Wikileaks-Gründer stemmt sich gegen Auslieferung:Assanges letzte Chance

Julian Assange darf nach Schweden ausgeliefert werden - es sei denn, das höchste britische Gericht stoppt das Verfahren. Der Wikileaks-Gründer fürchtet nun nicht nur den Prozess in Skandinavien, sondern auch eine mögliche Auslieferung an die USA. Dabei könnte ihm ein Transfer nach Schweden durchaus zugutekommen.

Wikileaks-Gründer Julian Assange verzichtete dieses Mal auf große Worte: "Ich wurde keines Verbrechens angeklagt, in keinem Land", sagte er, nachdem der Londoner High Court in zweiter Instanz seine Auslieferung an Schweden bestätigt hatte. Dennoch seien die europäischen Abkommen so restriktiv, "dass britische Gerichte nicht die Fakten eines Falls beurteilen können."

Julian Assange loses extradition appeal

Julian Assange vor dem High Court in London: "Ich wurde keines Verbrechens angeklagt."

(Foto: dpa)

Der Beschluss (hier im Wortlaut) kommt nicht überraschend. "Es gibt eine funktionierende Auslieferungspraxis - es wäre ein Schock gewesen, wenn es gekippt worden wäre", twitterte Ravi Somaiya, der für die New York Times der Anhörung folgte.

Assanges Anwälte hatten argumentiert, der Antrag sei ungültig, da er von einer schwedischen Staatsanwaltschaft, nicht von einem Gericht eingereicht wurde. Zudem könne der Wikileaks-Gründer in Skandinavien nicht mit einem fairen Prozess rechnen. Diese These verwarf der Londoner High Court.

"Solche Argumente werden meist in Auslieferungsverfahren mit Ländern wie Russland vorgebracht", heißt es in einem britischen Menschenrechtsblog, "Ein britisches Gericht muss solche Anträge ablehnen, wenn einer Person grundsätzliche Prozess- und Menschenrechte verweigert würden. Aber so etwas wird im Falle von Schweden immer sehr viel schwerer zu beweisen sein, da das Land ein gut entwickeltes Gerichtssystem hat."

Auslieferung innerhalb von zehn Tagen möglich

In den kommenden 14 Tagen kann Assange nun Berufung vor dem Supreme Court einlegen, dem Obersten Gerichtshof des Landes. Voraussetzung ist allerdings, dass diesem Schritt der High Court zustimmt. Berufungen dort werden in der Regel nur angenommen, wenn ein Fall von besonderem öffentlichem Interesse ist. Somaiya zufolge, der sich auf einen Vertrauten Assanges bezieht, will der Australier versuchen, diesen Weg über die letzte Instanz zu gehen.

Scheitert er mit diesem Versuch ebenfalls, wird er innerhalb von zehn Tagen nach Schweden ausgeliefert. Dort wollen ihn die Behörden wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe vernehmen, den zwei Frauen im vergangenen Jahr erhoben haben. Assange hat die Anschuldigungen immer wieder zurückgewiesen. Hinter ihnen stecke der Versuch, ihn wegen seiner Arbeit zu diskreditieren.

Sollte er ihn Schweden verurteilt werden, droht dem 40-Jährigen theoretisch eine längere Haftstrafe, weshalb er auf der Seite "Sweden vs. Assange" zahlreiche Belege für die vermeintlich strittige Rechtspraxis in Schweden sammelt. Allerdings wurde in Skandinavien noch nicht einmal Anklage gegen ihn erhoben.

Warum Assange nicht nach Schweden möchte

Assanges Sorge beschränkt sich deshalb nicht nur auf die schwedische Justiz: Er befürchtet, dass die Skandinavier ihn ohne große Nachfragen an die USA ausliefern könnte. Dort diskutiert gegenwärtig ein Geschworenengericht darüber, ob das Land Anklage wegen Spionage gegen ihn erhebt.

Regierungsanwälte haben von US-Unternehmen wie Google und Twitter offenbar die Herausgabe der Daten von Wikileaks-Helfern und -Sympathisanten erreicht, um dort nach möglichen Anhaltspunkten für mögliche kriminelle Aktivitäten Assanges im Sinne des US-Rechts zu suchen. Wikileaks hatte in den vergangenen 18 Monaten immer wieder interne Regierungspapiere veröffentlicht, jüngst aber die Publikation neuer Materialen unter Hinweis auf finanzielle Probleme vorerst eingestellt.

Allerdings argumentieren verschiedene Rechtsexperten im US-Magazin Forbes, dass Assange tatsächlich von einer Auslieferung nach Schweden profitieren könnte: So besteht seit 2003 eine gesonderte Auslieferungsvereinbarung zwischen Großbritannien und den USA, die der US-Justiz besondere Privilegien beim Zugriff auf britische Häftlinge ermöglicht.

Zwischen Schweden und den USA extistiert eine solche Vereinbarung nicht. Hier müsste ein skandinavischer Richter feststellen, dass die Taten, die Assange in den USA zur Last gelegt werden, auch in Schweden eine Straftat wären. Allerdings gibt es ein Schlupfloch, auf das sich Wikileaks bezieht, wonach Assange den USA in "gegenseitigen Einvernehmen" für "einige Zeit überlassen" werden könne.

Zustimmung des Außenministers notwendig

Womöglich könnte aber selbst eine Auslieferung nach Schweden nur mit britischer Genehmigung geschehen. Forbes weist darauf hin, dass beim erstinstanzlichen Urteil im Februar der Richter darauf aufmerksam machte (pdf hier), dass für einen Transfer Assanges von Schweden in die USA die Zustimmung des britischen Außenministers notwendig wäre.

Für Assange, der seit Dezember 2010 auf einem Landsitz eines Freundes unter Hausarrest steht, könnten mit dem Urteil seine vorerst letzten Tage in Großbritannien angebrochen sein. An seinem Terminplan ändert diese Perspektive allerdings vorerst nichts: Am Abend soll Assange bei einer Podiumsdiskussion im Londoner Frontline Club auftreten, um über die Occupy-Bewegung zu sprechen. Die Veranstaltung ist bereits seit langem ausverkauft.

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