Abstimmung im Europäischen Parlament:"Ein Upload-Filter würde die Macht der großen Plattformen stärken"

Europaparlament

Das Europaparlament stimmt über umstrittene Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht ab.

(Foto: dpa)

Heute wird in Straßburg über Upload-Filter und Leistungsschutzrecht abgestimmt. Der CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek fürchtet, dass ausgerechnet Facebook oder Google von den neuen Regeln profitieren.

Interview von Marvin Strathmann

Die Europäische Union möchte das Urheberrecht reformieren. Vor knapp zwei Wochen stimmte der Rechtsausschuss des Europaparlaments für die neuen Regeln und billigte damit ein europäisches Leistungsschutzrecht für Presseverleger und Upload-Filter für Plattformen wie Facebook oder Youtube. Heute stimmt nicht nur der Ausschuss, sondern das komplette Europaparlament über die umstrittene Richtlinie ab.

Vor allem die Upload-Filter stehen in der Kritik: Plattformen sollen Inhalte vorher prüfen, bevor ein Nutzer sie hochladen kann, um Urheberrechtsverletzungen zu erkennen. In einem offenen Brief warnen Internet-Pioniere wie etwa Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, oder Jimmy Wales, der Gründer von Wikipedia, vor dieser Methode und sehen das freie Netz in Gefahr. Auch aus Deutschland kam ein offener Brief: Darin sprechen sich mehrere netzpolitische Vereine, die CDU, CSU, SPD und FDP nahestehen, zusammen gegen das Leistungsschutzrecht und Upload-Filter aus.

Auch Thomas Jarzombek hat diesen Brief unterschrieben. Er sitzt für die CDU im Bundestag und ist Co-Sprecher des Digitalvereins Cnetz, der der Union nahesteht.

SZ: Herr Jarzombek, während die Union über die Flüchtlingspolitik gestritten hat, haben sich mehrere parteinahe Digitalvereine gemeinsam gegen Upload-Filter und das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ausgesprochen. Wie ist es dazu gekommen?

Thomas Jarzombek: Ich glaube, das ist eine Allianz der Vernunft. Da sind viele Menschen dabei, die lange über die Themen nachgedacht und die Erfahrungswerte genau betrachtet haben. So ist die negative Erfahrung mit dem Leistungsschutzrecht in Deutschland relativ eindeutig und es ist fraglich, ob das auf europäischer Ebene anders laufen würde.

Auch im Koalitionsvertrag steht, dass die Bundesregierung keine Upload-Filter will. Was kann sie tun, wenn die Europaabgeordneten nun dafür stimmen sollten?

Noch findet alles auf der legislativen Bühne des Europäischen Parlaments statt. Stimmt das Parlament zu, würde es die Copyright-Richtlinie mit dem Europäischen Rat und der Kommission verhandeln. Dort kommen die einzelnen Regierungen ins Spiel. Dann stellt sich die Frage, wie sich die Bundesregierung dazu verhalten würde und da ist die Position im Koalitionsvertrag eindeutig.

Laut dem ORF sind mehrere Europaabgeordnete aus Österreich gegen die Richtlinie. Auch in Schweden, Tschechien, Polen und Italien regt sich Widerstand. Wie wird die Abstimmung ausgehen?

In der Vergangenheit hat man gesehen, dass das Europäische Parlament durchaus Entscheidungen treffen kann, die man vorher nicht erwartet hat. Da herrscht ein hoher Freiheitsgrad. Deswegen haben wir auch unsere Argumente in den Vordergrund gestellt und appellieren an die Abgeordneten, über Upload-Filter und Leistungsschutzrecht noch einmal nachzudenken.

Haben die Befürworter der Copyright-Richtlinie schlicht keine Ahnung von der Materie?

In einer Demokratie ist man auf der falschen Spur, wenn man anfängt, den anderen Ahnungslosigkeit vorzuhalten. Es gibt unterschiedliche Meinungen, welche Mechanismen funktionieren. Ich denke, dass wir die angestrebten Ziele nur über Marktmechanismen regeln können, nicht mit einem Leistungsschutzrecht oder Upload-Filtern. Jeder Eingriff wird wieder neue Probleme verursachen, denen wir hinterherlaufen müssen.

Welche Probleme kommen mit den geplanten Regeln?

Zum einen würden große Plattformen von den neuen Regeln profitieren. Für ein neues Start-up würden etwa Upload-Filter nur neue Hürden aufbauen: Sie müssten die Filter selbst programmieren oder einkaufen. Kleine Unternehmen können auch nicht so einfach mit Rechteinhabern wie der Gema verhandeln, wie es etwa Google oder Facebook tun könnten. Diese Markteintrittshürden wären ein großes Problem.

Dagegen können große Plattformen die Vorgaben schneller und einfacher umsetzen als kleinere Anbieter. Ein Upload-Filter würde die Macht der großen Plattformen stärken, während es den kleinen zusätzlich das Leben schwer macht. Das ist der falsche Ansatz, denn so würde die sowieso schon große Marktmacht der großen noch weiter gestärkt und neue Konkurrenten würden ausgebremst.

Und wir sehen, dass im Windschatten dieser Urheberrechtsinitiative die Innenminister von Frankreich und Deutschland vorhaben, dass Polizeibehörden relativ unkompliziert missliebige Inhalte auf einen Index setzen können. Es soll sich gegen Terrorismus, Kinderpornografie und allgemeinen Hass richten - ein, wie ich finde, nicht sehr zusammenhängender Themenkatalog. Ich sorge mich um rechtsstaatliche Prinzipien, wenn nun nationale Behörden beliebig Inhalte auf den Upload-Filter setzen können. Das ist eine Gefahr für die Meinungs- und Pressefreiheit.

Wenn Upload-Filter eine Zensur-Infrastruktur schaffen, wie wollen Sie Urheber und ihre Werke effektiv vor Missbrauch schützen?

Da gibt es verschiedene Mechanismen. Ich halte das Stay-Down-Prinzip für sinnvoll: Wird ein Inhalt einmal von einem Hosting-Provider rechtmäßig heruntergenommen, muss er verhindern, dass dieser Inhalt wieder hochgeladen wird. Damit habe ich kein Problem, im Gegenteil. Hier bleibt es dann aber bei der gestuften Verantwortung der Provider. Durch Upload-Filter wird dem Provider proaktiv undurchsichtiges Handeln aufgezwungen. Für den Betroffenen muss allerdings Transparenz herrschen: Er muss wissen, warum welcher Inhalt gelöscht wurde und wie er dagegen vorgehen kann.

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