Störerhaftung:Offenen Wlans droht Passwortzwang

Kostenloses Wlan

Auch die Freifunker bieten offenes Wlan an.

(Foto: dpa)

Der Europäische Gerichtshof urteilt zur Störerhaftung im Sinne eines klagenden Piraten - und gegen die Abmahnindustrie. Überraschend verkündet er aber eine neue Hürde für Hotspots.

Von Jannis Brühl

Wer einen öffentlichen Wlan-Hotspot anbietet, haftet nicht dafür, dass andere urheberrechtlich geschützte Filme oder Musik widerrechtlich über dieses Wlan weiterverbreiten. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag entschieden und damit die Störerhaftung für Wlans von Gewerbetreibenden auf europäischer Ebene gekippt. Den Anwälten des Klägers zufolge gilt das nur für die erste Rechtsverletzung über ein bestimmtes Wlan. Denn für die müssen Schadenersatz und Abmahnkosten nicht vom Betreiber getragen werden.

Allerdings gibt das Gericht den Rechteinhabern wie Musik-Labels oder Hollywood-Konzernen ein starkes Instrument an die Hand: Sie beziehungsweise ihre Anwälte könnten jeden, über dessen Wlan gegen Gesetze versoßen wurde, zwingen, das Netzwerk mit einem Passwort zu sichern. Wer das Wlan nutzen will, müsste sich dann identifizieren. Die Überwachung des Internetverkehrs des Wlans sei allerdings nicht zulässig.

Mit der Entscheidung geht ein sechs Jahre langer Rechtsstreit zur sogenannten Störerhaftung zu Ende. Geklagt hatte Tobias McFadden aus Gauting bei München, Geschäftsmann, Freifunker und Mitglied der Piratenpartei.

Das Urteil schützt Wlan-Betreiber gegen Abmahnkosten, baut aber eine neue Hürde für den Zugang zu öffentlichem Wlan auf. Die Entscheidung fällt einen Tag, nachdem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verkündet hatte, bis 2020 alle zentralen Plätze in Städten der EU mit Gratis-Wlan auszustatten.

Das Urteil

Wenn der Betreiber des Wlans nichts mit der illegalen Verbreitung eines geschützten Inhaltes zu tun hat, kann der Rechteinhaber für einen Verstoß keine Schadenersatzansprüche gegen ihn geltend machen. Aber er muss Urheberrechtsverletzungen auch nicht hinnehmen. Er kann dem Urteil zufolge bei einer "innerstaatlichen Behörde oder einem innerstaatlichen Gericht" eine Anordnung erwirken, die den Betreiber dazu zwingt, das Wlan mit einem Passwort zu schützen. Dieser Schritt sei geeignet, "Nutzer eines Kommunikationsnetzes von Urheberrechtsverletzungen abzuhalten. Um diesen Abschreckungseffekt zu gewährleisten, ist es allerdings erforderlich, dass die Nutzer, um nicht anonym handeln zu können, ihre Identität offenbaren müssen, bevor sie das erforderliche Passwort erhalten." Der Betreiber muss dann also genau wissen, wer sich einloggt. Das erhöht den Aufwand für Hotspot-Betreiber und dürfte die Verbreitung offenen Wlans in Deutschland eher bremsen.

Der Fall "Bring mich nach Hause"

Kläger Tobias McFadden ist Mitglied der Piratenpartei und betreibt in der Nähe von München ein Geschäft für Licht- und Tontechnik (hier ein SZ-Porträt). Weil über den freien Wlan-Hotspot in seinem Geschäft das Album "Bring mich nach Hause" der Band "Wir sind Helden" illegal zum Download angeboten wurde, mahnte ihn Sony ab. 800 Euro sollte er zahlen. Beide Seiten trafen sich vor Gericht, McFadden argumentierte: Er selbst habe den Rechtsverstoß nicht begangen, sondern jemand anderes, der sein Wlan genutzt habe.

Was ist Störerhaftung genau?

Störerhaftung bedeutet, dass Betreiber eines Netzes haften, wenn ein Nutzer gegen geltendes Recht verstößt, also zum Beispiel illegal kopierte Filme oder Musikstücke verbreitet. Deswegen ist eine ganze Abmahn-Industrie entstanden, die Geld damit verdient, Hotspot-Betreiber für Rechtsverstöße abzumahnen, ohne dass klar wäre, dass diese überhaupt selbst und bewusst Dateien illegal weiterverbreitet haben. Die Störerhaftung gilt als großes Hindernis auf dem Weg zu vielen offenen Wlan-Hotspots. Wie zuvor schon die Internetprovider (zum Beispiel die Telekom) hat Deutschland in diesem Jahr auch Betreiber offenen Wlans per Gesetz von der Haftung ausgenommen. Kritiker halten es aber in der entscheidenden Frage der Abmahnungen für nutzlos.

Gilt die Störerhaftung in Deutschland überhaupt noch?

Laut Bundesregierung nicht. Nach Jahren des Streits um das Thema passierte im Juni das entsprechend geänderte Telemediengesetz auch den Bundesrat. Mit der Neufassung soll es auch für private Betreiber öffentlicher Hotspots mehr Rechtssicherheit geben und die Verbreitung solcher Netze in Deutschland gefördert werden. Die Bundesregierung verzichtete auch darauf, dass Betreiber eines Wlans ihren Zugang verschlüsseln und so schwieriger zugänglich machen müssen. Auch eine Vorschaltseite, auf der Nutzer des Wlan versichern müssten, keine Rechtsverstöße zu begehen, ist nicht vorgeschrieben.

Warum ist das EuGH-Urteil zum Fall McFadden dann wichtig?

Kritiker der Telemedien-Novelle bemängeln, dass das deutsche Gesetz die Gefahr von Abmahnungen gegen Wlan-Betreiber wie McFadden nicht explizit ausräume. Denn Unterlassungsansprüche sind im Gesetzestext selbst nicht erwähnt - und auf die können sich Abmahnanwälte bisher stützen. Nun hat der EuGH im Sinne der Kritiker geurteilt, dass Betreiber Abmahnkosten nicht zahlen müssen. Zugleich konterkariert er diese betreiberfreundliche Entscheidung mit seiner Erlaubnis zum Passwortzwang wieder.

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