Nicht nur Netzaktivisten kritisieren den Entwurf, auch die Internetwirtschaft hält das Papier aus dem Hause Gabriels für unzureichend. Zwar sei eine klarere Rechtslage ein wichtiges Signal, heißt es beim Branchenverband Eco. Allerdings sei zweifelhaft, ob sich bei derart komplizierten Vorgaben das Ziel der Koalition erreichen lasse. Dieses ist im Koalitionsvertrag niedergelegt: Deutschland, so heißt es dort, soll zum "führenden digitalen Standort in Europa werden" - inklusive kostenloser Wlan-Angebote in den Städten.
Es wäre bitter nötig, denn die Menge an Daten, die über digitale Netze transportiert werden sollen, steigt ständig. Schon 2020, prognostizieren die Marktforscher von IDG, könnten 30 Milliarden netzwerkfähige Geräte im Internet sein - von Sensoren in der Kleidung über Verkehrsampeln bis hin zu Autos. Das wird auch den Bedarf an Zugängen ins Netz und nach leistungsfähigeren Anbindungen steigen lassen.
Da der Ausbau der Mobilfunknetze kaum mit diesem hohen Bedarf wird Schritt halten können, sind kreative Lösungen gefragt. Eine könnte sein, auch private Anbieter offener Wlans von der Störerhaftung zu befreien, um damit zusätzliche Kapazitäten in den Netzen zu schaffen. Das aber torpediert Gabriels Entwurf, denn er sieht vor, dass Privatpersonen den Namen von Nutzern ermitteln sollen, was in der Praxis schlicht unmöglich ist. Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, wirft der Bundesregierung daher vor, neue Barrieren aufzubauen statt für offene Netze zu sorgen.
Aber öffnen frei zugängliche Hotspots nicht Kriminellen Tür und Tor? Erfahrungen in Ländern mit freien Wlan-Zugängen zeigten, dass davon nicht die Rede sein könne, argumentiert die Digitale Gesellschaft, eine Nicht-Regierungsorganisation, die sich für eine verbraucherorientierte Netzpolitik einsetzt.
Verfahren beim Europäischen Gerichtshof
In Sachen Störerhaftung ist auch noch ein Verfahren bei Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anhängig. Geklagt hat ein Kommunalpolitiker der Piratenpartei aus dem bayerischen Gauting. Er betrieb im Büro seiner Firma ein offenes Wlan und sollte rund 800 Euro an Abmahnkosten bezahlen. Der Fall wurde zunächst am Landgericht München I verhandelt, dieses verwies den Fall aber wegen der übergeordneten Bedeutung an die Luxemburger Richter. Wann ein Urteil ergeht, steht noch nicht fest.
Probleme mit der Störerhaftung muss Dobrindts Verkehrsministerium nicht befürchten. Für das kostenlose Angebot hat sie sich der Hilfe Dritter bedient. Der kostenlose Zugang (Wlan-Zugangskennung: "OpenWLAN BMVI") läuft über ein Telekommunikations-Unternehmen. Sonst käme man ja nicht so leicht rein ins Internet, heißt es im Ministerium.