Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen im Netz:Wenn Acta plötzlich Ceta heißt

Ein im Internet veröffentlichter Vertragsentwurf des Handelsabkommens Ceta weist beachtliche Parallelen zum umstrittenen Acta-Abkommen auf. Kommt das vom Europaparlament abgelehnte Acta jetzt durch die Hintertür? Unsinn, sagt die EU-Kommission und wirft den Netzaktivisten vor, an Verschwörungstheorien zu stricken.

Pascal Paukner

Acta TTIP

Ist Ceta wie Acta eine Gefahr für das freie Internet? Die EU-Kommission bemüht sich, diesen Eindruck zu zerstreuen.

(Foto: AFP)

Netzaktivisten in ganz Europa sind alarmiert. Am vergangenen Montag veröffentlichte der kanadische Rechtsprofessor Michael Geist auf seinem Blog einen Artikel, der es in sich hat. "Acta lebt: Wie die EU und Kanada Ceta als Hintertür benutzen, um Acta wiederzubeleben", ist das Stück überschrieben. Geist zeigt darin, wie ein kürzlich im Internet veröffentlichter Entwurf des Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz Ceta, vom Februar teils wortwörtlich dem im Europäischen Parlament gescheiterten Acta-Abkommen gleicht.

Ist Acta also gar nicht so tot, wie es noch vor einer Woche schien? Setzt die EU-Kommission nun in einem Handelsabkommen mit Kanada um, was das Parlament vergangene Woche mit großer Mehrheit abgelehnt hat? Schließlich war ja auch Kanada an Acta beteiligt. Zunächst wollte sich die Kommission in Brüssel zu solchen Befürchtungen nicht äußern. Geleakte Dokumente kommentiere man nicht, ließ man den Branchendienst ZDNet wissen. Außerdem habe man auch nicht vor, Ceta mit Acta zu vergleichen, hieß es.

Eine Reaktion, die die Wortführer der Digitalaktivisten nicht beruhigen konnte: "Wie es scheint, versucht die EU-Kommission einmal mehr demokratische Prozesse zu umgehen, um gnadenlose Online-Repression durchzusetzen", schrieben die französischen Netzaktivisten von La Quadrature du Net. Dem zuständigen EU-Handelskommissar Karel De Gucht warfen sie vor, er wolle Acta jetzt durch die Hintertür einführen. Kaum anders waren die Schlagzeilen in Deutschland. "Acta-Comeback durch die kanadische Hintertür Ceta?", fragte auch Netzpolitik.org. Als dann auch die erste Massenmedien auf das Thema ansprangen, muss irgendjemand in der EU-Kommission erkannt haben, dass es wohl doch keine so gut Idee ist, das Thema auszusitzen.

Plötzlich redet Brüssel Klartext

Eine solche Hinhaltetaktik hatte schon bei Acta nicht funktioniert. Zu Jahresbeginn waren in ganz Europa Zehntausende auf die Straße gegangen, um gegen das Anti-Counterfeiting Trade Agreement zu protestieren. Acta sollte ein multilaterales Abkommen zwischen der EU und zwölf weiteren Staaten werden. Es sollte international verbindliche Standards für den Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen setzen. Netzaktivisten sahen durch Acta aber vor allem die Internetfreiheit bedroht, monierten aber auch, dass die Verhandlungen geheim stattgefunden hätten. Eine demokratische Kontrolle somit nicht möglich gewesen sei. Kritik, die auch auf Ceta, ein bilaterales Freihandelsabkommen mit Kanada, zutrifft. Das Abkommen wird seit 2008 verhandelt und hat zum Ziel, die Handelsbeziehungen zwischen Kanada und der EU zu stärken.

Am Mittwoch dann redete man in Brüssel plötzlich und zwar Klartext: Die Anschuldigungen der Netzaktivisten seien "Unsinn". Der geleakte Entwurf sei "völlig überholt", die umstrittensten Acta-Passagen, die Artikel 27.3 und 27.4, seien längst gar nicht mehr vorhanden. Eine "Basis für irgendwelche Verschwörungstheorien" gebe es also nicht mehr. Die Kommission respektiere die Entscheidung des Europäischen Parlaments, war aus dem Handelskommissariat zu erfahren.

Kanadische Regierung startet PR-Offensive

Welche Passagen genau entfernt wurden und welche noch mit Acta übereinstimmen, dazu wollte sich die Kommission nicht weiter äußern. Die aktuelle Version des Vertragstextes sei geheim. Der Zeitplan sehe aber vor, dass das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada noch in diesem Jahr geschlossen werde. Spätestens dann wird öffentlich werden, wie viel Acta in Ceta steckt. Und ob die Verantwortlichen in Brüssel und Ottawa aus den Massenprotesten zu Jahresbeginn gelernt haben.

In Kanada steht Ceta derweil ebenfalls unter öffentlichem Beschuss. Die Kommunen fühlen sich in ihrer Autonomie eingeschränkt und schlecht über die Verhandlungen informiert. Die kanadische Regierung hat deshalb eine PR-Offensive gestartet. Sie soll "weitreichende Unterstützung" für Ceta herbeiführen. Vielleicht kommt die Kampagne bald nach Europa.

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