Netzwerkdurchsetzungsgesetz:Es geht um nichts Geringeres als die Meinungsfreiheit

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(Foto: Illustration: Sead Mujic)

Das NetzDG ist seit einer Woche vollständig in Kraft. Schon deutet sich an: Die Kritiker hatten mit manchem recht. Twitter und Co. sperren leichtfertig Inhalte. Justizminister Maas wollte die sozialen Netzwerke befrieden, nun sind sie in Aufruhr.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Heiko Maas hat es in diesen Tagen eh nicht einfach. Der Justizminister muss von außen zusehen, wie die Sondierer die Chancen für eine neue große Koalition ausloten. Dabei hängt vom Ausgang der Gespräche ab, ob er Minister bleibt oder sich als Hinterbänkler in der SPD-Fraktion einreihen muss. Jetzt sieht sich Maas auch noch im Mittelpunkt einer Auseinandersetzung, in der es um nichts Geringeres als die Meinungsfreiheit geht. Seit Jahresbeginn ist das Gesetz gegen strafbare Inhalte in den sozialen Netzwerken vollständig in Kraft. Und nicht nur die AfD verteufelt das Werk aus dem Haus von Maas als Zensurgesetz. Der Deutsche Journalistenverband nennt es "gaga" - auch Grüne, Linke und FDP verurteilen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) heftig. Dabei wollte der Justizminister die sozialen Netzwerke eigentlich befrieden, jetzt sind sie in Aufruhr. Ganz unschuldig daran ist Maas nicht.

Das Gesetz des Ministers Maas soll bei der Rechtsdurchsetzung helfen - schafft das aber nicht adäquat

Der Minister hat in der vergangenen Legislaturperiode viel zu lange gebraucht, um einen Gesetzentwurf vorzulegen. Am Ende war die Zeit so knapp, dass das Werk nur noch im Schnelldurchlauf beschlossen werden konnte. Wenige Tage vor der Verabschiedung musste der Entwurf wegen der heftigen Kritik noch einmal deutlich geändert werden. So etwas dient selten der Qualität. Und so ist es auch in diesem Fall. Es geht in dem Gesetzentwurf um die Meinungsfreiheit. Trotzdem wird leichtfertig mit unbestimmten Rechtsbegriffen operiert. So heißt es, die Unternehmen müssten "offensichtlich strafbare" Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde löschen. Aber was ist ein "offensichtlich strafbarer" Inhalt? Und warum sollen Mitarbeiter von Unternehmen darüber entscheiden, und nicht Gerichte?

Noch offensichtlicher ist, dass das neue Recht die Gefahr des Overblockings nicht ausreichend bannt. Schon während des Gesetzgebungsverfahrens hatten Kritiker moniert, die Unternehmen würden wegen der kurzen Fristen und der hohen Bußgelder, die ihnen bei Fehlverhalten drohen, im Zweifel zu viele Inhalte löschen. Für eine Bilanz ist es zwar noch viel zu früh, das Gesetz gilt ja erst seit wenigen Tagen in vollem Umfang. Aber der erste Eindruck ist, dass die Kritiker recht hatten und Inhalte zu leichtfertig gesperrt werden.

Dabei hatte die große Koalition erklärt, dass genau das nicht passieren werde. Ihre Fachpolitiker hatten durchgesetzt, dass das NetzDG ermöglicht, dass Unternehmen Entscheidungen über die Strafbarkeit von Inhalten an eine Selbstkontroll-Einrichtung übertragen, wie es sie auch im Jugendmedienschutz gibt. Das sei ein wichtiger Beitrag zum Schutz vor Overblocking, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl. Die befürchtete Privatisierung der Rechtsdurchsetzung sei "damit ausgeschlossen". Und Nadine Schön von der CDU behauptete, dadurch werde ein Gremium "mit qualifiziertem Personal" eingeführt, das neutral urteile. Es werde also die Entscheidung weder "Privaten überlassen", noch eine "staatliche Überwachungsbehörde" etabliert. Das war am 30. Juni des vergangenen Jahres. Doch bis heute gibt es noch nicht einmal einen Antrag auf Einrichtung eines derartigen Gremiums.

All das zeigt, wie groß der Nachbesserungsbedarf beim NetzDG ist. Die Jamaika-Sondierer hatten sich bereits darauf verständigt, das Werk "grundlegend" zu überarbeiten. Bei dieser Sondierung hatte es die Union aber auch mit zwei Parteien zu tun, die das Gesetz kritisch sehen. Jetzt verhandelt die Union jedoch mit der SPD, also der Partei, deren Justizminister das NetzDG zu verantworten hat. Die Sozialdemokraten werden bei der Sondierung für vieles mit Herzblut kämpfen, Änderungen beim NetzDG werden leider nicht dazugehören. Das hat SPD-Fraktionschefin Nahles bereits klargemacht.

Bei aller Kritik am NetzDG wird aber gerne übersehen, wer die Hauptverantwortung dafür trägt, dass es zu dem Gesetz kam: Es sind die sozialen Netzwerke selbst. Facebook, Twitter und Co. sind schon seit zehn Jahren durch das Telemediengesetz verpflichtet, strafbare Inhalte von ihren Plattformen zu nehmen. Doch sie sind ihrer Pflicht - trotz eines enormen Anstiegs der strafbaren Inhalte und trotz langen Drängens des Justizministers - auf beinahe dreiste Weise nicht nachgekommen. Das NetzDG schafft jetzt ja keine neuen Straftatbestände, es soll nur bei der Durchsetzung des geltenden Rechts helfen (daher auch sein Name). Aber genau das schafft es bisher nicht auf eine adäquate Weise.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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