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Amazons E-Book-Reader im Test:Das kann der 99-Euro-Kindle

Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft lockt Amazon die Kunden mit einem Schnäppchen-Kindle: Für 99 Euro muss der Nutzer auf Tastatur, Mobilfunk und Vorlesefunktion verzichten - doch das abgespeckte Gerät überzeugt auf andere Weise.

Johannes Kuhn

Fast vier Jahre hatte es gedauert bis Amazon seinen E-Book-Reader im nach Deutschland brachte: Erst seit Frühjahr ist der Kindle hierzulande erhältlich, nun legt Amazon mit einer neuen Variante nach.

Ein Kampfpreis von 99 Euro soll deutsche Kunden davon überzeugen, sich den E-Book-Reader zuzulegen - und damit digitale Bücher exklusiv bei Amazon herunterzuladen.

Um möglichst viele Neukunden zu werben, nimmt der Online-Händler in Kauf, die Geräte unter dem Herstellungspreis zu verkaufen. Nutzer erhalten für den Preis ihrerseits einen Kindle, der sich auf die grundlegendsten Funktionen beschränkt.

Anders als das teurere Vorgängermodell besitzt der 99-Euro-Kindle beispielsweise keine Tastatur. Wer etwas eingeben möchte, muss sich mit einem kleinen Steuerkreuz die entsprechenden Buchstaben auf dem Bildschirm anwählen. Das ist oft recht mühsam, zum Beispiel bei der Erstellung von Anmerkungen.

Beim digitalen Einkauf reicht die Buchstaben-Auswahl allerdings aus, da der Kindle-Shop über eine ordentliche Suchfunktion verfügt, die meist das gewünschte Werk schon nach wenigen Buchstaben vorschlägt. Im Shop und den Menüs des Geräts finden sich Nutzer nun auch auf Deutsch zurecht - Amazon hat sich endlich einen Übersetzer geleistet.

50.000 deutsche E-Books

Weil der neue Kindle nur eine rudimentäre Browserfunktion besitzt, sind einige Steuerelemente des Vorgängers wie das Scrollrad überflüssig. Buchseiten lassen sich über vier Seitenknöpfe hin- und herblättern, in Menüs navigiert der Nutzer mit dem Steuerkreuz. Da das Gerät keinen Audioanschluss hat, fällt die Vorlesefunktion weg.

Der Download von Büchern über UMTS ist nicht möglich, hier ist der Nutzer auf einen Wlan-Zugang angewiesen. Für Updates muss das Gerät sogar an den Computer angeschlossen werden, der Vorgang selbst erfolgt manuell.

Doch Amazon hat beim neuen Kindle nicht nur Funktionen eingespart, sondern auch einige Verbesserungen vorgenommen: Das sechs Zoll große E-Ink-Display ist kontrastreicher als das des Vorgängers, die Seiten erscheinen nach dem Umblättern etwas schneller. Das Schrumpfen der Speicherkapazität von vier auf zwei Gigabyte hat das Gerät leichter werden lassen, mit 170 Gramm kann es bequem in einer Hand gehalten werden.

Der Gewichtsverlust hat allerdings noch eine andere Konsequenz: Der Akku hält nicht mehr so lange wie beim Vorgängergerät, aber vollgeladen immerhin einige Wochen. Das Gerät lässt sich in der Grundausstattung allerdings nur per USB-Anschluss aufladen. Wer seinen E-Book-Reader an die Steckdose anschließen möchte, braucht hierfür einen zusätzlichen Adapter.

Derzeit sind etwa 940.000 digitale Bücher herunterladbar, wobei der deutschsprachige Anteil mit 50.000 noch vergleichsweise gering ist. Die aktuellen Bestseller sind jedoch inzwischen fast alle bei Amazon erhätlich.

Ärgerlich für Nutzer: Der Kindle unterstützt das offene Epub-Format nicht, das inzwischen viele Bibliotheken nutzen. Werke jenseits des Amazon-Universums können generell nur mit großer Mühe umgewandelt und ins System geschmuggelt werden.

Selbst das PDF-Format, das der Kindle eigentlich anzeigen kann, wird dabei auf dem Bildschirm fast unleserlich dargestellt. Immerhin lassen sich Texte aus Word-Dateianhängen per E-Mail importieren, wer lange Artikel von Webseiten auf sein Gerät bringen möchte, findet hierfür zahlreiche Mini-Programme im Web.

Fazit:

Für den relativ niedrigen Preis hat Amazon ein gutes Gerät auf den Markt gebracht. Die Steuerung ist etwas gewöhnungsbedürftig und für ältere Menschen schwierig zu handhaben.

Wie bei Apple muss der Käufer wissen, dass er sich mit dem 99-Euro-Kindle in die abgeschlossene Amazon-Welt begibt, die ihn vorerst an die E-Book-Angebote des Herstellers binden. Wer sich derzeit ein digitales Lesegerät kaufen möchte, sollte seinen Wunsch-Reader auf jeden Fall ausgiebig testen und auch Alternativen von anderen Unternehmen wie Thalia oder Hugendubel ausprobieren.

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