Digitale Assistenten Alexa, Siri & Co.:"Hey Google, wer hört uns noch zu?"

Mikro aus, Töne an: Persönlichkeitsrechte bei Alexa und Co wahren

"Alexa" aktiviert das Mikrofon in Amazons Echo-Geräten. Manchmal verhört sich der Sprachassistent - und zeichnet die Umgebungsgeräusche auf, ohne dass Nutzer es mitbekommen.

(Foto: dpa-tmn)
  • Tausende Mitarbeiter hören und transkribieren, was Nutzer mit Sprachassistenten wie Alexa und dem Google Assistant besprechen.
  • Die Unternehmen spionieren ihre Nutzer aber nicht bewusst aus.
  • Dennoch verdienen sie Kritik: Sie verweigern klare Auskünfte und beschwichtigen, statt aufzuklären.

Von Simon Hurtz

Es gibt nur wenige Fragen, auf die der Google Assistant keine Antwort weiß. Der Sprachassistent steckt in Smartphones, smarten Lautsprechern und Smart-Displays und kann auf alle Informationen zugreifen, die Google im Netz zusammengeklaubt hat. Der Suchindex umfasst Milliarden Seiten und ist mehr als 100 Millionen Gigabyte groß. Doch bei einem Thema wird der Google Assistant schmallippig: bei Google.

Dabei ist die Frage ganz einfach: "Hey Google, wie viele Menschen hören mir zu?" Die Frauenstimme antwortet: "Tut mir leid, da kann ich noch nicht weiterhelfen." Bedauerlich, denn die Antwort interessiert viele Menschen. Kürzlich gab eine Recherche des flämischen Rundfunks VRT einen Hinweis. Jemand spielte dem Sender Audioaufnahmen zu: Aufzeichnungen, die der Google Assistant von seinen Nutzern gespeichert hatte. Der Whistleblower arbeitet bei einem externen Dienstleister. Dort hört er die Mitschnitte ab, kategorisiert sie und fertigt Abschriften an. Weltweit sollen Tausende weitere Menschen dafür zuständig sein.

Das passt zu einer Recherche der Nachrichtenagentur Bloomberg. Demnach setzt auch Amazon auf menschliche Korrekturhörer: Tausende Mitarbeiter bekommen zu hören, was Amazons Sprachassistent Alexa aufzeichnet. Beide Berichte lösten heftige Reaktionen aus. Verbraucherschützer empörten sich, Datenschützer kündigten Untersuchungen an, Medien überboten sich mit Schlagzeilen: "Wanzen im Wohnzimmer", "Spione im Schlafzimmer".

Was sagen die Unternehmen dazu? Die Antworten der Pressesprecher sind länger als die der Assistenten, der Erkenntnisgewinn hält sich dennoch in Grenzen. Google arbeite mit "Experten auf der ganzen Welt zusammen, um die Sprachtechnologie zu verbessern", nennt aber keine Details. Amazon teilt mit: "Grundsätzlich können wir zur Größe einzelner Teams keine Auskunft geben." Die "große Mehrheit" der Menschen, die Sprachaufnahmen abhörten, seien Vollzeitbeschäftige von Amazon. Google macht keine Angaben, wie viele der zuständigen Mitarbeiter für externe Dienstleister tätig sind.

Apple und Microsoft, die mit Siri und Cortana ebenfalls Sprachassistenten anbieten, antworten noch ausweichender. Apple lege großen Wert auf Sicherheit und Privatsphäre, sagt ein Sprecher, und verweist auf ein Sicherheits-Whitepaper (PDF). Microsoft konnte innerhalb von zwei Wochen gar keine Antworten zu Verfügung stellen. Als Vice im April wissen wollte, wie viele Menschen Cortanas Aufzeichnungen hören können, sagte eine Sprecherin nur: "Microsoft weiß zu keinem Zeitpunkt, wer Fragen an Cortana gestellt hat." Sowohl bei Apple als auch bei Microsoft bleibt also unklar, ob und wie viele Menschen die Sprachaufzeichnungen hören.

Das Herumdrucksen der Unternehmen lässt nur einen Schluss zu

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass Unternehmen ein Interesse daran haben, eindeutige Auskunft zu geben, wenn sie glauben, dass die Antwort das Vertrauen der Nutzer steigert. "Kein Mensch bekommt die Aufnahmen zu hören, die unsere Mikrofone aufzeichnen", dürfte vertrauenssteigernd wirkend. Dass der Satz nicht fällt, spricht für sich.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer Sprachassistenten nutzt, kann sich relativ sicher sein, dass früher oder später auch ein Mensch zuhört. Google sagt, dass 0,2 Prozent aller Aufnahmen von Menschen analysiert würden. Absolute Zahlen nennt das Unternehmen nicht "Wir versehen nur den Bruchteil eines Prozents der Interaktionen mit Anmerkungen", teilt Amazon mit, sagt an anderer Stelle aber auch: "Kunden sprechen mit Alexa Milliarden Male im Monat." Selbst bei einem sehr geringen Anteil an abgehörten Aufnahmen kommt eine Menge Material zusammen - genug, um Tausende Menschen zu beschäftigen, die Bloomberg zufolge täglich jeweils tausend Aufzeichnungen bearbeiten.

Liest man die Stellungnahmen der Unternehmen und spricht mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern, wird klar: Sie halten die teils entsetzten Reaktionen für übertrieben. Für sie ist es selbstverständlich, dass Menschen helfen, die Technik zu verbessern. Dagegen sind die meisten Nutzer überzeugt, dass hinter smarten Geräten ausschließlich Maschinen stecken. Sie hören "Algorithmus" oder "künstliche Intelligenz", denken vielleicht noch an Science-Fiction-Filme und kommen nicht auf die Idee, dass es Menschen braucht, um die Systeme weiterzuentwickeln.

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