Auch deutsche E-Mail-Anbieter wollen von dem Überwachungsskandal profitieren. Vergangene Woche verkündete eine Allianz deutscher E-Mail-Anbieter, dass zahlreiche Dienste aus Deutschland wie Deutsche Telekom, GMX und Web.de ab 2014 verschlüsselt untereinander kommunizieren wollen. Die dazu genutzte Technik sollte laut Sicherheitsexperten aber schon lange Standard sein. Ein Test der Computerzeitschrift c't offenbarte jüngst außerdem, dass die betreffenden Anbieter noch heute eine seit Jahren bekannte Sicherheitsfunktion nicht nutzen.
Ein E-Mail-Anbieter, der im c't-Test dagegen gelobt wurde, ist Posteo. Posteo setzt auf eine Übertragung der E-Mails mittels SSL in Kombination mit einem Standard namens Perfect Forward Secrecy*. Die E-Mails liegen nach Angaben des Betreibers auf verschlüsselten Festplatten. Künftig will Posteo eine komplette Verschlüsselung der E-Mail-Inhalte erleichtern, wenn der Nutzer den Dienst via Website nutzt - eine sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
Auch Posteo hat Auftrieb seit der Aufdeckung der Internetüberwachung und übersetzt zur Zeit die Firmenwebseite ins Englische. Der Dienst, der ohne persönliche Daten bei der Anmeldung arbeitet, betont schon lange auf Datenschutz der Nutzer wert zu legen. "Seit Beginn der Prism-Berichterstattung konnten wir die Zahl der Postfächer auf 18.000 verdoppeln", sagt Gründer und Chef Patrick Löhr. Wie viele Kunden sich hinter den Postfächern verbergen, kann Löhr nicht sagen, weil der Provider bewusst auf die Speicherung solcher Daten verzichtet.
Per Bargeld, Paypal oder Überweisung werden die Postfächer bezahlt - zusammen mit einem Code, der gelöscht wird, sobald das Geld eingetroffen ist. Ein Postfach mit 2 Gigabyte Speicher kostet einen Euro im Monat - dafür ist es werbefrei, die Server werden mit Ökostrom von Greenpeace Energy betrieben und es gibt kostenlosen E-Mail-Support*. Behörden haben laut Löhr bislang noch nicht nach E-Mails gefragt - sollte das aber passieren, ist auch dieser Dienst gezwungen sich an das Gesetz zu halten und Auskunft zu geben. Wer auf Nummer sicher gehen will, muss daher seine E-Mails mit Werkzeugen wie GnuPG oder S/Mime verschlüsseln - mit einem Schlüssel, auf den nur er Zugriff hat.
Prism soll US-Cloud-Anbieter 22 bis 35 Milliarden Dollar kosten
Der Überwachungsskandal hat aber abgesehen von Kleinstanbietern wie Posteo auch wirtschaftliche Auswirkungen von ganz anderen Dimensionen. Zahlreiche Unternehmen außerhalb der USA scheinen sich derzeit von US-Anbietern abzuwenden.
Laut einer Umfrage der Cloud Security Alliance (CSA) unter ihren Mitgliedern, würden mehr als die Hälfte der nicht in den USA ansässigen Firmen nach der Aufdeckung der Überwachungsprogramme nun "weniger wahrscheinlich" einen Anbieter in den Vereinigten Staaten für ihre Cloud-Dienste wählen. Zehn Prozent haben demnach ihrem US-Anbieter bereits gekündigt. Der IT-Berater Gartner bezeichnete das US-Überwachungsprogramm in einem Blog-Artikel bereits ironisch als "Konjunkturspritze der USA für Cloud Computing in der EU".
Die US-Cloud-Anbieter wie Google, Microsoft und Amazon werden nach Schätzung des US-Thinktanks ITIF (Information Technology and Innovation Foundation) in den kommenden drei Jahren 22 bis 35 Milliarden US-Dollar durch den Überwachungsskandal verlieren. Ein Amazon-Sprecher sagte auf Anfrage, dass die Nachfrage nach den Amazon-Webdiensten AWS weltweit noch nie so hoch war wie heute - inklusive Europa und Asien. Ein Cloud-Anbieter mit Servern ausschließlich in Deutschland ist beispielsweise Aoterra.
Zumindest bei dem britischen Überwachungsprogramm namens Tempora, das vom britischen Geheimdienst GCHQ durchgeführt wird, soll es nach Informationen des Guardians auch um Wirtschaftsspionage gehen.
Ein europäisches Unternehmen das bereits heute profitiert, ist der Schweizer Onlinespeicher-Dienst Wuala. Die Dropbox-Alternative bietet Geschäfts- wie Privatkunden einen verschlüsselten Online-Speicher an. Wuala betont dabei das Sicherheitskonzept des Systems. Die Daten werden direkt auf dem Computer des Nutzers verschlüsselt, sodass auch das Unternehmen selbst keinen Zugriff auf die online abgelegten Dateien hat.