3D-Communities:Druck dir dein Spielzeug

Auf der Plattform thingiverse.com tauschen Gamer digitale Modelle von Brettspielen zum 3D-Drucken. Der kreative Umgang mit dem ersten Rechtsstreit um "Warhammer"-Figuren könnte Auswirkungen auf die junge Szene haben.

Von WASD-Gastautor Jan Philip Steimel

Thingiverse.com

Screenshot von Thingiverse.com

(Foto: Scrfeenshot)

"If they just hadn't called it Warhammer ..." Bre Pettis, der Mann mit dem perfekt grau melierten Haar, verzieht das Gesicht. Es scheint ihm eine ein wenig unangenehme Erinnerung zu sein. Er ist der Gründer und Geschäftsführer von Makerbot Industries Limited, dem profiliertesten Unternehmen in der wachsenden Branche von 3D-Drucker-Herstellern für den Heimgebrauch. Und es fällt schwer, sich nicht von seinem Haar ablenken zu lassen.

Was ihm aber an diesem Tag in Chelsea bei seinem Vortrag im Magen liegt, lenkt den Fokus dann doch zurück zum Thema: Wenn man auf der Internetplattform Thingiverse.com nach dem thing #5183 oder dem "Warhammer 40k Dreadnought" sucht, gelangt man weiterhin, wie üblich, auf eine Seite mit demselben Namen. Aber da, wo man eigentlich ein Foto des Ausdrucks und eine räumliche Darstellung der Warhammer-Spielfigur sehen müsste, blitzt einem nur ein leerer Sternenhimmel entgegen. Zusammen mit dem rot hinterlegten Hinweis, dass dieses Objekt zur Zeit nicht verfügbar ist wegen einer einstweiligen Verfügung von Games Workshop Limited, den Herstellern und Copyright-Inhabern der gesamten "Warhammer 40k"-Tabletop-Gaming-Reihe.

Thingiverse ist so etwas wie das Youtube für 3D-druckbare Gegenstände: Eine Community voller EnthusiastInnen, die ihre 3D-Designs zum Download zur Verfügung stellen, damit andere User sie bequem und kostenlos zu Hause ausdrucken können.

Hype um die Drucker

Wenn Bre Pettis, dessen Firma die Community verwaltet, von Thingiverse erzählt, strahlt er: ein magischer Ort. Ein Ort, an dem Menschen echte Dinge (bzw. deren Designs) miteinander teilen: Nützliche Dinge, überflüssige Dinge, Ersatzteile, wie ein Ring für den Duschvorhang, Kunstobjekte, Schnickschnack und immer mehr Spielzeug.

WASD 4
WASD 4

In der vierten Ausgabe widmet sich das Spielemagazin WASD dem Thema "Zukunft". So wird wird gefragt und diskutiert, wann Spiele ihr gesellschaftliches Stigma überwinden werden.

Der Hype um die Drucker, die aus kleinen Plastikwürsten Schicht für Schicht dreidimensionale Objekte produzieren, zieht immer mehr Gamer an: Die druckbaren Modifikationen von "Siedler von Catan" kann man kaum mehr zählen. Themenbasierte Schachsets überfluten Thingiverse. Daneben finden sich aber auch Eigenkreationen der Spielfreudigen.

Zwei kleine Münzen schießende Katapulte, kleine Fähnchen, die es umzuschießen gilt und ein Set von Legosteinen ähnelnden Mauerstücken kann man sich unter dem Namen "SEEJ" ausdrucken und in Büro- oder Kinderzimmerschlachten ziehen. Die Regeln sind denkbar einfach: Rundenweise darf man eine Münze in Richtung der Fahnen des Gegners schleudern und seine Steine zum Schutz der eigenen Fahne zu einem Wall aufbauen. "SEEJ" ist das wahrscheinlich erfolgreichste userkreierte Game.

Je mehr die Community in den letzten Jahren wuchs, desto mehr Hobbyisten fanden in ihren Kellern auch noch Platz für Schlachtfelder voller handbemalter Plastiksoldaten. In den USA haben die Strategiespiele mit den Plastikfigürchen eine weite Verbreitung, da Teile von ihnen (inklusive der Figuren) traditionell auch in Pen&Paper-Rollenspielrunden Anwendung finden.

Die für so feine Strukturen eher schlechte Auflösung der üblichen 3D-Drucker wie der Makerbots oder RepRaps ist seit Servicediensten wie Shapeways kein Hindernis mehr.

So kommt es zunehmend zu "Warhammer"-Derivaten oder "Warhammer"-kompatiblen Designs, die auf thingiverse geteilt werden. Meist unter Pseudonymen, Variationen des Namens "Warhammer" oder nur unter Benutzung des Stichwortes "40k", die Bezeichnung für das Sci-Fi-Setting von "Warhammer". Meist sind es selbstdesignte Dinge, Verzierungen, Landschaftsteile. User bonsaiBrain veröffentlichte schließlich im Dezember 2010 ein Replica-Design einer "Mech Warrior"-Figur aus dem ""Warhammer 40k"-Universum: den "Warhammer"-Dreadnought, den man nun vergebens bei thingiverse sucht. Denn Games Workshop wurde aufmerksam und schaltete seine Anwälte ein.

Binnen kürzester Zeit gab es den ersten relevanten Copyright-Streit über ein 3D-druckbares Design. Das Spielzeug und weitere mit "Warhammer" oder "40k" getaggte Figuren wurden zum Politikum, auch über die Tabletopspieler-Szene hinaus: Ungeklärt war und ist, ob das Design oder nur die Bezeichnung eine Urheberrechtsverletzung darstellt: Das Design von bonsaiBrain war dem originalen Modell zwar verblüffend ähnlich, aber in der Pose keine exakte Kopie des Games-Workshop-Dreadnoughts. Thingiverse und die betroffenen User wollten es aber nicht auf einen Rechtsstreit ankommen lassen und entfernten die Designs nach Aufforderung.

Ob Pettis darüber mehr graue Haare entwickelt hat, ist ungeklärt, klar ist aber, dass der Vorfall eine Zäsur in der jungen Geschichte der 3D-Druck-Community bedeutete und in Zukunft noch weitreichende Folgen haben wird. Nicht nur rechtlich. Auch kulturell.

Gründungsfunken der Open-Source-Software-Bewegung

Denn kaum verbreitete sich die Botschaft über die gesperrten Objekte, antworteten die Spielerinnen genauso vielfältig wie die Hobbyisten auf Bill Gates' "Open Letter to the Hobbyists" 1976, in dem sich Gates über schwarzkopierte Software beschwert hatte.

Einerseits poppten außerhalb von Thingiverse wie auch auf der Plattform selbst (unter Codenamen) die gesperrten Designs auf, so dass die Plattformbetreiber mühselig neue Veröffentlichungen gegenprüfen und sperren mussten. Andererseits nahm die Anzahl von Eigendesigns von Tabletop-Figuren zu. Sogar eigene Regelwerke wurden entworfen und mitsamt Figurenarsenalen als Open-Source-Alternativen zum nun kommerziellen Buhmann Games Workshop entworfen.

Unter dem Label illgottengames veröffentlichen Arian Croft und Jeremy Larsen ihr Game "Pocket Tactics", zu dem seither unzählige Erweiterungen und Modifikationen erschienen sind; es werden ganze Tabletop-Armeen designt und zur Verfügung gestellt, mit Verweis auf die kommerziellen Regelwerke, mit denen sie kompatibel sein könnten, und mehr und mehr Gebäude und Verzierungen veröffentlicht, die im Laden so vielfältig niemals zu finden wären.

Enttäuschte Fans

Die Rechtslage ist bis heute nicht geklärt. Games wie "Warhammer" waren aber immer stark von ihrer Spieler- und Fan-Community abhängig. Dazu muss man nur mal einen Blick in die Ladenlokale des Labels werfen: Dort treffen sich Spielerinnen zum gemeinsamen Spielen, zum Colorieren der dort gekauften Plastikfiguren und zum Austausch über verschiedene Techniken, Strategien, die neuesten Regelbücher etc. Seit 2010 gibt es nun eine noch sehr überschaubare Community von enttäuschten Fans, die drauf und dran sind, zusammen mit vielen anderen Spieleentwicklerinnen eine Art offene Counterculture zu etablieren, die Games Workshops Geschäftsmodell auf Dauer in Bedrängnis bringen wird.

Gates' Beschwerdebrief gilt bis heute als Gründungsfunken sowohl für die Ära des digitalen Urheberrechts als auch der Open-Source-Software-Bewegung.

Wer weiß, vielleicht raufen sich bald andere Leute die Haare und Pettis kann seinen Schopf schonen und einer bunten sprühenden spielerischen Subkultur beim Wachsen zuschauen. Allerdings könnte das gerade für Makerbot Ltd. eine zwiespältige Erfahrung sein: Seit das aus der Open-Source-Gemeinde gewachsene Unternehmen 2012 proprietäre Wege eingeschlagen hat, hat der schöne Mann seinen ganz eigenen Copyright-Diskurs auszufechten.

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