Soziale Medien:Gegen Bots helfen keine Verbote

Soziale Medien: In sozialen Medien gibt es viele Millionen Profile, hinter denen keine Menschen stecken - doch der Einfluss dieser Social Bots ist völlig unklar.

In sozialen Medien gibt es viele Millionen Profile, hinter denen keine Menschen stecken - doch der Einfluss dieser Social Bots ist völlig unklar.

(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Hatespeech, "Fake News", Social Bots - Politiker glauben, dass härtere Strafen dagegen helfen. Dabei bräuchte es erst einmal Fakten.

Kommentar von Jannis Brühl

Die schlafende Armee hatte 350 000 Kämpfer, und sie waren besessen von Star Wars. Es ist ein riesiges Bot-Netz, dessen Existenz Forscher vergangene Woche bekannt machten. Ein zusammenhängendes System automatisierter und zentral gesteuerter Twitter-Konten, das bis Juli 2013 Zehntausende Zitate aus den Romanen der Science-Fiction-Reihe verbreitete. Seitdem schweigen die Bots. Die These der Forscher: Die Hintermänner warten auf einen Käufer.

Wer so ein Netz kontrolliert, kann es auch zu politischen Zwecken einsetzen. Vor diesem Szenario warnen deutsche Politiker mit Blick auf den Bundestagswahlkampf.

Sogenannte Social Bots sind Software, meist simpel programmiert. Sie reagieren auf Schlagworte in Beiträgen anderer Nutzer, kommentieren diese und verbreiten Links zu gerade angesagten Hashtags (zum Beispiel #refugees). Dabei imitieren sie menschliche Nutzer. Die Justizminister von Hessen, Sachsen-Anhalt und Bayern fordern, Urheber der Bots haftbar zu machen, wenn diese Falschinformationen verbreiten. Eva Kühne-Hörmann (CDU) aus Hessen erklärte, das Internet verkomme sonst zur "antidemokratischen Lügenschleuder". Die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kündigte in der Rheinischen Post einen Vorstoß an, der Twitter & Co. verpflichten soll, Bots zu kennzeichnen.

Muss die Demokratie vor lügenden Algorithmen gerettet werden? Der Weg der reflexhaften Regulierung, die nun gefordert wird, ist jedenfalls der falsche.

Politiker überschätzen die Macht der Bots

Nach der Debatte um "Hatespeech" und "Fake News" sind Social Bots das nächste Thema, bei dem Politiker angeblicher oder tatsächlicher Manipulation aus dem Umfeld der AfD im Internet juristisch begegnen wollen. Dieses politische Lager bestimmt mit seinen emotionalen, aggressiven Beiträgen oft die Debatte im digitalen Raum, die anderen Parteien sind die Verlierer der Aufmerksamkeitsökonomie. Aus dem AfD-Vorstand hieß es im Herbst erst, die Partei wolle Social Bots einsetzen, was sie dann wieder dementierte.

Auf dem Weg in die Bot-Gesellschaft sind wir ohnehin. Online-Shops, Messenger-Dienste und Nachrichtenseiten setzen auf Programme, die mit Kunden und Nutzern sprechen. Die Bürger lernen gerade, dass immer mehr Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen oder gar nur zwischen Maschinen abläuft. Deshalb ist die Debatte über politische Bots wichtig. Dennoch sprechen zwei Gründe gegen scharfe Regulierung.

Den politischen Forderungen fehlt jede empirische Grundlage

Erstens überschätzen Politiker die Macht der Bots über die Bürger. Politikwissenschaftler Simon Hegelich, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat, schreibt in einem Papier für die Konrad-Adenauer-Stiftung: "Alle Studien sprechen dagegen, dass jemand seine politische Überzeugung ändert, nur weil er eine Nachricht in den sozialen Netzwerken sieht."

Und das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag kommt zwar zu dem Schluss, die Bots hätten das "Potenzial, das Vertrauen in die Demokratie zu unterlaufen", schränkt aber stark ein: Es gebe keinen "gesicherten Nachweis der Wirkungen und Effekte von Social Bots". Das muss Ansporn zu verstärkter Forschung sein, bedeutet aber auch: Den Forderungen Göring-Eckardts und der Innenminister fehlt jede empirische Grundlage.

Zweitens liegt das eigentliche Problem der Bots nicht darin, dass sie den "einfachen" Bürger manipulieren (der sich ohnehin lieber auf Facebook herumtreibt als auf Twitter). Die Gefahr ist, dass Bots Themen auf die Agenda setzen, die Journalisten und Politiker dann aufgreifen. Das geschieht etwa durch das "Kapern" eines Hashtags oder das Fluten des Kommunikationsraums mit radikalen Botschaften.

Ein "sauberes" Internet? Keine schöne Vorstellung

Thema sollten deshalb nicht Verbote sein, sondern Medienkompetenz unter Meinungsmachern. Sie müssen aufhören, sich blind auf "trendende" Themen oder Followerzahlen (Bots treten auch als gekaufte Fans auf) zu stürzen und Interaktionen in sozialen Netzwerken als wichtigsten Maßstab für Relevanz zu betrachten. Am meisten Glaubwürdigkeit erhält eine falsche Nachricht nicht durch Bots, sondern indem sie von realen, einflussreichen Personen weiterverbreitet wird.

Worauf die Schlacht der Bots hinauslaufen könnte, haben die Technik-Fachleute des Bundestages skizziert: Ein "zweites Internet", in dem sich Nutzer mit Personalausweis anmelden müssten und von Bots und Shitstorms verschont blieben. Das wäre ein Netz für Politiker, aber keines mehr für Bürger, die den offenen, manchmal anarchischen Charakter des Netzes schätzen. Dazu zählt auch die Möglichkeit, anonym zu bleiben, die auch das Betreiben von Bots möglich macht. In einem sauberen Internet "von und für Eliten" wären Minister wie Kühne-Hörmann aus Hessen ziemlich allein. Nicht einmal mehr Bots wären da, um sich mit ihnen zu unterhalten.

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