Künstliche Intelligenz:Dieser Computer malt fast so schön wie ein Mensch

Künstliche Intelligenz: Mensch oder Maschine? Links: Claude Monets "Antibes, gesehen von La Salis" Rechts: ein vom Tübinger Algorithmus berechnetes Bild.

Mensch oder Maschine? Links: Claude Monets "Antibes, gesehen von La Salis" Rechts: ein vom Tübinger Algorithmus berechnetes Bild.

(Foto: Quelle: deepart.io)
  • Auf der Webseite turing.deepart.io können Nutzer testen, ob sie echte Gemälde von computergenerierten Werken unterscheiden können.
  • Dahinter steckt ein Algorithmus von Tübinger Forschern.

Von Jessica Binsch

Algorithmen beantworten Fragen, sie weisen den Weg durch die Stadt und sind dabei oft genauer als Menschen. Doch die schönen Künste gehören nach wie vor den Menschen und nicht den Rechenformeln - denken zumindest die Menschen. Die Webseite turing.deepart.io bringt diese Überzeugung ein bisschen ins Wanken. In einer Art Quiz zeigt sie nebeneinander Bilder, die von Menschen gemalt wurden, und solche, die von einem Computer errechnet wurden. Betrachter wählen per Klick, welches davon ihrer Meinung nach von einer Person geschaffen wurde (wer sich selbst testen will, kann das hier tun).

Getupfte Laternen, ihr Schein spiegelt sich im regennassen Straßenpflaster vor einem alten Gebäude; ein Segelboot auf hoher See unter Wolken aus groben Pinselstrichen - kann das ein Computer erschaffen? Wer sich zutraut, Kunst von Menschen von der aus dem Computer zu unterscheiden, könnte am Ende des Tests zu einem ernüchternden Ergebnis kommen.

Tausende Nutzer schafften bei zehn Testfragen nicht einmal fünf richtige Antworten, der Schnitt liegt bei 6,22 richtigen Antworten von zehn.

Den Algorithmus, der die Gemälde errechnet, hat Leon Gatys geschrieben, der an der Universität Tübingen über Bildbearbeitung mit künstlicher Intelligenz promoviert. Gemeinsam mit Medieninformatiker Alexander Ecker und Physiker Matthias Bethge erstellte er die Formel für die Kunstimitation.

Die Forscher nutzen einen Trick: Sie verwenden bestehende Kunst als Vorlage für ihre Computer-Werke. Dazu brachten sie zunächst einem Rechner-Netzwerk bei, den Stil von Kunstwerken zu erkennen. Mit vielen Bildern gefüttert, sammelt die mathematische Formel nach und nach Informationen über das Aussehen der Werke, etwa zu Strichen, Farben oder Kanten, kurz: über den Stil des Malers. Damit kann sie dann verschiedenste andere Bilder in eben jenem Stil darstellen, den sie gelernt hat (wer eigene Bilder bearbeiten lassen will, kann das hier tun).

Neckarufer im Stile Van Goghs

"Wir Menschen sind total gut darin, Stil und Inhalt eines Bildes getrennt voneinander zu betrachten", sagt Gatys. Für Computer sei diese Unterscheidung aber "eine extrem schwierige Bildbearbeitungs-Aufgabe". Der Algorithmus trenne in vielen Rechenschritten die Informationen über Stil und Inhalt voneinander. Das sei akademisch gesehen die größte Entdeckung an ihrem Projekt, sagt Gatys.

Ist das geschafft, können die Wissenschaftler den Stil eines Bildes über ein anderes Bild legen. Ein Foto des Tübinger Neckarufers kann dann aussehen, als hätte Vincent van Gogh seine "Sternennacht" darüber gemalt, oder es erinnert an Edvard Munchs berühmtes Werk "Der Schrei". Nach diesem Prinzip sind auch die computergenerierten Bilder auf der Webseite entstanden.

Menschen tun sich also oft schwer, die errechneten Bilder von Werken zu unterscheiden, die mit Pinsel und Farbe geschaffen wurden. Es ist eine Art visueller Turing-Test, wie Forscher den Abgleich von künstlicher und menschlicher Intelligenz nennen. Bei diesem Test ging es ursprünglich um Worte, etwa in einem Chat. Wenn eine Rechenformel menschliche Kommunikation so gut nachahmen kann, dass Menschen die Antworten des Rechners nicht von denen einer Person unterscheiden können, hat der Computer den Test bestanden.

Jetzt wollen die Forscher Geld verdienen

Nur wer genau hinschaut, kann die Rechenformel erkennen. "Es gibt gewisse kleine Details, die den Algorithmus verraten", sagt Gatys. Die Formel unterscheide beispielsweise nicht zwischen Vorder- und Hintergrund eines Bildes. Deswegen wirke der Hintergrund oft unerwartet unruhig.

Die Webseite hatten die Tübinger Forscher ursprünglich gar nicht geplant. Die Idee hatten zwei andere Forscher aus Belgien und der Schweiz, die die Ergebnisse der Tübinger Gruppe gesehen hatten. Sie kontaktierten die Tübinger, der Test sei "ein Nachmittags-Hack" gewesen, sagt Gatys. Das Interesse wollen sich die Forscher nun finanziell zu Nutze machen: Sie haben eine Firma gegründet, um hochauflösende Versionen ihrer Computer-Bilder zu verkaufen.

Ein wenig voraus ist die menschliche Kreativität allerdings noch. Denn bisher kopiert die Formel nur den Stil eines Werkes auf ein anderes Bild. Eine eigene kreative Handschrift schafft der Rechner noch nicht. Das wäre prinzipiell kein Problem, sagt Matthias Bethge, der Leiter der Forschungsgruppe am Centrum für Integrative Neurowissenschaften der Universität Tübingen: "Die Schwierigkeit besteht nicht darin, das zu machen." Die Frage sei eher, ob Menschen vollständig computergenerierte Kunst auch schön fänden.

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