Süddeutsche Zeitung

9/11: Vermeintliche Bombenattacke:Ein Anschlag auf die Nerven

Fingierter Terror als Film-Promotion: Einen Tag vor dem 9/11-Jahrestag inszeniert eine deutsche PR-Agentur einen vermeintlichen Anschlag in den USA.

M. Zips

Ein guter PR-Agent ist sich für nichts zu schade. Er sollte Hundekuchen genauso gut anpreisen können wie Spielzeugpanzer und Golfschläger. Moral sollte kein Thema sein. Insofern ist die Aufregung, die eine Berliner Agentur am gestrigen Donnerstag bundesweit verursachte, eigentlich ein Erfolg von höchster Professionalität.

"TV: Anschlag in kalifornischer Kleinstadt", meldete die Nachrichtenagentur dpa um 9.38 Uhr und berief sich auf den Bericht eines "örtlichen Fernsehsenders". Es habe in einem Restaurant zwei Explosionen gegeben, die Polizei sei im Einsatz und habe das Restaurant evakuiert. "Die Täter wurden von dem Sender als arabisch-stämmig beschrieben", hieß es. Zahlreiche Internet-Redaktionen übernahmen - einen Tag vor dem 11. September - die Nachricht.

Vermeintlicher Augenzeugen-Bericht

Dann meldete dpa: Bei dem Anschlag habe es sich in Wirklichkeit um einen Scherz von drei Berliner Rappern gehandelt, die "sich Bombenattrappen umgebunden" hätten und in "das Restaurant gestürmt" seien, um "Medienaufmerksamkeit" zu erlangen. Die Behörden hätten ein hartes Vorgehen gegen die Deutschen angekündigt.

Dem Internetportal www.heute.de gelang es kurz darauf, einen angeblichen Augenzeugen persönlich zu befragen: "Rainer Petersen ist Deutscher und arbeitet seit drei Monaten für den örtlichen Fernsehsender vpk-tv. Im Gespräch mit www.heute.de beschreibt er - am Telefon immer noch hörbar geschockt - die Situation: ,Am Anfang war hier der Teufel los'."

Dann meldete sich eine Berliner PR-Agentur via E-Mail, erklärt: "Mit Fassungslosigkeit haben wir, das Management der Berlin Boys, von deren eigenmächtig gestelltem Attentat in einem Restaurant im kalifornischen Bluewater erfahren. Hiervon möchten wir uns in aller Form distanzieren und erklären hiermit die Zusammenarbeit mit der Band mit sofortiger Wirkung für beendet. Die Vortäuschung einer Straftat ist als Werbemaßnahme inakzeptabel und entspricht in keinster Weise unserem Stil."

Alles nur ein Witz

Von den Berlin Boys hat zwar zuvor noch nie jemand was gehört, doch findet sich im Internet tatsächlich ein Myspace-Eintrag, eine Presseerklärung und ein Video der vermeintlichen Band ("Die Bombe tickt, mich hat noch niemand je gefickt"). Vom Fernsehsender vpk-tv existiert eine Homepage, von Bluewater gar ein Wikipedia-Eintrag. Am Telefon versichert eine PR-Agentin beeindruckend aufgewühlt, wie sehr sie sich persönlich von den Berlin Boys getäuscht fühle. Doch dann ist alles nur ein Witz.

Die Rapper, der Fernsehsender, das "kalifornische Städtchen Bluewater", Rainer Petersen - alles Erfindungen der Berliner PR-Agentur. Nur die gibt es wirklich. Sie habe mit dieser beachtlichen Flut an Fälschungen den neuen Film "Short Cut to Hollywood" von Jan Henrik Stahlberg promoten wollen, sagt die Agentin am Telefon. Diesmal ausgesprochen fröhlich. Stahlbergs Filmverleih Senator hat sich inzwischen von der Aktion "deutlich" distanziert. Ganz echt.

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SZ vom 11.09.2009/jb
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