Datenmissbrauch:Wie Gesundheits-Apps die Nutzer überwachen

  • Jeder fünfte Deutsche hat einer Studie zufolge eine Gesundheits- oder Medizin-App auf seinem Smartphone installiert.
  • Die Forscher warnen: Die Apps geben oft sensible Daten an Dritte weiter.
  • Verbraucherschützer fordern EU-weite Regularien, die den Datenschutz bei Gesundheits-Apps regulieren sollen.

Von Markus Balser, Berlin

Sie messen den Puls, rechnen den Kalorienverbrauch aus, erinnern an die nächste Untersuchung, managen den Ernährungsplan für Diabetiker und helfen beim Umgang mit Depressionen. Gesundheits- und Medizin-Apps, kleine Programme auf dem Handy, geben vielen Deutschen in kritischen Momenten Tipps oder nehmen ihnen lästiges Rechnen ab. Die digitalen Helfer sind längst weitverbreitet. Jeder Fünfte hat laut einer aktuellen Studie des Universitätsklinikums Freiburg eine solche Anwendung auf sein Smartphone geladen. Entstanden ist damit auch ein gigantischer Markt: Rund 400 000 Apps sind im Angebot. Jeden Monat kommen 1000 hinzu. Bis 2017 soll sich der Markt im Vergleich zu 2013 auf 24 Milliarden Euro verzehnfachen.

Doch mit dem Angebot und der Nachfrage wächst auch die Sorge. Denn die Nutzer müssen bisher mit Risiken leben. Oft gibt es Kritikern zufolge keine oder nur wenige Kontrollmöglichkeiten darüber, ob die angebotenen Informationen tatsächlich korrekt sind und ob sie aus unabhängigen, verlässlichen Quellen stammen. Der Studie der Uni Freiburg zufolge finden sich bei den wenigsten Apps Angaben über die Quelle der Informationen. Gerade mal jede vierte Vorsorge- oder Impf-App liefere diese Angaben. Bei den Diabetes-Programmen sind es sogar nur vier Prozent.

Viele Gesundheits-Apps sind enorm datenhungrig

Auch Gesundheitspolitiker in Deutschland halten den Wildwuchs für ein ernstes und immer drängenderes Problem. "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker - dieser gute Rat verhallt bei Gesundheits-Apps im Netz", sagt Gitta Connemann, die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag der Süddeutschen Zeitung. "Natürlich bieten sie Chancen. Aber Gesundheits-Apps haben auch Risiken und Nebenwirkungen." Eine fehlerhafte App könne fatale Folgen für die Gesundheit der Anwender haben.

Angesichts immer neuer Hiobsbotschaften über den Missbrauch von Daten im Netz treibt Parlamentarier der Regierungsparteien derzeit vor allem ein Thema um: "Gesundheitsdaten sind ein sensibles Gut - mit großem Marktwert. Sie verdienen höchsten Schutz. Der Datenschutz im Netz ist aber löchrig", warnt Connemann. Im Klartext: Die Daten könnten für kommerzielle Zwecke genutzt werden, die nicht im Sinne des Nutzers sind.

Klar ist: Viele Apps legen einen enormen Datenhunger an den Tag, ohne allzu viel über die Motive und die Qualifikation ihrer Anbieter preiszugeben, urteilen auch die Autoren Ursula Kramer und Martin Lucht aus Freiburg. Schließlich winken Geschäfte. Unternehmen dürften die Informationen einiges wert sein. So würden viele Daten etwa Krankenkassen Rückschlüsse auf und Prognosen zur Gesundheit des Nutzers erlauben. Sie könnten sie nutzen, um Leistungen zu gewähren oder zu verweigern. Deutsche Gesundheitspolitiker wollen deshalb den Druck auf die Europäische Kommission erhöhen, schnell härtere und konsequentere Regeln festzulegen. "Wir brauchen verbindliche Standards für Klarheit und Sicherheit. Nur so ist ein umfassender gesundheitlicher Verbraucherschutz gewährleistet", sagt Connemann. "Gefordert ist hier die EU. Denn das Netz kennt keine Ländergrenzen."

Die Programme sollen künftig ein Impressum haben

Doch ein erster Vorstoß Brüssels ruht bisher, zum Unverständnis deutscher Abgeordneter. Geht es nach dem Willen deutscher Parlamentarier, müssen Anbieter in Zukunft einen ganzen Katalog von Auflagen erfüllen. Demnach soll jede App ein Impressum haben, verpflichtende Angaben zum Urheber und zur Aktualität der Informationen machen. Die App sollte zudem eine Datenschutzerklärung, Kontaktmöglichkeiten enthalten - und die Finanzierung offenlegen. Nur so kann die Quelle auch überprüft werden. Zwar unterliegen Medizintechnik-Apps schon jetzt strikten Vorgaben. Wer als Anbieter dagegen den Kunstgriff wählt, eine Gesundheits-App anzubieten, hat es schon viel leichter.

Auch Andrea Voßhoff, die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, ist auf das Thema Apps aufmerksam geworden. "Überlegungen, mithilfe des Smartphones, eines Tablets oder einer Smartwatch mit einer integrierten Gesundheits-App den Krankenkassen den jeweiligen Fitnesszustand des Versicherten zu übermitteln", sehe sie "sehr kritisch", heißt es in ihrem Tätigkeitsbericht. Ein Versicherer hatte solche Pläne angekündigt. Sie werde die Entwicklung in den nächsten Jahren im Auge behalten.

Und die dürften einen neuen Schub bei den technischen Möglichkeiten bringen. Denn längst sind ganz neue Entwicklungen geplant. Start-ups arbeiten an noch weitreichenderen Anwendungen per App. Beispiel Kalifornien: Die US-Firma Proteus Digital Health lässt Patienten eine mit Sensoren gespickte Pille schlucken. Messwerte werden dann über ein Pflaster direkt aus dem eigenen Körper geliefert - natürlich via App an ein Smartphone.

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