Neue Handy-Technologie:Lohnt sich der Umstieg auf 5G schon?

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Auf Sendung: Dieser Mobilfunkmast in Berlin beherrscht bereits den neuen Standard. (Foto: Stefan Zeitz/imago images)

Superschnell, flexibel, energiesparend - Betreiber werben überschwänglich für 5G-Technik. Dabei gibt es noch viele Einschränkungen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Helmut Martin-Jung

Soll ich oder soll ich nicht? Das fragen sich derzeit viele, die überlegen, ein neues Smartphone zu kaufen. Vor allem die Telekom wirbt massiv für das neue Wundernetz 5G. Soll man also bereits jetzt darauf achten, dass das neue Gerät mit dem Funkstandard umgehen kann? Leider gibt es auf diese Frage weder ein eindeutiges Ja noch ein klares Nein, eine Tendenz aber schon. Ein Überblick über die wichtigsten Fakten.

Welche Mobilfunkanbieter ermöglichen bereits 5G für Endverbraucher?

Derzeit sind das nur die Telekom und mit einigem Abstand Vodafone. Die Telekom hat etwa bei 12 000 Mobilfunkmasten einen Teil des Frequenzspektrums, das bisher für die veraltete Technik 3G (UMTS) genutzt wurde, für 5G umgewidmet - daher konnte sie Mitte Juni quasi mit einem Schlag die Karte der Netzabdeckung beträchtlich auffüllen. Das Ruhrgebiet ist relativ gut abgedeckt, ebenso sind es die Großräume Berlin und München. Das 5G-Netz von Vodafone ist noch viel lückenhafter, Vodafone setzt einen Schwerpunkt bei ländlichen Gegenden, in denen es noch keine schnellen Internetzugänge gibt. Das Unternehmen bietet dafür einen Router für zu Hause an, der Internet über Mobilfunk bezieht und dann über Wlan weitergibt. Telefónica O2 hat zwar mit dem Umbau des Netzes begonnen, bietet aber noch keinen 5G-Zugang für Privatkunden. Auch der neue, vierte 5G-Mitbewerber Drillisch ist noch nicht am Start.

Funktioniert jedes 5G-Handy mit den Netzen jedes Anbieters?

Nein, hier heißt es aufpassen. Es werden sogar 5G-fähige Handys angeboten, die bei den derzeit in Deutschland verwendeten Frequenzen überhaupt keine 5G-Verbindung aufbauen können. Das liegt daran, dass in verschiedenen Ländern verschiedene Frequenzen genutzt werden. Funkchips, die eine Vielzahl von Frequenzbereichen abdecken können, stehen in der Anfangszeit aber nicht zur Verfügung - das war auch beim Vorgängerstandard 4G schon so. Wer sein Handy vom Netzbetreiber, also etwa der Telekom, bezieht, sollte aber auf der sicheren Seite sein.

Was ist mit den angepriesenen Vorteilen von 5G wie schnelle Reaktionszeit?

5G reitet derzeit oft huckepack auf 4G, das heißt also, die Verbindung wird über 4G aufgebaut, nur der eigentliche Datentransport geschieht dann über 5G. Das bedeutet aber, dass von der viel gepriesenen superschnellen Reaktionsgeschwindigkeit von 5G, der sogenannten Latenz, von nur wenigen Millisekunden nichts übrig bleibt. Bis die Sende- und Empfangsanlagen, aber auch das Kernnetz - etwa die Glasfaserleitungen zu den Masten - wirklich fit sind für 5G, wird es noch dauern.

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Die Netzbetreiber müssen zum einen mit der neuen Technik noch Erfahrungen sammeln, zum anderen gibt es da auch noch die Unsicherheit, was den wichtigen 5G-Technologieanbieter Huawei betrifft. Um geringe Latenzen zu erreichen, muss zudem einiges an Rechenpower in die Nähe der Masten verlegt werden, Stichwort Edge computing. Das ist beispielsweise nötig, um Virtual-Reality-Anwendungen ruckelfrei zu übertragen.

Was passiert mit 3G und 4G?

Noch ist nicht einmal 4G (LTE) überall in Deutschland verfügbar, Telefónica etwa arbeitet noch immer daran, die Auflagen der Bundesnetzagentur zu erfüllen, auch bei den Konkurrenten gibt es weiße Flecken. Es wird also noch länger erhalten bleiben. Seine Leistungsfähigkeit wird durch den 5G-Ausbau sogar steigen. 3G (UMTS) dagegen ist veraltet, von Mitte nächsten Jahres an werden es die Netzbetreiber nach und nach außer Betrieb nehmen. Wer noch ein Handy oder einen Vertrag hat, der nur 3G vorsieht, sollte das also ändern, denn sonst fällt man zurück auf 2G. Das ist ohnehin schon schneckenlangsam, aber auch überlastet und daher für die Nutzung des Internets nicht brauchbar. Bleibt also nur wie früher Telefonieren und Nachrichtenschreiben.

Welche Tarife enthalten 5G?

Die Laufzeittarife von Vodafone und Telekom enthalten bereits die 5G-Option; Prepaid-Kunden kommen bisher nur bei der Telekom zu 5G - für drei Euro Aufpreis pro Monat. Die Anbieter, die selbst kein Netz haben, sind bei 5G bisher außen vor. Telefónica und Drillisch bieten noch keine Tarife für Privatpersonen an.

Wer braucht heute schon 5G?

Für Privatnutzer besteht der Vorteil von 5G zurzeit vor allem in der schnelleren Downloadgeschwindigkeit. Um die 900 Mbit/s wurden bei Tests in Berlin erreicht - mit dieser Geschwindigkeit lässt sich ein Video zum Offline-Schauen in Sekunden herunterladen. Voraussetzung ist aber, dass das Handy mit 5G mit dem Frequenzband n78 (3500 MHz) umgehen kann, die von der Telekom umgerüsteten Masten (n1, 2100 MHz) sind nicht ganz so schnell, erreichen mit bis zu 100 Mbit/s aber Geschwindigkeiten, die höher sind als die meisten Festnetzanschlüsse. Zudem ist man als Nutzer in 5G-Netzen oft noch allein auf weiter Flur, sodass man sich die Bandbreite nicht mit (vielen) anderen teilen muss. Das ist womöglich der wichtigste Aspekt. Wer unterwegs dringend auf eine stabile Internetversorgung angewiesen ist, kann sich so eine weitere Option offenhalten. Sticks für Notebooks oder gar Notebooks mit eingebautem 5G-Chip gibt es allerdings noch nicht.

Fazit

Noch sind die Vorteile von 5G für Privatpersonen überschaubar. Wer sich keines der teuren Flaggschiff-Smartphones kaufen will, sollte besser noch ein Jahr warten, bis dann sollten Kinderkrankheiten bei den 5G-Chips soweit auskuriert sein, dass auch Mittelklasse-Handys mit allen Netzen zurechtkommen. Wer in einem Gebiet mit schlechter Internetversorgung wohnt, aber eine 5G-Antenne in der Nähe hat, kann sich einen 5G-Router anschaffen - die Verträge sind aber zumindest derzeit noch teurer als Internetanschlüsse übers Festnetz.

© SZ vom 19.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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