Netzwerkdurchsetzungsgesetz:NetzDG: Gut gemeint ist nicht genug

Cyber-Attacken
(Foto: dpa; Bearbeitung SZ)

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat Defizite. Die Rechte jammert strategisch über Sperren ihrer Posts, andere leiden weiter unter Hasskampagnen. Die Zivilgesellschaft stellt sich erstaunlich an, wenn es um Digitales geht.

Kommentar von Andrian Kreye

Der Journalist Richard Gutjahr ist ein großartiges Beispiel dafür, warum das Netzwerkdurchsetzungsgesetz eine prima Sache wäre. Dieses ist seit dem 1. Januar in Kraft und schreibt Digitalkonzernen vor, gefährliche und ungesetzliche Inhalte zu löschen. Gutjahr hatte am 14. Juli 2016 in Nizza von seinem Hotelzimmer aus zufällig den Lastwagen gefilmt, der kurz darauf in einer Menschenmenge ein Massaker anrichtete. Acht Tage später war er in München in der Nähe des Olympia-Einkaufszentrums, als dort ein Attentäter wütete. In beiden Fällen berichtete er sofort.

Solche Zufälle gibt es. Nach Meinung von Verschwörungstheoretikern kann es sie nicht geben. Deswegen wird Gutjahr im Internet von Wirrköpfen verfolgt, die ihm buchstäblich Böses wollen. Auf seinem Blog hat er jetzt detailliert und bedrückend beschrieben, wie ihm solche Leute nachstellen. Allein auf dem Videoportal Youtube kursieren nach seinen Angaben rund 800 Hassvideos über seine Familie. Und weil Verschwörungstheorien und Antisemitismus schon immer zusammengehörten, wird da wild spekuliert, ob er denn ein Jude sei und ob die Form seiner Nase etwas über ihn verrate.

Gutjahr ist es bisher nicht gelungen, diese Videos löschen zu lassen. Im Gegenteil, Youtube informierte die Videomacher auch noch über seine Versuche und seine Adresse. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat da noch nichts bewirkt.

Am rechten Rand dagegen brüsten sich Politiker und Publizisten damit, dass man ihnen Beiträge oder das Nutzerkonto gesperrt hat. Seit das Gesetz in Kraft ist, sind solche Sperren für Rechte mit hohem Aufmerksamkeits- und Oppositionsbedarf ein Prädikat - denn es ist ja nun nicht mehr der sinistre Konzern aus Übersee, sondern die eigene Regierung für diese Sperren verantwortlich. Die Bild-Zeitung erfand für dieses strategische Jammern den Begriff "Meinungsmärtyrer".

Es wird sich zeigen, wie Justizministerium und Digitalkonzerne mit den Defiziten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes umgehen. Doch egal, ob man nun die Meinungsfreiheit in Gefahr sieht, oder findet, dass immer noch zu wenig gelöscht wird, das Gesetz zeigt bisher vor allem, dass die Zivilgesellschaft erstaunlich wenig Geschick im Umgang mit den digitalen Technologien hat. Sobald komplexe Technologien ins Spiel kommen, reicht es für den Gesetzgeber nicht mehr, es gut zu meinen. Vielleicht muss die Politik ein ganz vernünftiges Instrument aus der Technologie übernehmen. Das ist die Machbarkeitsstudie.

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