Süddeutsche Zeitung

Amazons Kindle Fire kommt nach Deutschland:Ein Internetkonzern wird zum Verleger

Amazon bringt den beliebten Tablet-Computer Kindle Fire nach Deutschland. Damit erhöht das Unternehmen auch hierzulande den Druck auf die Verlage. Denn hinter den Kulissen übt sich Amazon im Verlagsgeschäft und schafft es, sich als Vorkämpfer für einen freien Markt zu inszenieren.

Moritz Koch, New York und Varinia Bernau

Gewiss, sie sind groß, die USA. Aber für Amazon nicht groß genug. Ein knappes Jahr, nachdem der Internetkonzern mit dem Kindle Fire in seiner Heimat eine Alternative zu Apples iPad vorgelegt hat, bringt er das Gerät auch in die deutschen Läden. Auf dem flachen Computer lassen sich nicht mehr nur Bücher lesen. Es taugt auch dazu, Filme zu schauen, zu spielen - oder sich einen Platz im ICE zu reservieren. Das Gerät soll vom 25. Oktober an ausgeliefert werden und dann auch in einzelnen Elektrofachmärkten erhältlich sein. Auch sein klassisches Lesegerät für digitale Bücher hat Amazon ein wenig aufgehübscht. Und vor allem: noch billiger gemacht.

Das Kindle Fire kommt in drei Varianten nach Deutschland. Kosten werden die Geräte zwischen 159 und 249 Euro - und damit sind sie um mehr als die Hälfte billiger als Apples iPad. Zwar gibt es in dieser Preisklasse auch bisher schon Tablets wie etwa von Google, HTC oder Samsung. In einem Punkt aber ist Amazons Kindle Fire den anderen Geräten überlegen: Der Laden für Bücher und Musik, Filme und Spiele ist mit nur einem Klick erreichbar. Damit will Amazon Geschäfte machen.

Nicht beim Verkauf der Geräte wolle Amazon Geld verdienen, sagt Konzernchef Jeff Bezos, sondern wenn Kunden sie nutzten. Anders als die meisten Hersteller, die ihre Geräte über Googles mobiles Betriebssystem Android laufen lassen, hat Amazon bei seinem Tablet auf eine Eigenentwicklungen gesetzt, die lediglich auf Android basiert. Wer sich also eine App aufs Kindle Fire laden möchte, der kann dies nur in Amazons virtuellem Laden tun - und nicht in dem von Google. Folglich fließt ein Drittel dessen, was dafür zu zahlen ist, auch an Amazon - und nicht an Google. Aus seiner virtuellen Videothek namens Lovefilm stellt Amazon mehrere tausend Filme und Serien fürs Tablet bereit. Hinzu kommen gut 20 Millionen Musiktitel sowie etwa eine Million Bücher, 110 000 davon in deutscher Sprache.

Amazon strebt nach absoluter Macht. Vor allem dort, wo für das Unternehmen alles begann: auf dem Büchermarkt. Darum wirft Amazon das Kindle so billig auf den Markt. Die Expansion ist zunächst ein Verlustgeschäft - und doch auf lange Sicht lukrativ. Haben sich die Leser erstmal an E-Books gewöhnt, werden sie nicht mehr davon wegkommen, so das Kalkül, das sich in den USA bereits aufgegangen ist. Statt im Buchladen um die Ecke, stöbern die Amerikaner auf den Web-Seiten von Amazon. Große Buchhandlungen sind pleite, nur die Kette Barnes & Noble hält sich noch.

Aamazon verkauft E-Books zu Dumpingpreisen

Zunächst schien Amazon ein Segen für die amerikanischen Verlage zu sein. Der Online-Vertrieb versprach, den Markt insgesamt zu vergrößern. Doch bald ging das Unternehmen dazu über, E-Books zu Dumpingpreisen zu verscherbeln - auf Kosten des klassischen Buchgeschäfts. Die Verlage erkannten die Gefahr und verbündeten sich mit Apple, das 2010 mit dem iPad auf den Markt für E-Books drängte.

Faktisch einigte man sich auf ein Modell der Buchpreisbindung: Die Verlage bestimmen die Preise, und als Vermittler erhält Apple 30 Prozent. Amazons E-Book-Monopol geriet ins Wanken. Doch der Konzern mit Sitz in Seattle fand freundliche Helfer in Washington. Das Justizministerium ging gegen Apple und die Verleger vor. Der Vorwurf: illegale Preisabsprachen. Nur zwei Verlage wollen es auf einen Prozess ankommen lassen, die anderen drei ließen sich auf einen Vergleich ein, der nun von einem Gericht bestätigt wurde.

Digitaler Buchmarkt in Deutschland noch klein

In Deutschland befindet sich die Digitalisierung des Lesens noch in den Anfängen. E-Books haben bisher einen Marktanteil von einem Prozent, 15 sind es in den USA. Doch das Angebot wächst. Nicht zuletzt weil Amazon das Sortiment fleißig aufstockt. Was für die Verlage besonders bedrohlich ist: Amazon will sich nicht mit seiner Rolle als Zwischenhändler nicht zufrieden geben. Der Konzern will selbst Verleger werden. Er bietet eine Software an, mit der Autoren ihre eigenen E-Books auf den Markt bringen können, und er bringt ausgewählte Titel in einer konzerneigenen Verlagssparte heraus.

Einzig die Buchpreisbindung steht Amazon noch im Weg. Doch auch in Europa gelingt es dem Monopolisten, sich als Vorkämpfer für den Wettbewerb zu gerieren. Die EU-Kommission hat Einwände gegen ein Gesetz erhoben, mit dem Frankreich die Preisbindung für E-Books festgeschrieben hat. Kippt es, hätte dies Auswirkungen auf ganz Europa. Nicht nur Washington, auch Brüssel spielt Amazon in die Hände.

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Quelle:
SZ vom 08.09.2012/pauk
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