Digitalpolitik:Zwischen Phrasen und klarer Haltung

Digitalpolitik: Welche Antworten haben CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD auf die drängendsten Fragen der Digitalpolitik?

Welche Antworten haben CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD auf die drängendsten Fragen der Digitalpolitik?

(Foto: Tim Gouw/Unsplash)
  • Bei der Bundestagswahl Ende September wollen die aussichtsreichsten Parteien auch mit digitalpolitischen Themen punkten.
  • Aber welche Antworten geben CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD auf die wichtigsten Fragen der Digitalpolitik wie Vorratsdatenspeicherung, Arbeitswelt 4.0 oder auch Computerspiele?
  • Mit dem "Wahlkompass" des Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG) lassen sich die Programme der Parteien mit wenigen Klicks analysieren und vergleichen.

Von Mirjam Hauck

Rente, Steuern, Zuwanderung: Für viele Wähler sind das die wichtigsten Themen bei der Bundestagswahl Ende September. Aber wie halten es die Parteien mit der Digitalisierung der Arbeitswelt, der digitalen Bildung, Datenschutz und Vorratsspeicherung oder gar Computerspielen? Welche Antworten haben CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD auf die drängendsten Fragen der Digitalpolitik?

Welche Meinungen die Parteien bei diesen Fragen vertreten, haben Forscher des Berliner Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG) untersucht. Dafür haben sie den "Wahlkompass" entwickelt. Das Tool ermöglicht es Wählern, die Wahlprogramme der aussichtsreichsten Parteien mit wenigen Klicks zu vergleichen.

In sieben Kategorien wie "Wirtschaft und Arbeit", "Bildung und Forschung" und "Sicherheit" finden sich insgesamt 86 Schlagwörter. Darunter sind klassische Begriffe wie "Investition", "Datenschutz", "Schule" und "Bargeld", aber auch "Hate Spech", "Fake News" und "autonomes Fahren", also Themen, die erst seit Kurzem ins Blickfeld der Politik geraten sind. Die Positionen von jeweils zwei Parteien können Nutzer dann mithilfe des Tools gegenüberstellen. (In der Mobilversion geht das mangels Platzes leider nicht, hier müssen sich die Nutzer die Programme nacheinander anschauen.)

Informieren und vergleichen

"Das Ziel des Wahlkompasses ist es, dass sich die Wähler mit den Originalquellen beschäftigen", sagt Nataliia Sokolovska. Die Forscherin am HIIG hat unter anderem die Verschlagwortung der Wahlprogramme mitentwickelt. "Die Nutzer sollen darin stöbern können, sich informieren und dann auch die einzelnen Positionen miteinander vergleichen können."

Die einzelnen Wahlprogramme unterscheiden sich deutlich: in der Länge (Union: 80 Seiten, die Grünen: 240 Seiten) und vor allem ihrem Inhalt und ihren Schwerpunkten. Digitalpolitische Themen haben mittlerweile einen größeren Stellenwert. Dennoch ist Sokolovska während ihrer Arbeit aufgefallen, dass die Parteien zwar um künftige Herausforderungen wie die Digitalisierung des Arbeitsmarktes wissen, ihnen aber oft noch unklar ist, wie die Politik damit umgehen soll.

Bei der Union finden sich 19 Punkte zum Schlagwort "Arbeitsmarkt". Doch oft sind es Phrasen, die schwammig bleiben und wenig konkrete Handlungsziele vorgeben. So heißt es hier zum Beispiel: "Wir sind überzeugt, dass mit der Digitalisierung immense Chancen für Deutschland, seine Bürger und seine Wirtschaft verbunden sind. Wir werden sie mutig ergreifen und entschlossen nutzen." Für den derzeitigen Koalitionspartner SPD hat das HIIG zwölf Stellen zum digitalen Arbeitsmarkt gefunden, etwa: "Die neue Arbeitswelt 4.0 eröffnet Chancen - stellt uns aber auch vor die Herausforderung, die Beschäftigten neu abzusichern."

Meinungsfreiheit oder Regulierung

Auch versuchen sich die Parteien an einem Spagat zwischen Meinungsfreiheit und der Regulierung von sozialen Netzwerken. Zwar sind sie gegen Überwachung und Zensur, ganz unkontrolliert wollen sie soziale Netzwerke wie Facebook aber auch nicht lassen. Unklar ist nur, wie das funktionieren soll. So schreiben die Grünen: "Mit Sorge beobachten wir die Verbreitung von Hass und Hetze im Netz. Die Strafverfolgung hingegen hinkt diesen Auswüchsen weit hinterher. (...) Große Anbieter sozialer Netzwerke gehören hier in die Pflicht genommen, dürfen aber nicht in eine Richter*innenrolle gedrängt werden. Sie müssen offensichtlich strafrechtswidrige Inhalte umgehend löschen." Bei der SPD heißt es lapidar: "Hasspropaganda im Netz werden wir durch alternative Botschaften entgegentreten."

Interessant ist auch, zu welchen Themen sich die Parteien in ihren Wahlprogrammen nicht äußern. So gibt es zum umstrittenen Punkt "Vorratsdatenspeicherung" bei den Regierungsparteien der Union und der SPD null Treffer. Die FDP vertritt in dieser Frage dagegen eine klare Haltung. Sie schreibt: "Wir Freie Demokraten wollen nicht, dass Telekommunikationsunternehmen die Verkehrsdaten aller Menschen - auch gegen deren Willen - anlasslos speichern. Die Vorratsdatenspeicherung, die sie dazu zwingt, lehnen wir deshalb entschieden ab."

Hingegen haben fast alle Parteien zu einem Thema eine Meinung, das vor Jahren nur als Killerspieldebatte stattfand und auch heute oft nur in Zusammenhang mit Spielsucht genannt wird: Computerspiele. Von der Union über die SPD bis zu den Grünen betonen alle die Relevanz von Computerspielen als Wirtschaftsprodukt und Kulturgut und sprechen sich mehrheitlich für die Förderung von E-Sport aus.

Der Wahlkompass bietet viele Vergleichsmöglichkeiten, aber er wertet nicht. Das bleibt den Wählern überlassen, wenn sie am 24. September ganz analog ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen. Und damit neben Rente, Steuern und Zuwanderung auch über die digitale Zukunft Deutschlands bestimmen.

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