. Insbesondere in Deutschland hatten Politiker und Verleger mehrfach und lautstark gefordert, Google stärker zu regulieren oder sogar zu zerschlagen.

Solch radikalen Forderungen steht die zuständige Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eher skeptisch gegenüber. Sie hatte das Verfahren Ende 2014 von ihrem Vorgänger Joaquin Almunia übernommen und "nimmt sich nun die notwendige Zeit, um die Akten zu aktualisieren und sich eine eigene Meinung zu bilden", sagte ein Sprecher der Kommission.

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