4chan und Tumblr:Forenkrieg im Sandkasten

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Die Nutzer zweier bekannter Internetforen erklären sich gegenseitig den Krieg und attackieren die Konkurrenzseite. Der Konflikt offenbart, wie eine Foren-Mitgliedschaft die virtuelle Identität prägt.

Die Nutzer des umstrittenen Internetforums 4chan sind berüchtigt: Hier treffen sich nach eigenen Angaben die Internet-Surfer, die kein Gewissen haben und geschützt durch ihre Anonymität wirklich alles durch den Kakao ziehen, egal wie geschmacklos die Pointe auch sein mag.

Aufruf zum Angriff gegen Tumblr: Die 4chan-Nutzer sind ärgerlich. (Foto: Screenshot: 4Chan)

Zudem ist das Board für seine Angriffslust bekannt: Immer wieder werden von hier Attacken auf Seiten wie die des Verbandes der US-Filmindustrie oder Internet-Promis wie Justin Bieber gestartet.

Nun wittern die 4chan-Nutzer jedoch offenbar Konkurrenz - ausgerechnet von dem derzeit äußerst beliebten Mikrobloggingdienst Tumblr. Dort können Nutzer schnell Inhalte anderer Seiten veröffentlichen und ihre eigene Meinung dazu abgeben.

Obwohl es dort gesitteter zugeht und die Mitglieder meist Kuriositäten und Promi-Klatsch kommentieren, sieht die 4chan-Gemeinde ihre Vormachtstellung bei der Erfindung von Internet-Parodien bedroht. Tumblr-Nutzer, so der Vorwurf, würden häufig auf Ideen zurückgreifen, die bei 4chan entstanden seien.

Gemein ist den beiden Diensten das vorwiegend jugendliche Publikum, das offensichtlich zu viel Zeit hat: So schmiedete die 4chan-Community den Plan, am Sonntag Tumblr anzugreifen und dort reihenweise neue Benutzerkonten zu eröffnen, um pornographisches Material zu veröffentlichen. Gleichzeitig sollte eine Denial-of-Service-Attacke die Tumblr-Server lahmlegen.

Bei einem solchen Angriff versucht eine große Anzahl von Computern, gleichzeitig auf eine Seite zuzugreifen, um sie so zum Zusammenbruch zu bringen.

Doch die Tumblr-Nutzer blieben ob dieser Kampfansage nicht untätig: Über Twitter machten nicht nur Überlebens-Ratgeber die Runde, die Community blies zeitgleich zum Gegenangriff: Tumblr-Nutzer sollten bei 4chan unsinnige Kommentare veröffentlichen und damit das Forum nutzlos machen.

Das Resultat der Auseinandersetzung: Seit dem späten Sonntag haben beide Seiten Probleme. Während 4chan in der Nacht zum Montag kurzfristig offline war und danach zahlreiche Beiträge von Tumblr-Nutzern zu finden waren, ging die Tumblr-Startseite am Montagmorgen in die Knie.

Der französische Blogger Sylvain Paley hat die Kontroverse verfolgt und spannt den Bogen zu den kulturellen Gegensätzen der beiden Dienste: 4chan lebe von der Anonymität, habe jedoch gleichzeitig strenge Hierarchieebenen: Um Gehör zu erhalten, muss ein gewisses Wissen über Wesen des Internets und einige Hacker-Techniken vorhanden sein.

Während sich 4chan damit als Untergrund-Forum definiert, steht Tumblr für eine andere Kultur: Wer hier etwas veröffentlichen möchte, braucht keine besonderen Fähigkeiten, kann aber schnell ein weit größeres Publikum als 4chan erreichen. Der Vorwurf, Tumblr-Nutzer würden 4chan-Inhalte stehlen, bedeutet letztlich, Unwissende würden sich dem Wissen der wahren Experten bedienen.

Auch wenn der Konflikt einen guten Einblick in den Internet-Tribalismus des Jahres 2010 bietet: Wirklich ernst dürften den Streit nur die wenigsten Beobachter nehmen. Der trockene Kommentar eines Autoren des US-Blogs Gawker in Anspielung auf die jugendliche Auseinandersetzung: "Das Internet ist ein Einkaufszentrum."

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